Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

Ich glaube, wir können stolz sein auf das Musikland BadenWürttemberg.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Wintruff.

Meine Damen und Herren, angesichts so vieler Lobeshymnen, Herr Wacker, muss ich Ihnen natürlich auch einmal den Marsch blasen.

(Heiterkeit – Beifall bei der SPD)

750 000 musikbegeisterte Jugendliche und Erwachsene in 3 000 Gesangvereinen, 2 500 Blasmusikvereinen, aber auch, Herr Pfister, in 700 Akkordeonvereinen

(Abg. Pfister FDP/DVP: Richtig! Genau!)

tragen sehr viel dazu bei, dass die Große Anfrage der Fraktion der CDU mit Recht den Titel „Musikland Baden-Württemberg“ trägt.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen – Zurufe: Sehr gut!)

Wir als Abgeordnete erleben vor Ort, dass die Jugendarbeit in den Vereinen der Laienmusik einen hohen Stellenwert einnimmt.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Es sind aber auch die kulturtragenden Vereine, die gerade im ländlichen Raum den größten Teil der musikalischen Grundversorgung und der kulturellen Breitenarbeit leisten. Ein hoher Standard in der Kirchenmusik,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

ein außerordentlich hohes Niveau an ca. 200 Musikschulen wie auch die Arbeit an unseren fünf Musikhochschulen tragen zum guten Ruf Baden-Württembergs als Musikland bei.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der CDU – Abg. Hauk CDU: Ungeteil- ter Beifall!)

Doch, meine Damen und Herren, es wäre natürlich einseitig und kontraproduktiv für den Bestand dieses Musiklandes, würde man nur ein positives Bild zeichnen und die Besorgnis erregende Entwicklung in wichtigen Bereichen nicht aufzeigen. Experten analysieren, dass der Musikunterricht an den allgemein bildenden Schulen immer mehr an Bedeutung verliert

(Abg. Braun SPD: So ist es nun auch wieder!)

und dass musische Begabungen bereits im Kindergartenalter verkümmern. Die Ausbildung von Erzieherinnen und Sozialpädagogen ist für den musikalischen Praxisbezug noch immer ungenügend. Am gravierendsten stellen sich die Defizite jedoch im Musikunterricht der Grundschule dar,

(Abg. Braun SPD: So ist es!)

die auch nicht mit einem ausführlichen Abschnitt der Großen Anfrage der Fraktion der CDU zu übertünchen waren.

Lassen Sie mich deshalb auf diesen Punkt als Erstes eingehen. Mit nur einer Stunde Musikunterricht pro Woche in der Grundschule belegt Baden-Württemberg bundesweit den vorletzten Platz.

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Braun: Rote Later- ne!)

Wie sollen, so frage ich, 85 % der Grundschulkinder, die weder ein Instrument erlernen noch je eine Musikschule besuchen, Begegnungs- und Erfahrungsmöglichkeiten mit praktischem Musizieren gewinnen, wenn sie nur mit dieser einen Stunde Musikunterricht darauf vorbereitet werden?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Unsere Forderung nach einem zweistündigen Musikunterricht hat jedoch seinerzeit schon Mayer-Vorfelder als Kultusminister abgelehnt. Sie wurde nie in Angriff genommen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das wäre auch zu wenig!)

Wer also wie die Landesregierung einen intensiven und hochwertigen Musikunterricht in der Grundschule durch Erhöhung der Stundentafel ablehnt,

(Abg. Alfred Haas CDU: Mindestens fünf Stun- den!)

müsste wenigstens mehr Anstrengungen unternehmen, um im Rahmen von Stundenpools oder ganzheitlichem Unterricht eine Verbesserung zu erreichen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sechs Stunden!)

Interessant ist auch, festzustellen, dass die Landesregierung nunmehr anstrebt, mit dem Konzept „Fremdsprachenunter

richt in der Grundschule“ gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nämlich Fremdsprachen und Musik zu vermitteln. Wir werden es abwarten, Herr Wacker.

Wir halten allerdings wie Sie auch am Klassenlehrerprinzip fest. Aber daraus müsste unseres Erachtens die Forderung abgeleitet werden, dass eben alle Grundschullehrer künftig eine bessere Musikgrundausbildung bekommen. Da aber nur 18 % der Grundschullehrer für Musik ausgebildet sind, müsste die Lehrerfortbildung hier ebenfalls einen Schwerpunkt setzen, und die Landesmittel dürften da nicht weiter gekürzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Den entstandenen Mangel an Musiklehrern über alle Schularten hinweg wird man allein mit der seit dem Schuljahr 2000/01 in Kraft getretenen Lehrereinstellung über die Engpassregelung nicht beseitigen können, da auch die Ausbildungskapazitäten nicht ausreichen. Deshalb sollten also im Grunde genommen alle Reserven genutzt werden. Uns ist die Tatsache unverständlich, dass man erst Fachlehrer für musisch-technische Fächer an den pädagogischen Fachseminaren ausbildet, aber dann nur zu ca. 50 % einstellt.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Meine Damen und Herren, ein zweiter Punkt meiner Kritik bezieht sich auf den Abschnitt über die Musikschulen. Wir wissen, welche hervorragende Arbeit in diesen Musikschulen geleistet wird. Allerdings hat wohl niemand, insbesondere niemand von den Damen und Herren auf der rechten Seite, die große Protestwelle der Musikschulen vor einem Jahr vergessen. Händeringend hat man sich an Sie und an Sie, Frau Ministerin, gewandt, die seit 1993 praktizierte stetige Absenkung des Fördersatzes für die Musikschulen nicht mehr fortzusetzen.

(Abg. Wacker CDU: Stimmt gar nicht!)

Es wurde darum gebeten, die Bis-zu-Regelung in eine verlässliche Förderung umzuwandeln. All das haben Sie beim jetzigen Doppelhaushalt dann wieder nicht getan.

(Abg. Fleischer CDU: Es war doch jedes Jahr mehr!)

Baden-Württemberg befindet sich jetzt nahezu an der 10-%-Grenze der Förderung, die Gott sei Dank – –

(Abg. Wacker CDU: 12 %, Herr Kollege!)

Nein. 11,96 % sind der Schnitt. Bei den Hauptamtlichen beträgt der Fördersatz 12,5 %. Mit den 10,5 % für die Nebenamtlichen liegen wir aber verdächtig nahe an der gesetzlichen Vorgabe von 10 %.

(Abg. Fleischer CDU: Das ist die 10-%-Grenze!)

Ich sage den betroffenen Musikschulen heute voraus, dass das, was Sie in die Antwort auf die Große Anfrage hineingeschrieben haben, dass die 10 % als sichere Förderung betrachtet werden können, im Grunde genommen bereits Ihre geheime Absicht dokumentiert, die Musikschulförderung weiter abzusenken.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist besser!)

Wer also den Stellenwert des Musiklandes Baden-Württemberg nicht weiter aufs Spiel setzen will, der muss den Musikunterricht in der Schule für alle und über alle Schuljahre hinweg quantitativ anheben und mit mehr qualifizierten Musiklehrern ausstatten.