Meine Damen und Herren, angesichts so vieler Lobeshymnen, Herr Wacker, muss ich Ihnen natürlich auch einmal den Marsch blasen.
750 000 musikbegeisterte Jugendliche und Erwachsene in 3 000 Gesangvereinen, 2 500 Blasmusikvereinen, aber auch, Herr Pfister, in 700 Akkordeonvereinen
tragen sehr viel dazu bei, dass die Große Anfrage der Fraktion der CDU mit Recht den Titel „Musikland Baden-Württemberg“ trägt.
Wir als Abgeordnete erleben vor Ort, dass die Jugendarbeit in den Vereinen der Laienmusik einen hohen Stellenwert einnimmt.
Es sind aber auch die kulturtragenden Vereine, die gerade im ländlichen Raum den größten Teil der musikalischen Grundversorgung und der kulturellen Breitenarbeit leisten. Ein hoher Standard in der Kirchenmusik,
ein außerordentlich hohes Niveau an ca. 200 Musikschulen wie auch die Arbeit an unseren fünf Musikhochschulen tragen zum guten Ruf Baden-Württembergs als Musikland bei.
(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der CDU – Abg. Hauk CDU: Ungeteil- ter Beifall!)
Doch, meine Damen und Herren, es wäre natürlich einseitig und kontraproduktiv für den Bestand dieses Musiklandes, würde man nur ein positives Bild zeichnen und die Besorgnis erregende Entwicklung in wichtigen Bereichen nicht aufzeigen. Experten analysieren, dass der Musikunterricht an den allgemein bildenden Schulen immer mehr an Bedeutung verliert
und dass musische Begabungen bereits im Kindergartenalter verkümmern. Die Ausbildung von Erzieherinnen und Sozialpädagogen ist für den musikalischen Praxisbezug noch immer ungenügend. Am gravierendsten stellen sich die Defizite jedoch im Musikunterricht der Grundschule dar,
die auch nicht mit einem ausführlichen Abschnitt der Großen Anfrage der Fraktion der CDU zu übertünchen waren.
Lassen Sie mich deshalb auf diesen Punkt als Erstes eingehen. Mit nur einer Stunde Musikunterricht pro Woche in der Grundschule belegt Baden-Württemberg bundesweit den vorletzten Platz.
Wie sollen, so frage ich, 85 % der Grundschulkinder, die weder ein Instrument erlernen noch je eine Musikschule besuchen, Begegnungs- und Erfahrungsmöglichkeiten mit praktischem Musizieren gewinnen, wenn sie nur mit dieser einen Stunde Musikunterricht darauf vorbereitet werden?
Unsere Forderung nach einem zweistündigen Musikunterricht hat jedoch seinerzeit schon Mayer-Vorfelder als Kultusminister abgelehnt. Sie wurde nie in Angriff genommen.
Wer also wie die Landesregierung einen intensiven und hochwertigen Musikunterricht in der Grundschule durch Erhöhung der Stundentafel ablehnt,
müsste wenigstens mehr Anstrengungen unternehmen, um im Rahmen von Stundenpools oder ganzheitlichem Unterricht eine Verbesserung zu erreichen.
Interessant ist auch, festzustellen, dass die Landesregierung nunmehr anstrebt, mit dem Konzept „Fremdsprachenunter
richt in der Grundschule“ gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nämlich Fremdsprachen und Musik zu vermitteln. Wir werden es abwarten, Herr Wacker.
Wir halten allerdings wie Sie auch am Klassenlehrerprinzip fest. Aber daraus müsste unseres Erachtens die Forderung abgeleitet werden, dass eben alle Grundschullehrer künftig eine bessere Musikgrundausbildung bekommen. Da aber nur 18 % der Grundschullehrer für Musik ausgebildet sind, müsste die Lehrerfortbildung hier ebenfalls einen Schwerpunkt setzen, und die Landesmittel dürften da nicht weiter gekürzt werden.
Den entstandenen Mangel an Musiklehrern über alle Schularten hinweg wird man allein mit der seit dem Schuljahr 2000/01 in Kraft getretenen Lehrereinstellung über die Engpassregelung nicht beseitigen können, da auch die Ausbildungskapazitäten nicht ausreichen. Deshalb sollten also im Grunde genommen alle Reserven genutzt werden. Uns ist die Tatsache unverständlich, dass man erst Fachlehrer für musisch-technische Fächer an den pädagogischen Fachseminaren ausbildet, aber dann nur zu ca. 50 % einstellt.
Meine Damen und Herren, ein zweiter Punkt meiner Kritik bezieht sich auf den Abschnitt über die Musikschulen. Wir wissen, welche hervorragende Arbeit in diesen Musikschulen geleistet wird. Allerdings hat wohl niemand, insbesondere niemand von den Damen und Herren auf der rechten Seite, die große Protestwelle der Musikschulen vor einem Jahr vergessen. Händeringend hat man sich an Sie und an Sie, Frau Ministerin, gewandt, die seit 1993 praktizierte stetige Absenkung des Fördersatzes für die Musikschulen nicht mehr fortzusetzen.
Es wurde darum gebeten, die Bis-zu-Regelung in eine verlässliche Förderung umzuwandeln. All das haben Sie beim jetzigen Doppelhaushalt dann wieder nicht getan.
Baden-Württemberg befindet sich jetzt nahezu an der 10-%-Grenze der Förderung, die Gott sei Dank – –
Nein. 11,96 % sind der Schnitt. Bei den Hauptamtlichen beträgt der Fördersatz 12,5 %. Mit den 10,5 % für die Nebenamtlichen liegen wir aber verdächtig nahe an der gesetzlichen Vorgabe von 10 %.
Ich sage den betroffenen Musikschulen heute voraus, dass das, was Sie in die Antwort auf die Große Anfrage hineingeschrieben haben, dass die 10 % als sichere Förderung betrachtet werden können, im Grunde genommen bereits Ihre geheime Absicht dokumentiert, die Musikschulförderung weiter abzusenken.
Wer also den Stellenwert des Musiklandes Baden-Württemberg nicht weiter aufs Spiel setzen will, der muss den Musikunterricht in der Schule für alle und über alle Schuljahre hinweg quantitativ anheben und mit mehr qualifizierten Musiklehrern ausstatten.