Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

Verzeihung, Herr Minister, meine Damen und Herren! Ich finde, das ist etwas erstaunlich. Wir sprechen über Effizienzgewinne, und die einzige Auskunft über Einsparungen lautet: Es wird kein zusätzlicher Personalbedarf entstehen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wir haben doch bisher schon im Vorgriff Stellen nicht wieder besetzt!)

Nun argumentieren Sie, Frau Berroth: Wir haben schon bisher Einsparungen erbracht; folglich werden die Effizienzgewinne dazu genutzt, diese Einsparungen zu erklären. Das kommt mir ein bisschen so vor wie die Theorie, dass man die Äpfel ernten könne, bevor man den Baum gepflanzt habe.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: In diesem Fall geht das wirklich!)

Wenn jetzt eine Reform stattfindet und in Form von Effizienzgewinnen Früchte bringt, wie kann dann das Personal schon vorher entlassen worden sein?

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wir haben vor- gespart!)

Wo ist dann der Nutzen Ihrer Reform?

Die zweite Erklärung, die Sie mir anbieten, ist: Der Straßenbauetat – so sagte der Kollege Staatssekretär Mappus – sei ja in jüngster Zeit aufgestockt worden. Das ist wohl wahr. Das geschah gegen unseren Widerstand. Deswegen brauche man jetzt mehr Personal. Denn wenn man jetzt mehr Straßen baue, müsse man auch mehr Planer beschäftigen. Dem muss ich leider entgegenhalten: Das kann auch nicht die Erklärung dafür sein. Denn erstens haben Sie ja die Planungsmittel für Dritte. Diese Mittel sind auch ständig angewachsen. Das heißt, da ist ein externer Bedarf vorhanden. Den decken Sie gar nicht mit Ihrer Landesstraßenbauverwaltung. Wenn es also Effizienzgewinne gibt, müsste sich das irgendwann einmal in Kürzungen der Mittel für die Dritten auswirken.

(Beifall der Abg. Heike Dederer GRÜNE – Abg. Hei- ke Dederer GRÜNE: Sehr gut!)

Das tut es auch nicht. Das kann ja wohl nicht wahr sein!

Unseres Erachtens spricht außerdem dagegen – verzeihen Sie bitte –, wenn Sie sagen, Sie müssten beim Landesstraßenbau mehr planen, dann hätten Sie ja mehr Geld, dann ist es ja noch immer so, dass Sie beim Bundesstraßenbau bereits Pläne haben, die für die nächsten 30 Jahre reichen. Sie haben 50 % aller Bundesstraßenbauplanungen in BadenWürttemberg, vom Volumen her gesehen, bereits in der Schublade liegen.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Also können Sie die Landesstraßenbauverwaltung 30 Jahre lang stilllegen, weil Sie gar nichts zu planen brauchen.

(Abg. Scheuermann CDU: Wir wollen doch auch bauen!)

Dafür brauchen Sie die Effizienzgewinne offensichtlich auch nicht.

Für uns heißt das – Herr Kollege Göschel hat ja wenigstens eine Erklärung geliefert –: Ihre ganze Reform ist untauglich. Sie bringt nämlich gar keine Effizienzgewinne, weil Sie eine Vierteilung durchführen und anschließend wieder mehr Leute brauchen, um sich gegenseitig darüber zu verständigen, was sie gerade gemacht haben, damit die rechte Hand erfährt, was die linke tut.

(Abg. Hauk CDU: Da merkt man, dass Sie nur an der Oberfläche herumgekratzt haben!)

Für uns heißt das jedenfalls: Wir stehen vor einer klaren Alternative: Entweder das Gesetz bringt tatsächlich Effizienzgewinne – dann werden Sie die Effizienzgewinne nur einsetzen, um mehr unnötige Straßenbaupläne zu vollenden. Dafür reichen wir Ihnen bestimmt nicht die Hand.

(Abg. Hauk CDU: Das mag möglich sein!)

Oder aber es bleibt beim alten Wasserkopf in der Straßenbauverwaltung. Auch da stimmen wir ganz bestimmt nicht zu.

Die Konsequenz kann für uns nur sein, dass wir dieses Gesetz ablehnen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wider besseres Wissen hat er wieder ge- schwätzt! – Abg. Scheuermann CDU: Was Sie sich zurechtlegen, hat mit der Realität nichts zu tun! Sie haben sich einen Popanz zurechtgelegt, der mit der Realität nichts zu tun hat! – Gegenruf des Abg. Bo- ris Palmer GRÜNE: Sie reden von Straßenbau und fangen mit Gleisen an! – Unruhe)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Müller.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Beitrag des Abg. Palmer hat mir sein Dilemma deutlich gemacht: Er hatte das Problem, dass er in einem Bereich zu einer Effizienzsteigerung beitragen sollte, in dem er eigentlich gar keine Effizienzsteigerung haben will.

(Minister Müller)

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Genau! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das war es! – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Das war ungefähr so, als ob Sie einen Engel aufforderten, er solle einen Organisationsvorschlag für die Verbesserung der Hölle machen.

(Heiterkeit – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Herr Minis- ter, wir nehmen mit Freude zur Kenntnis, dass wir die Engel sind und Sie in der Hölle arbeiten! Da ist auch der Teufel! – Abg. Blenke CDU: Engel Boris!)

Jawohl. – Wir kommen nach einer jahrelangen Diskussion heute glücklich und endlich zum Abschluss. Wir integrieren in der Tat Blau und Gelb, die Autobahnverwaltung und die Straßenbauverwaltung. Wir reduzieren die Zahl der Ämter.

Von den Scherzen abgesehen, will ich an folgendem Beispiel jetzt einmal deutlich machen, was Effizienzgewinn heißt: Wenn wir 20 % Personal eingespart haben – das haben wir bereits hinter uns –, besteht bei einer Vielzahl von kleineren Ämtern oft das Problem, dass bestimmte Fähigkeiten ausfallen, weil es sie entweder gar nicht mehr gibt oder weil der Betreffende zum Beispiel krank oder im Urlaub ist. Also braucht man wegen der geringeren Zahl von Menschen weniger, aber größere Ämter – das ist der Effizienzgewinn –, damit man die zu leistende Arbeit anschließend besser tun kann, damit die Leute fachgerecht eingesetzt sind und damit man es sich vielleicht ersparen kann, an der einen oder anderen Stelle Aufträge nach außen vergeben zu müssen. Das sind die Effizienzgewinne, die wir uns von der Reduzierung der Zahl der Ämter erwarten.

Wir wollen die untere Ebene stärken. Auch das ist etwas, was der Motivation und der Schlagkraft der Verwaltung dient. Und wir richten die Landesstelle für Straßentechnik ein, die ja keine Vollzugsaufgaben hat.

Die SPD stimmt dieser Integration zu. Das freut uns. Sie kritisieren aber die Regelungen auf der mittleren Ebene. Ich sage einmal: Wenn die Integration auf der unteren Ebene, also bei den Straßenbauämtern, richtig ist, dann muss sie ja auf der mittleren Ebene nicht unbedingt falsch sein. Wir betreiben auch hier nichts anderes als Integration.

(Zuruf des Abg. Göschel SPD)

Allerdings – ich komme darauf noch zu sprechen – integrieren wir im einen Fall innerhalb der Straßenbauverwaltung, und im anderen Fall integrieren wir zwischen der Straßenbauverwaltung und der allgemeinen Verwaltung. Das sehe ich sehr wohl. Aber im einen Fall geht es um 44 Stadt- und Landkreise und im anderen Fall um vier Regierungspräsidien.

Ich glaube, dass die Luft aus der ganzen Diskussion mittlerweile relativ stark heraus ist, und zwar deswegen, weil wir die Neuordnung mit großer Sorgfalt vorbereitet haben. Wir mussten sie sachgerecht machen, wir mussten sie standortgerecht machen. Ich kann mich noch an die ganzen Diskussionen erinnern, an die Frage, welches Straßenbauamt „ins Gras beißen“ muss – Ellwangen, Heidenheim usw., was wir da nicht alles hatten. Das haben wir glücklicherweise alles

hinter uns gebracht. Wir müssen die Neuordnung natürlich auch sozial verträglich umsetzen. Ich glaube, auch das ist uns hinlänglich gelungen.

Bei dieser Gelegenheit bitte ich übrigens die Mitarbeiter unserer Verwaltung um Verständnis. Es muss einem – wie soll man sagen? – zum Nachdenken Anlass geben, wenn bei jeder Verwaltungsreform – aber wirklich bei jeder – die Mitarbeiter der jeweiligen Verwaltung, bei der reformiert werden soll, dies mit Skepsis, Angst, Zurückhaltung beobachten. Wenn die Reform dann durchgeführt ist, stellt man sich relativ schnell auf die neuen Verhältnisse ein.

(Abg. Fischer SPD: Was sollen sie denn auch ma- chen?)

Ich würde eine solche Organisationsreform auch als eine Chance sehen. Nachdem wir ja davon ausgehen, dass wir damit die Straßenbauverwaltung verbessern, verbessern sich eigentlich auch die Arbeitsmöglichkeiten der Mitarbeiter. Deswegen sollten wir diesen ganzen Prozess mit etwas weniger Ängstlichkeit und Zurückhaltung begleiten, sondern darin auch die Chance sehen, die in der Reform steckt.

Ich will im Übrigen eine zweite – sozusagen politische – Bemerkung, eine Bemerkung zum Landkreistag, machen. Der Landkreistag sagt ja: Die Straßenbauämter sollen in die allgemeine Verwaltung integriert werden. Ich halte das für falsch. Deswegen machen wir das ja auch nicht. Wir sind dabei, die Zahl der Ämter von 25 auf 18 zu reduzieren und die Zahl der Außenstellen noch weiter zu senken – von 21 auf 12, wenn ich es jetzt richtig im Kopf habe. Würden wir dem Landkreistag folgen, dann würden wir die Zahl der Ämter auf 44 erhöhen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir uns vorgenommen haben.

Sie erkennen übrigens die Fragwürdigkeit dieses gedanklichen Gebildes daran, dass alle Sonderbehörden auf die Landratsämter umgelegt werden sollen. Die Problematik wird vor allem am zweiten Vorschlag sichtbar, den der Landkreistag gemacht hat, nämlich dass die neun Ämter der Gewerbeaufsicht, mit denen alle Beteiligten zufrieden sind, plötzlich in 44 Ämter zerlegt werden sollen. Lieber Landkreistag, man kann es – mit Verlaub gesagt – mit dem Kompetenzhunger auch ein bisschen übertreiben.

Ich will auch noch etwas zu dem Punkt sagen, der sowohl vom Kollegen Scheuermann als auch vom Kollegen Göschel angesprochen worden ist, nämlich ob die Zusammenführung bei den Regierungspräsidien richtig war. Ich will ohne weiteres einräumen: Das kann man auch anders entscheiden. Wenn andere Bundesländer es anders entscheiden, hätten wir es natürlich auch anders entscheiden können, keine Frage. Unter rein fachlichen Gesichtspunkten spricht sogar einiges dafür – das ist auch nicht zu bestreiten. Aber wir haben eben zur gleichen Zeit zwei Grundentscheidungen in unserem Verwaltungsaufbau: Die erste ist die, dass man versuchen soll, dort, wo es geht, die Sonderverwaltung in die allgemeine Verwaltung zu integrieren. Dafür gibt es ein paar gute Gründe. Die zweite Grundentscheidung ist: Es soll eine mittlere Ebene geben. Diese haben wir mit den Regierungspräsidien. In beide Grundentscheidungen war auch diese Reform einzupassen. Ich denke, das ist uns gelungen. Deswegen würde ich einmal sagen: Auch unsere Variante

(Minister Müller)

ist vertretbar. Ich würde ohne weiteres zubilligen, dass die Variante, die Sie vorschlagen, vertretbar ist. Aber ich glaube, unsere ist es auch.

Schlussbemerkung, meine Damen und Herren: Wenn ich mir überlege, welchen Kummer wir eigentlich im Straßenbau, in der Straßenbauverwaltung haben, dann fallen mir größere Probleme ein als das, das wir heute lösen. Mir fällt beispielsweise ein, dass wir genügend Personal haben müssen, dass dieser permanente Personalabbau – wir liegen jetzt, wie gesagt, 20 % unter dem Bestand, den wir noch vor ein paar Jahren hatten – irgendwann allmählich an die Qualität und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung geht. Das ist mir eine größere Sorge als die Frage, ob ich den Standort X oder den Standort Y habe.

Ich will ein zweites Problem nennen: die modernen Instrumente, also die neuen Steuerungs- und Informationstechnologien. Der Übergang von der Kameralistik zu mehr Wirtschaftlichkeitsbezug in der Verwaltung muss uns gelingen.

Ein drittes Beispiel: die richtige Schnittstelle zwischen der eigenen Verwaltung und den Verträgen, die wir nach außen geben. Man kann ja Personalmangel vielfach dadurch ausgleichen, dass man sagt: Dann nehmen wir Sachmittel und vergeben einen Ingenieurauftrag. Nur: Irgendwann kommt einmal der Punkt, an dem die eigene Verwaltung nicht mehr die Kompetenz hat, überhaupt noch das zu verfolgen, was man an Aufträgen vergeben hat. Das ist für mich eine Sorge.

Die letzte Sorge ist, dass die Straßenbauverwaltung hoffentlich genügend Geld hat,

(Abg. Scheuermann CDU: Die Hauptsorge!)

um künftig noch Straßen zu bauen, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, so wie das – da will ich die eigene Verwaltung gerne auch wieder loben, nachdem ich vorhin eine kritische Bemerkung gemacht habe – auch in der Vergangenheit gelungen ist. Meine Damen und Herren, wenn man sich unser Straßennetz unter Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten – dafür kann die Verwaltung nichts – anschaut, dann muss man sagen: Straßenbau in Baden-Württemberg ist eine gelungene Operation. Was uns fehlt, das sind die Mittel. Aber mit den Konzeptionen, die wir machen – ob das jetzt ein landschaftsgerechtes Bauen ist, ob das ein verkehrlich ausreichendes Bauen ist, ob das ein Bauen ist, das der Verkehrssicherheit gerecht wird, ob es Umweltgesichtspunkten gerecht wird oder was auch immer –, beweist die Straßenbauverwaltung jeden Tag, glaube ich, dass sie eine leistungsfähige Verwaltung sein kann. Wir sollten sie in Bezug auf diese Leistungsfähigkeit nicht behindern.

Vielen Dank.