Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Ausführungen unseres Justizministers haben gezeigt, mit welcher großen Seriosität die Landesregierung dieses Thema bearbeitet.
Das ist genau die Seriosität, die Sie, Herr Kollege Oelmayer, von anderen eingefordert haben, die Sie aber selbst nicht praktizieren.
Ich darf Sie an das erinnern, was Sie in der vergangenen Woche in der „Ländersache“ im Südwestfernsehen gesagt haben. Dort haben Sie nämlich gesagt, dass die Anwendung der Sicherungsverwahrung bei Jugendlichen kein Problem sei, wenn sie nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt würden; aber sie würden ja nicht nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt. Das haben Sie gesagt.
Erlauben Sie mir als Nichtjuristen dazu eine Bemerkung. Sicherungsverwahrung darf der Richter nicht anordnen. So steht es in § 106 des Jugendgerichtsgesetzes.
Das Zweite, das Sie angesprochen haben, sehr geehrter Herr Kollege Oelmayer und auch Kollege Bebber, war die Statistik. Es ist zwar richtig, dass die Statistik ausweist: 1974 gab es 21 Sexualmorde, im Jahr 2000 gab es einen, im Jahr 2001 gab es vier Sexualmorde. Aber, meine Damen und Herren, in der Gerichtsmedizin liegt ja keine Statistik, sondern da liegt ein toter Mensch, da liegt ein totes Kind. Deshalb ist die Frage der Statistik doch gar nicht ausschlaggebend. Wir wollen doch überhaupt nicht die Verfassung aushebeln, sondern im Gegenteil: Wir wollen innerhalb des Rahmens der Verfassung dort eine Lösung finden, wo die Bürgerinnen und Bürger eine Lösung erwarten.
Es ist klar, dass das Strafrecht eine Strafe gegen einen Täter verhängt, damit er die Tat sühnt. Aber wenn wir hier Täter haben, die offensichtlich nicht therapierbar sind, und wenn die Sühne den Zweck nicht erfüllt, dann stellt sich die Frage, ob die Sicherungsverwahrung und auch die nachträgliche Sicherungsverwahrung die einzigen tauglichen Mittel darstellen, um Leib und Leben unschuldiger Menschen vor Verbrechen zu schützen.
Das, meine Damen und Herren, wollen wir. Wenn Sie schon mit Statistik argumentieren, Herr Kollege Bebber und Herr Kollege Oelmayer, dann verweise ich Sie auf die beängstigende Zunahme der Straftaten gerade junger Menschen.
Da wollen wir uns gegen die Erosion der Rechtskultur wenden. Wenn wir feststellen, dass gerade bei Heranwachsenden die Ausnahme zur Regel wird, dann, denken wir, müsste das Gesetz durch den Gesetzgeber präzisiert werden, weil die Richter in der Praxis offensichtlich nicht mehr das umsetzen, was der Gesetzgeber ursprünglich eigentlich wollte.
(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Oelmayer GRÜNE: Au! Richterschelte! – Abg. Drex- ler SPD: Richterschelte! Und das als liberaler Abge- ordneter! – Weitere Zurufe)
Meine Damen und Herren, wir können nicht nur immer mehr Verantwortung auf die jungen Menschen delegieren – sie sollen immer früher selbstständig entscheiden; das tun sie auch –, sondern wir müssen diese Freiheiten, die wir für junge Menschen wollen, auch mit der Verantwortung verbinden. Ich kenne die Beispiele aus der Praxis. Gehen Sie doch
wo genau derjenige die Straftaten begeht, der unter 14 Jahren ist, der noch nicht strafmündig ist. Das machen sie aus, weil sie genau wissen, dass man beim ersten Mal nicht drankommt, sondern erst beim zweiten oder beim dritten Mal, meine Damen und Herren.
Hier darf der Rechtsstaat doch gerade nicht zurückhaltend sein, sondern hier gilt es, frühzeitig die Grenzen aufzuzeigen – dies liegt auch im Interesse der jungen Straftäter –, damit sie eben doch noch auf den richtigen Weg zurückgeführt werden, meine Damen und Herren.
Ein Abschlussgedanke: Schauen Sie sich den Fall Kuchen an. Da zeigt sich ja, dass das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Denn hier hat ja gerade die Aufmerksamkeit der Bevölkerung zur Ergreifung des mutmaßlichen Täters geführt. Da sage ich auch mit Blick auf den Innenminister: Die kommunale Kriminalprävention, die Ermutigung der Menschen zum Mitdenken und Aufpassen und Helfen sind sehr wichtig. Gerade dem Opfer in Kuchen ist sehr gut geholfen worden. Wenn die Autonummer nicht aufgeschrieben worden wäre, dann hätte man diesen Fahndungserfolg nicht gehabt, meine Damen und Herren. Daran ist überhaupt nichts Illiberales.
(Abg. Fischer SPD: Das hat doch nichts mit Krimi- nalprävention zu tun! – Zurufe der Abg. Oelmayer GRÜNE und Bebber SPD)
Das ist eine moderne Bürgergesellschaft, in der die Bürgerinnen und Bürger mithelfen, dass die innere Sicherheit in diesem Land gewährleistet wird. Genau das wollen wir von der FDP/DVP-Fraktion, meine Damen und Herren.
Im Rahmen der Rechtsordnung. – Da kann ich Ihnen nur sagen: Dann stimmen Sie auch auf Bundesebene den Gesetzentwürfen des Landes Baden-Württemberg zu!
Nur so bekommen Sie einen besseren, nämlich den bestmöglichen Schutz. Es wird nie den absoluten Schutz geben können. Aber wir sind als Parlamentarier gefordert, im Rahmen unserer Möglichkeiten
Jetzt komme ich zu dem Thema Statistik. Es ist unverantwortlich, bei solchen Täterpersönlichkeiten mit Statistik zu argumentieren.
(Abg. Zeller SPD: Das hat doch niemand getan! – Abg. Oelmayer GRÜNE: Das habe ich doch gar nicht gemacht!)
Dann nennen wir es „das beste“, wie Sie wollen. – Da kann ich Ihnen nur sagen: Machen Sie von Rot-Grün bei der Verfassungsänderung, die vorgeschlagen ist, mit. Dann haben wir auch da für den bestmöglichen Schutz gesorgt. Das ist doch kein Hindernis, sondern das muss ein Auffordern zum Handeln sein.
Meine Damen, meine Herren, der Kollege Bebber hat mit dem Mangel an Plätzen in Haftanstalten und der Problematik der Integration von Aussiedlern argumentiert. Ich will diese Problematik heute nicht vertiefen. Aber Sie treffen bei den Sexualstraftätern überhaupt nicht den Kern des Problems. Sie haben hier doch Triebtäterpersönlichkeiten. Das hat doch nichts mit den Bedingungen in der Haft zu tun, sondern das hat mit Persönlichkeitsproblemen der Täter zu tun. Es wird eben Menschen und Täterpersönlichkeiten geben, die nicht therapierbar sind. Das ist das Schlimme dabei. Da können Sie alle Haftbedingungen ändern. Damit hätten Sie aber das Problem nicht gelöst. Deshalb ist der Einwand nicht überzeugend, und vor allem liegt er neben der Sache.