Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen in aller Offenheit, mit Respekt vor der anderen Kultur, darüber sprechen. Wir müssen zuerst auch definieren, wie weit diese
Zusammenarbeit gehen kann. Die Europäische Union ist weder ein Staatenbund noch ein Bundesstaat. Warum sollte es uns nicht auch gelingen, mit der Türkei einen besonderen Status unterhalb einer EU-Vollmitgliedschaft zu erreichen? Das könnte ein Status sein, der zwischen dem jetzigen Assoziierungsverhältnis, dem Assoziierungsabkommen, und einer Vollmitgliedschaft steht, ein Verhältnis sui generis. Die Europäische Union war eigentlich immer dafür bekannt, solche flexiblen Lösungen zu entwickeln.
Jedenfalls würde uns die Türkei als Mitgliedsstaat in der Europäischen Union heute überfordern. Das wäre keine Möglichkeit, die in einer berechenbaren Zeit realistisch wäre. Deshalb muss ich schon davor warnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Augenblick falsche Versprechungen zu machen, die wir nicht erfüllen können.
Herr Minister Palmer, das war mir nicht klar genug. Ich stimme mit Ihnen darin überein, dass wir die Türkei nicht in die Europäische Union aufnehmen können, bevor sie die rechtsstaatlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätze, die in modernen Verfassungsstaaten gelten, und die wirtschaftspolitischen Bedingungen erfüllt. Darüber gibt es Konsens.
Aber nach Äußerungen, die der Präsident des Konvents, aber auch Ministerpräsident Koch gemacht haben, nämlich dass die Türkei insbesondere aufgrund ihrer religiösen Tradition, aber auch aufgrund der Tatsache, dass ein Großteil ihres Staatsgebiets geographisch zu Asien gehört, grundsätzlich nicht zu Europa gehöre, möchte ich doch genauer wissen, wie Sie dazu stehen.
In Ordnung ist, dass die Türkei nicht beitreten kann, solange sie die Voraussetzungen nicht erfüllt. Aber wir möchten wissen, ob auch Sie der Meinung sind, dass die Türkei grundsätzlich nicht in die Europäische Union gehört.
Wir sind der Meinung, dass wir ein Verhältnis sui generis in einer ganz engen und die große Türkei nicht abstoßenden Nähe zur Europäischen Union benötigen. Ich glaube, dass wir dies aber unter keinen Umständen religiös begründen sollten.
Ich möchte in diesem Zusammenhang nur sagen, dass wir in den nächsten Jahrzehnten mit einem islamischen Land in Europa zu tun haben werden, nämlich mit Bosnien-Herzego
wina, einem selbstverständlich mehrheitlich islamischen Land, und genauso mit Albanien. Das ist unzweifelhaft Europa. Diese Länder sind im Augenblick ohne Beitrittsperspektive. Aber man wird die Grenzziehung Europas nicht aufgrund der religiösen Beschreibung vornehmen können.
Etwas anderes ist freilich die geographische Verortung. Da muss die Europäische Union schon sorgsam differenzieren. Giscard hat in seiner, wie ich finde, vielleicht etwas zu pointierten Äußerung gesagt: In dem Augenblick, in dem es zu einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union komme, stünden Marokko, Algerien und der ganze Maghreb vor der Tür.
Sie haben in diesen Tagen gelesen, dass der israelische Außenminister Netanjahu als Ziel seiner Außenpolitik die Vollaufnahme Israels in die Europäische Union anstrebt. Das heißt, die geographischen Begrenzungen Europas sind in meinen Augen sehr wohl ein zulässiger Parameter, um die äußere Gestalt Europas zu definieren. Das ist legitim, und ich glaube, wir brauchen für die Türkei, die seit Mitte der Fünfzigerjahre ein verlässlicher Bündnispartner, etwa in der NATO, ist, ein besonderes Verhältnis.
Etwas, was jedenfalls ganz falsch ist, ist das, was im Augenblick der Bundeskanzler versucht. Er möchte nämlich, um die Amerikaner wegen seiner amerikafeindlichen Ausfälle der vergangenen Monate zu beruhigen,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Rüeck CDU: Sehr gut! – Abg. Christine Rudolf SPD: Ich dachte, Sie machen es staatstragend!)
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, die Erweiterung der Europäischen Union auf der einen Seite und das Gelingen des Konventsprozesses der Europäischen Verfassung auf der anderen Seite, das sind die zwei zentralen Aufgaben, die wir in den nächsten zwei Jahren schaffen müssen. Nie war Europa – so habe ich eingangs gesagt – interessanter als zurzeit. Ich bin froh darüber, dass sich der Landtag intensiv einbringt, und freue mich auf die Debatte im Ständigen Ausschuss zum Konventsprozess morgen.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Erledigung. Der Ständige Ausschuss schlägt Ihnen vor, von der Mitteilung der Landesregierung Kenntnis zu nehmen und den Antrag des Abg. Dr. Reinhart, Drucksache 13/1081, für erledigt zu erklären. – Sie stimmen dieser Beschlussempfehlung zu.
Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung und anderer Gesetze – Drucksache 13/1227
Gleichzeitig rufe ich die dazu eingereichten Änderungsanträge der Fraktion GRÜNE, Drucksachen 13/1484 und 13/1485, auf.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Behördliche Entscheidungen müssen durch Informationen über ihre Umweltauswirkungen vorbereitet werden. Dies sichern in Deutschland die Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetze, die in den Verfahren eine Prüfung durch die allgemeinen Verwaltungsbehörden vorschreiben. Mit dem vorliegenden Gesetz wird die europäische UVP-Änderungsrichtlinie vollständig in innerstaatliches Recht umgesetzt. Diese Richtlinie hat zum Ziel, die Verfahren zu harmonisieren und Verbesserungen bei der Anwendung zu erreichen. Die Maßnahme enthält eine Änderung der Liste, in der die Projekte festgelegt sind, auf die die Umweltverträglichkeitsprüfung angewandt wird.
Wir haben die Erste Beratung dieses Gesetzentwurfs in Freiburg ohne Aussprache durchgeführt. Lassen Sie mich das deshalb hier ansprechen: Durch den Verweis auf Bundesrecht ist jetzt auch zusätzlich zu grenzüberschreitender Behördenbeteiligung eine grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung darin enthalten. Das hätte man in Freiburg angesichts der Nähe zu Frankreich auch herausstreichen können.
Die CDU-Fraktion stimmt diesem Bestandteil und dem Gesetz insgesamt mit den Änderungen, die wir im Ausschuss für Umwelt und Verkehr beschlossen haben, zu.
Lassen Sie mich etwas zu den vorgelegten Änderungsanträgen der Fraktion GRÜNE sagen. In diesen Anträgen wird eine Änderung bei wasserwirtschaftlichen Vorhaben beantragt, womit in diesem Bereich eine zwingende UVP-Pflicht gesetzlich gefasst würde. Das steht im Widerspruch zum Bundesrecht. Denn dort besteht ein Spielraum nur für die Vorprüfung auf Landesebene, nicht aber für eine zwingende Pflicht, die vom Bundesgesetzgeber abschließend geregelt ist.
Es ist auch darin enthalten, die UVP-Pflicht an bestimmte Zulassungsverfahren zu knüpfen, sprich: Wenn ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt wird, dann ist auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich. An dieser Verknüpfung und damit auch an solchen bisherigen Landesregelungen bestehen EU-rechtliche Bedenken. Deshalb muss zuerst die Prüfung der UVP-Relevanz und dann die Frage der Zulassungsverfahren geklärt werden. Aus diesem Grund können wir diesem Änderungsantrag nicht zustimmen.
Genauso wenig können wir dem zweiten Änderungsantrag zustimmen. In dem Gesetzentwurf werden Bagatellvorhaben im Straßenbereich für UVP-frei erklärt. Der Änderungsantrag begehrt die Streichung dieser UVP-Freiheit für Bagatellvorhaben im Straßenbau. Am UVP-Gesetz des Bundes wird öfter kritisiert, ob wirklich alle Änderungen an einer Straßenbaumaßnahme auf Bundesebene UVP-relevant sind. Das betrifft zum Beispiel die bloße Verbreiterung des Banketts an einer Bundesautobahn. Deshalb halten wir es für richtig, dass – wie in anderen Bereichen auch – in diesem Bereich der Straßenbaumaßnahmen bei uns Schwellenwerte festgelegt werden, auch wenn es sich im Einzelnen schwierig gestalten kann, die Grenzwerte zu finden. Wir halten es aber für richtig, solche Schwellenwerte zu suchen. Deshalb lehnen wir auch diesen Änderungsantrag ab.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich will es, auch angesichts der fortgeschrittenen Zeit, kurz machen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist für uns ein Instrument dafür, eine dauerhafte, nachhaltige Entwicklung umzusetzen. Daher ist es natürlich ein notwendiger und wichtiger Schritt, dass wir in Europa einheitliche Regelungen im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung erhalten. Die Grundlage hierfür wurde mit der Europäischen Richtlinie von 1997 gelegt. Der Bund hat 2001 das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung verabschiedet. Deshalb ziehen wir jetzt landesrechtlich nach. Es ist natürlich auch selbstverständlich, dass der Rahmen für Gestaltungsmöglichkeiten damit nicht mehr allzu groß ist, wenn man das auf Landesebene noch weiter umsetzt.
Es ist auf jeden Fall wichtig – wir halten das insgesamt für eine positive Sache –, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung auf mehr Bereiche ausgedehnt wird, weil wir einfach sehen, dass die Notwendigkeit besteht, die Auswirkungen auf die Umwelt sehr viel früher und präventiver zu prüfen. Das zeigen immer wieder auch Einzelmaßnahmen, bei denen wir hinterher feststellen: Oh, was haben wir da angestellt? Wir hätten uns die Auswirkungen auf die Umwelt eigentlich früher anschauen müssen.
Ich will aber noch etwas zu den Änderungsanträgen der Grünen sagen – Herr Schebesta ist auch schon darauf eingegangen –: Wir werden dem ersten Änderungsantrag der Grünen zu Artikel 1 Anlage 1 des Gesetzentwurfs nicht zustimmen, weil wir es für überzogen halten, diesen Umfang anzugehen. Wir haben an vier Stellen bei der Umsetzung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes durch die Landesregierung festgestellt, dass der Gesetzentwurf hinter bestehende Regelungen zurückfällt. Diese Regelungen hätten auch wir gerne geändert gesehen – so ist es nicht; das haben wir im Ausschuss auch geäußert –, unter anderem auch im Bereich der wasserrechtlichen Maßnahmen. Es gibt noch einige Stellen mehr, wie gesagt, vier insgesamt. Wir halten
allerdings die Maßnahmen, die Sie von den Grünen beantragen, für zu umfassend und der Situation nicht angemessen.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wo ist dann Ihr An- trag? – Gegenruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Zuhören, Herr Palmer!)
Wir werden dem Änderungsantrag zur Streichung der Anlage 1 a zustimmen, aber nicht deswegen, weil wir all die dort genannten Sachverhalte für Bagatellfälle halten, sondern weil gerade diese Anlage einen ganz besonderen Charme hat, der darin besteht, dass man eine Ausnahmeregelung von der Umweltverträglichkeitsprüfung macht und innerhalb dieser Ausnahmeregelung noch einmal Ausnahmen beschreiben muss, weil es völlig klar ist, dass, wenn eine Maßnahme in einem FFH-Gebiet oder in einem Naturschutzgebiet stattfindet, natürlich trotzdem eine Vorprüfung zur Umweltverträglichkeit stattfinden muss.