Aber wir sagen Ja zu einer solchen Regelung. Wir wollen klipp und klar – bisher existiert noch kein besserer Vorschlag –, dass man solche Lockerungen enumerativ be
schreibt und nicht nur allgemein fasst. Das gilt übrigens auch für Annextätigkeiten. Es ist klar: Das, was immanent zu einem Angebot gehört, muss auch mit anderen Beratungstätigkeiten verbunden werden können. Aber es geht nicht an, dass beispielsweise beim Stromversorgungssektor noch so genanntes Gebäudemanagement gemacht wird, einschließlich aller Facility-Tätigkeiten, die damit noch verbunden werden könnten, bis hin zum Catering oder anderem.
Meine Damen und Herren, in Bezug auf die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen wollen wir daran festhalten – das muss ich jetzt vorlesen, damit es richtig formuliert ist –, dass es nach wie vor zulässig und möglich sein muss, diese gegen private Mitbewerber einzuschränken. Dieser Satz stammt nicht von der Privatwirtschaft, sondern ist wörtlich aus einem Schreiben des Geschäftsführers des baden-württembergischen Gemeindetags an das Innenministerium vom 16. Juli dieses Jahres zitiert. Mit Recht wird in diesem Schreiben auch darauf hingewiesen, dass nur eine gewisse Selbstbeschränkung der Kommunen – in deren ureigenstem Interesse – schützen kann vor der derzeit diskutierten EURegelung im Hinblick auf eine Aufhebung der Regelung kommunaler Daseinsvorsorge. Die mit den Wettbewerbshütern der EU bei der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bei den Sparkassen gemachten Erfahrungen sollten uns Warnung genug sein.
Wenn es also gilt, die berechtigten Belange der Wirtschaft und der Kommunen zusammenzubringen, darf man die Lockerung des Örtlichkeitsprinzips nicht vom Drittschutz beim Grundsatz der Subsidiarität trennen. Beides gehört zusammen. Ich muss einfach sagen: Für die FDP/DVP-Fraktion ist eine solche gemeinsame Behandlung Conditio.
Beides gehört bei einem Interessenausgleich von Wirtschaft und Kommunen gemeinsam geregelt. Wenn ich mich an Sie wenden darf, Herr Innenminister: Ich weiß, dass es Ihnen ein Anliegen ist, diesen Interessenausgleich herzustellen.
In der Stellungnahme zu unserem Antrag haben wir allerdings ein bisschen die Tendenz vernommen, man werde jetzt erst einmal mit Ruhe und ohne Hektik an das Thema Örtlichkeitsgrundsatz herangehen. Das begrüßen wir, denn warum sollte man hier hektisch sein. Aber, so wird geäußert, mit noch etwas mehr Ruhe und vielleicht irgendwann einmal, füge ich hinzu – ich hoffe nicht, dass ich damit Recht habe –, werde man sich dann dem anderen Thema zuwenden.
Abgesehen davon wäre eine erneute Änderung der Gemeindeordnung ein Jahr später unter Gesichtspunkten der Entbürokratisierung nicht gerade sinnvoll. Beides gehört zusammen.
wie wir heute Morgen wieder gesehen haben – wäre es doch überhaupt nicht gut, wenn wir das eine blockieren
müssten, bis das andere einträte. Deshalb hoffe ich darauf, dass in bewährter Zusammenarbeit – Herr Mehrländer, Sie vertreten heute den Herrn Wirtschaftsminister in dieser Diskussion – eine gemeinsame Lösung gefunden wird. Es müsste – ich hätte beinahe gesagt – mit dem Teufel zugehen, wenn dies nicht gelänge.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Rede schließt genauso wie Ihre, Herr Hofer, aber zwischendrin liegt ein bisschen etwas anderes. Ich glaube, dass Kommunen und Mittelstand in Baden-Württemberg in den vergangenen 50 Jahren Partner in einem starken Land waren. Ich denke, es muss auch für die Zukunft gelten, dass beide Seiten hiervon profitieren.
Der Mittelstand hat ein Interesse an starken Kommunen. Nur sie garantieren eine leistungsfähige Verwaltung vor Ort im Interesse der Planungssicherheit und stabiler Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Tätigkeit. Die kommunalen Körperschaften sind aber zugleich Auftraggeber für den Mittelstand und das Handwerk.
Umgekehrt haben die Kommunen Interesse an einem starken Mittelstand. Dieser sorgt nämlich für belebte Innenstädte und Gemeinden mit echtem Wohnwert. Er sorgt für eine Belebung von Handel und Wirtschaft, und er trägt mit seinem Steueraufkommen in erheblichem Maße zu einem funktionierenden Gemeinwesen bei.
Die Leitideen dieser Partnerschaft müssen – das ist für mich selbstverständlich – auch auf das Gemeindewirtschaftsrecht übertragen werden. Das haben wir in den §§ 102 ff. getan.
Der Antrag der FDP/DVP geht in seiner Begründung davon aus, dass sich die wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen in den letzten Jahren ausgeweitet habe. Ich kann diese Einschätzung nicht teilen. Obwohl ich jetzt nicht mehr unmittelbar im kommunalen Bereich tätig bin, glaube ich doch, noch einen gewissen Überblick zu haben. Ich kann nicht feststellen, dass sich in den letzten fünf Jahren eine enorme Ausweitung der Tätigkeit ergeben hätte. Andererseits müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass wir durch die Gesetzesänderungen im Jahr 1999 den Kommunen die Option eingeräumt haben, dass sie die Rechtsform ihrer Unternehmen selber wählen dürfen. Der Vorrang des Eigenbetriebs ist weggefallen.
Natürlich, Herr Hofer, haben einige Kommunen die Rechtsform ihrer Betriebe verändert. Das ist unbestritten. Aber daraus den Umkehrschluss zu ziehen, dies führe automatisch dazu, dass diese Betriebe in Konkurrenz zur Privatwirtschaft treten, halte ich für nicht zulässig. Geändert hat sich eigentlich nach wie vor nichts daran, dass eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde nach geltendem Recht nur dann erfolgen darf, wenn der öffentliche Zweck die Tätigkeit rechtfertigt.
Lassen Sie mich – Sie haben es ja auch gemacht – daran erinnern, dass wir 1999 die Subsidiaritätsklausel eingeführt und in die Gemeindeordnung aufgenommen haben. Danach darf sich die Gemeinde wirtschaftlich nur dann außerhalb der Daseinsvorsorge betätigen, wenn der Zweck nicht wirtschaftlicher und besser durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Damit wurde im Interesse des gewerblichen Mittelstands klar geregelt, dass Kommunen außerhalb der Daseinsvorsorge für die Bürger und außerhalb des öffentlichen Zwecks nicht tätig werden können. Deshalb gibt es nach meiner Meinung durch den § 102 eine klare Rollenverteilung.
In unserer Koalitionsvereinbarung haben wir auch gemeinsam festgelegt, dass wir die Subsidiaritätsklausel gegen Ende der Legislaturperiode und damit nach einem etwa fünfjährigen Zeitraum auf ihre Auswirkungen hin überprüfen. Sie sagen aber, es sei schon jetzt so, dass man Klage führen müsse.
Nun hat sich – und auch das haben Sie angedeutet – durch die Europäische Union auf dieser Ebene einiges gewandelt, und wir haben eine Liberalisierung bislang monopolisierter Märkte hinnehmen müssen. Mit der Abschaffung der Gebietsmonopole für die EVUs, die Stadtwerke, ist damit ein erheblicher Wettbewerbsdruck entstanden. Für sie besteht gegenwärtig die Gefahr, bisherige Kunden an andere Anbieter, insbesondere überregionale Großunternehmen, zu verlieren.
Was ich mir zwar nur als Schreckgespenst ausmalen kann, was aber offensichtlich in der Europäischen Union diskutiert wird, ist die Frage, ob die Quersubventionen wegfallen sollen. Damit würde einer der wichtigen Gründe entfallen, der den Kommunen einen großen Vorteil gegenüber den freien Betrieben bringt. Ich vermute nach dem, was ich so höre – Sie haben ja auch gesagt, es verändere sich im Bereich der EU einiges, siehe Monti und Sparkassenwesen –, die Kommunen verlieren einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil, wenn dies so kommt.
Wegen des derzeit geltenden Örtlichkeitsprinzips haben jetzt die Stadtwerke nicht die Möglichkeit eines Ausgleichs außerhalb des eigenen Gemeindegebiets und einer wirtschaftlichen Arbeitsweise zum Beispiel durch eine überregionale Ausdehnung. Das Örtlichkeitsprinzip bindet die Kommunen und erlaubt im Prinzip nur eine wirtschaftliche Betätigung innerhalb des Gemeindegebiets. Es gibt Ausnahmen – ich weiß, dass es diese berühmte Ausnahme der MVV gibt –, und die sind ja im Gesetz beschrieben.
Wenn es zum Beispiel nicht mehr möglich wäre, dass der Betrieb zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen exis
tiert, dann kann er darüber hinausgehen und die Grenze überschreiten. Ich glaube, man muss in der Zukunft die Frage sorgfältig prüfen, wie es in diesem Bereich weitergeht.
Herr Kollege Hofer, ich weiß nicht, ob Sie es waren, der das gesagt hat. Jedenfalls habe ich in den Berichten über die Beratungen des Wirtschaftausschusses vom 20. März die Aussage eines FDP/DVP-Kollegen gefunden, der gesagt hat, er sei der Auffassung, dass man das Örtlichkeitsprinzip lockern müsse. Waren Sie es vielleicht? Man ersieht aus dem Bericht nicht, wer das gesagt hat.
Der letzte Juristentag im September in Berlin hat sich übrigens ebenfalls mit dieser Problematik befasst. Nach Ansicht von Dirk Ehlers, dem Hauptgutachter der damaligen Tagung, sind beide Wirtschaftsformen geschützt, sowohl durch das Grundgesetz wie durch das Europarecht. Der Universitätsprofessor aus Münster räumt dem Staat daher zwar einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Entscheidung ein, bei welchen Aufgaben er sich wirtschaftlich betätigen will. Klar ist aber immer, dass dies im Interesse des Gemeinwohls und zu öffentlichen Zwecken geschehen muss. Bei unserer Entscheidung müssen wir aber auch berücksichtigen, dass andere Bundesländer wie NRW oder Bayern diese Lockerung des Grundsatzes des Örtlichkeitsprinzips bereits vorgenommen haben.
Ich denke, wir müssen auch dafür sorgen, dass unsere baden-württembergischen Unternehmen hier eine gewisse Chancengleichheit erfahren. Wir streben also eine Änderung mit Augenmaß an, die auch nicht so weit wie in anderen Bundesländern gehen soll. Wir wollen nicht unbedingt so weit wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen gehen.
Richtig. Andererseits sollte eine Gebietsüberschreitung auch nur unter der Voraussetzung zulässig sein, dass sie den öffentlichen Zweck des Unternehmens erfüllt. Wir müssen die Belange der Wirtschaft und des Mittelstands genauso wahren. Das ist gar keine Frage.
Zur Vermeidung einer unkontrollierten Ausweitung müssen wir, das denke ich auch, für die Rechtsaufsicht klare Bedingungen festlegen. Hier kommt es nun zu der Frage, inwieweit dies drittschützende Wirkung hat. Wir müssen sorgfältig prüfen, wie wir dies regeln. Das ist gar keine Frage. Wir haben aber auch Bremsen eingebaut, indem wir uns zum Beispiel vorstellen können, dass die aufnehmende Gemeinde einer solchen Erweiterung zustimmen muss. Auch dadurch hätten wir schon eine gewisse Bremse eingebaut. Ich bin auch mit Ihnen der Meinung, dass wir bei den so genannten Annextätigkeiten sehr, sehr vorsichtig sein und diese nicht mit aufnehmen sollten.
Zusammengefasst kann man sagen: Ich denke, dass die beiden Regierungsfraktionen – und damit komme ich zum gleichen Schluss wie der Kollege Hofer – mit Augenmaß und Ziel versuchen werden, einen Gesetzesvorschlag vorzule
gen. Wir werden alles prüfen. Ich glaube, mit diesem Vorschlag werden wir sowohl den Interessen der Kommunen als auch den Interessen unserer mittelständischen Wirtschaft Rechnung tragen.
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter erteile, darf ich unter unseren Gästen auf der Zuhörertribüne besonders begrüßen eine Delegation des Großen Rates des Kantons Schaffhausen unter Leitung der ehemaligen Präsidenten des Großen Rates, Frau Ursula Hafner und Herrn Charles Gysel.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen aus Schaffhausen, ich darf Sie noch einmal sehr herzlich hier im Landtag von Baden-Württemberg willkommen heißen und Ihnen weiterhin einen angenehmen und informativen Aufenthalt wünschen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin jetzt in der glücklichen Lage, dass ich zu zwei Positionen Stellung nehmen kann, die von Ihnen, Herr Heinz, zum Schluss noch mit einem Weichzeichner kosmetisch etwas zusammengeführt werden sollten. Gleichwohl gibt es doch beträchtliche Unterschiede. Ich bin gespannt, ob Sie, Herr Innenminister, diese unterschiedlichen Positionen nachher zu einem entschiedenen „Sowohl-alsauch“ zusammenführen werden. Warten wir es ab.