Heute ist schon erwähnt worden – und das muss uns allen gesellschaftspolitisch zu denken geben –, dass zwar 90 % der Studierenden – um nur ein Beispiel zu nennen – den Wunsch nach Familie und Kindern haben, aber später nur 57 % der Frauen mit Hochschulabschluss diesen Wunsch auch verwirklichen.
Ich will jedoch nicht nur von den Akademikerinnen sprechen: Bereits ein Viertel unserer jungen Frauen bleiben heute kinderlos. Heute ist schon viel darüber gesprochen worden, woran das alles liegt.
Wir erreichen die tatsächliche Chancengleichheit eben nur dann, wenn Väter und Mütter die gleiche Chance haben, die Arbeit in Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.
Es geht einerseits um die Kinderbetreuung. Es geht darum – darauf werden wir heute auch noch zu sprechen kommen –, dass wir hinsichtlich der Vereinbarkeitsfrage – kinder
freundliches Baden-Württemberg – einen weiteren entscheidenden Schritt in die richtige Richtung tun.
Es liegt aber auch an den finanziellen Verhältnissen. Wenn der Durchschnittsverdienst der Frauen heute immer noch um ein Viertel geringer ist als der der Männer, dann lässt sich immer relativ schnell entscheiden, wer der Erwerbsarbeit und wer der Familienarbeit nachgeht. Da spiegeln sich immer noch die klassischen Rollenverteilungen wider: Der Mann ist der Ernährer, die Frau ist die Zuverdienerin. Diese finanziellen Verhältnisse schränken natürlich sowohl die Entscheidung der Väter als auch der Mütter ein, sich in den Jahren der Kinderphase mehr der Kindererziehung zu widmen.
Erst wenn Männer und Frauen die gleichen Chancen haben, Zukunft zu gestalten, werden wir auch gesellschaftspolitisch vorankommen. Auch das ist heute schon gesagt worden: Um gesellschaftspolitisch voranzukommen, müssen die Frauen auch stärker in den politischen Gremien vertreten sein. Nur: Solange Frauen eine Doppelbelastung mit Familie und Beruf zu tragen haben, würde sich dann eine Dreifachbelastung ergeben. Es ist nicht damit getan, den Frauen zu sagen: Engagiert euch! Vielmehr muss auch von Männern Unterstützung geboten werden.
Das gilt zum einen für den privaten Bereich. Zum anderen müssen Frauen beispielsweise auch – das gilt für alle – bei Wahlen zu politischen Gremien von den Entscheidungsgremien aussichtsreiche Plätze erhalten, wenn sie bereit sind, sich zu engagieren. Auch lässt das Wählerverhalten teilweise noch zu wünschen übrig. Erst wenn sich hier etwas ändert, werden die Frauen auf einen entscheidend höheren Anteil in den politischen Gremien kommen.
Das Problem besteht nach wie vor. Nachdem Mehrheitsentscheidungen oft immer noch nicht so ausfallen, wie dies wünschenswert wäre, lässt sich auch die tatsächliche Chancengleichheit teilweise nur langsam durchsetzen.
Ein signifikantes Beispiel greift der Antrag der FDP/DVP auf – man könnte noch viele Beispiele anführen –, in dem die Frage aufgeworfen wird: Warum sind eigentlich so wenige Ärztinnen in Chefarztpositionen? Diese Positionen werden immer noch zu 95 % von Männern besetzt. Dabei ist der Anteil der jungen Frauen unter den Absolventen eines Medizinstudiums sehr hoch. Im medizinischen Bereich sind junge Frauen gegenüber den Männern heute in der Überzahl.
Ich teile absolut nicht die optimistische Auffassung, dass sich der Frauenanteil in den Führungspositionen von allein erhöhen werde. Es kommt vielmehr darauf an, die Zeit- und Teilzeitfrage anzugehen und Möglichkeiten zu schaffen, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren.
Ich will nur einige wenige Beispiele aufzeigen, wo überall die Chancengleichheit vorangetrieben werden muss. Das kann aber nicht nur durch staatliches Handeln geschehen. Vielmehr müssen daran alle Gesellschaftsschichten mitarbeiten.
Das gilt in der Politik, in der Verwaltung, in der Wirtschaft, in Gewerkschaften und in Organisationen. Ich könnte viele Beispiele dafür nennen – auch von Männern, die der Opposition angehören –, dass dann, wenn es um die eigene Situation, um die eigene Position geht, vieles – das wurde heute auch schon gesagt – akademischer Diskurs ist und an der Realität vorbeigeht.
Jetzt möchte ich aber konkret, weil das heute auch Hauptgegenstand mancher Anträge ist, zum Thema „Chancengleichheit, Gender Mainstreaming in der Landesverwaltung“ sprechen.
Die Landesregierung hat dieses Thema in der Koalitionsvereinbarung zur neuen Legislaturperiode aufgegriffen. Auf meine Initiative hin hat der Ministerrat anschließend das Sozialministerium beauftragt, eine Konzeption zur Berücksichtigung der Chancengleichheit in allen Aufgabenbereichen der Landesverwaltung zu erarbeiten. Diese Konzeption liegt vor. Im Grunde genommen war auch bei der gestrigen Anhörung manches nur ein Schaulauf, weil man nicht akzeptieren will, dass alles, was die Opposition in ihren diesbezüglichen Anträgen fordert, von uns schon gemacht wird.
Ich sage es Ihnen: Bestandteile dieser Konzeption sind Modellprojekte in verschiedenen Ministerien, weil sowohl das Prinzip „von unten nach oben“ als auch das Prinzip „von oben nach unten“ durchgesetzt werden muss. Wir erstellen Informationsmaterialien; die Arbeit daran ist größtenteils schon abgeschlossen. Diese werden dann auch kontinuierlich fortgeschrieben. Wir führen Fortbildungsveranstaltungen und auch eine effektive Steuerung und Begleitung des Prozesses durch.
Zur Umsetzung gibt es schon ganz konkrete Maßnahmen. Beschlossene Sache ist, dass im Rahmen der Einführung der neuen Steuerungsinstrumente – ich habe das vorgebracht, und es wurde so beschlossen – Kennzahlen mit Personenbezug geschlechterdifferenziert ausgewertet werden. Auch im Rahmen der Überarbeitung der Vorschriftenrichtlinie für die Folgenabschätzung von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Richtlinien wird die Lebenssituation von Frauen und Männern berücksichtigt. Wir haben auch Vorkehrungen getroffen, dass die richtigen Fragen dazu gestellt werden.
Die erste Fortbildungsveranstaltung – auch das war Bestandteil Ihres Antrags zum Gender Mainstreaming – wird bereits in der nächsten Woche durchgeführt.
Informationsmaterialien befinden sich in der interministeriellen Abstimmung, und Anfang 2003 – auch das ein Punkt Ihres Antrags – wird ein Fachbeirat mit Expertinnen einberufen.
Ich beabsichtige zudem, die Chancengleichheit als Leitprinzip und auch als Gemeinschaftsaufgabe aller Beschäftigten im Rahmen der Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes fest zu verankern. Auch da sind wir auf dem richtigen Weg.
Sie wollen wahrscheinlich nur einen Katalog zur Hand haben, um sagen zu können: „Die Regierung hat gehandelt, nachdem wir das gefordert haben.“ Aber diese Dinge werden bei uns in der Verwaltung derzeit alle schon gemacht.
Frau Staatssekretärin, welcher Minister hat sich denn bereits einem Gender-Mainstreaming-Training unterzogen?
Bei uns werden diese Schulungen im Moment mit den Personalverantwortlichen durchgeführt. Weil hier immer auf den Ministerrat geschimpft wird: Das ist überhaupt kein Problem; das Prinzip des „Top-down“ funktioniert ganz gut, aber öfter funktioniert das Prinzip des „Bottom-up“ eben nicht so gut.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Wieser CDU: Haben Sie den Vizepräsidenten auch schon geschult? – Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)
Wenn ich manchmal die Wortäußerungen von Kollegen – egal von welcher Fraktion – höre, glaube ich, dass es mancher dieser Herren hier nötig hätte, eine Schulung zu machen.
(Heiterkeit – Lachen bei der SPD – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)
Ich muss das hier einmal sagen: Da werden mitunter Plattitüden ausgetauscht. Würden sie schon eine ganze Generation lang – wie wir Frauen – über solche Probleme diskutieren und an diesen Überlegungen teilnehmen, dann müsste man nicht heute in Diskussionen wieder von vorne anfangen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Birzele SPD: Die Angesprochenen klatschen! – Abg. Ursu- la Haußmann SPD: Dort rüber müssen Sie gucken! – Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD – Weite- re Zurufe)
Entschuldigung, ich habe heute Probleme; ich bin erkältet. Ich möchte jetzt noch zu meinen weiteren Ausführungen kommen, und es fällt mir sehr schwer, gegen diesen Geräuschpegel anzusprechen.