Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Nein. Ich bin nicht dafür, und zwar ganz einfach deshalb: Wir haben das über anderthalb Jahre hinweg detailliert vorbereitet. Wenn man dagegen bei Ihnen ein Stück Papier dazu haben will, dann heißt es: Außer den Aussagen in einer Pressekonferenz können wir gegenwärtig noch nichts vorweisen. Deshalb bin ich auch nicht dafür, dass wir als Ersatz eine Enquetekommission einsetzen.

Ich möchte nur noch kurz auf vier Punkte eingehen, weil Sie vorhin sagten – Beispiel Bürgernähe –: Das kann ja ein Regionalkreis genauso machen wie ein Landratsamt.

(Abg. Drexler SPD: Das habe ich doch nicht ge- sagt! Wer sagt denn das?)

Dann nenne ich einmal ein Beispiel. Vielleicht stimmen Sie mir zu. Man hat früher einmal gesagt: Wozu braucht man einen Landrat? Um Sozialhilfe auszurechnen? Das kann man bei einem Regionalamt ausrechnen, und dann wird es überwiesen. Dies verkennt jedoch völlig, was an sozialer Arbeit über Kreissozialpläne, Kreisjugendpläne, Kreisaltenpläne und, und, und in einem Landkreis stattfindet. Dazu bedarf es einer Ortsbezogenheit, einer Bürgerbezogenheit und nicht einer Bürgerferne.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das kann nicht ein Inspektor I irgendwo regeln.

Nächster Punkt noch in aller Kürze: Wir sind in BadenWürttemberg – das sagt auch das Hesse-Gutachten – in vielen Dingen blendend verwaltet. Es gibt natürlich Schwach

stellen; deshalb wollen wir aber nicht erst einmal den ganzen Bestand aufheben, sondern aus dem Bestand heraus verbessern.

(Abg. Drexler SPD: Sechs Ebenen wollen Sie be- zahlen!)

Was die Dreistufigkeit anbelangt, so kommen wir in unserem Gutachten zum Ergebnis, dass alle großen Bundesländer einen dreistufigen Aufbau haben, während die kleineren mit zwei Stufen auskommen. Herr Hesse ist ein erklärter Gegner der Regierungspräsidien und hat dennoch gesagt: Bei einem großen Bundesland wird zumindest für die Entwicklung eine Dreistufigkeit erforderlich sein.

Ich möchte noch etwas zum Zuschnitt der einzelnen Ressorts sagen. Das wird jede Koalition machen. Ich habe in der Fraktion gesagt: Ich war einmal in der Baurechtsabteilung des Innenministeriums und fand dort das Baurecht sehr gut aufgehoben.

(Zuruf von der CDU: Prima!)

Das ist damals auf das Wirtschaftsministerium übertragen worden, um diesem Ministerium unter Herrn Spöri einfach mehr Bedeutung zu geben. Ich wäre als wirtschaftspolitischer Sprecher durchaus bereit, darüber zu reden, aus dem Wirtschaftsministerium ein Infrastrukturministerium zu machen und andere Zuständigkeiten wieder an das Innenministerium zurückzugeben.

(Zurufe)

Letzter Punkt, weil Sie sagten, das würde bei Kommunalwahlen kein Thema sein: Ich bin fest überzeugt, dass dies schon ein Wahlkampfthema für Kommunalwahlen gibt. Was denn sonst?

(Abg. Drexler SPD: Aber vorher stimmen wir hier ab!)

Vor dieser Abstimmung habe ich gar keine Scheu.

Lassen Sie mich das als Letztes sagen: Wenn Sie und wir – da sind wir uns ja einig – sagen: „Wir brauchen ein ganzheitliches Modell“, dann stimmen wir auch nur einem ganzheitlichen Modell zu und nicht nur den Teilen, bei denen wir mit Ihnen übereinstimmen. Da wir mit Ihnen in Bezug auf die Regionalkreise nicht übereinstimmen und das zu unserem ganzheitlichen Modell gehört, können wir daher nicht zustimmen, weil wir sonst widersprüchlich handeln würden.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Dann stimmen wir über Ihr Konzept ab, und Sie stimmen Ihrem eigenen Konzept nicht zu!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oelmayer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Noch drei kurze Bemerkungen, insbesondere zu den Ausführungen des Herrn Innenministers.

Wenn man sich die Prüfaufträge der Landesregierung im Zusammenhang mit den anstehenden Sparmaßnahmen an

schaut – Strukturuntersuchungen bei den Finanzämtern, Strukturuntersuchungen bei der Schulverwaltung, Strukturuntersuchungen bei den Hochschulen und Fachhochschulen usw.; ich will es gar nicht fortsetzen, weil mir die Zeit dazu fehlt –, wird deutlich, dass es offensichtlich Reformbedarf und Veränderungsbedarf innerhalb dieser Verwaltungsstrukturen gibt. Deshalb nochmals die Forderung und die Überlegung unsererseits, das besser ganzheitlich zu machen als partiell, um nicht die Gesamtheit aus den Augen zu verlieren.

Ein weiterer Punkt, den ich noch nennen möchte, ist das Thema NSI. Herr Innenminister, es ist natürlich richtig, dass Sie betriebswirtschaftliche Grundsätze auf die Landesverwaltung übertragen wollen.

(Abg. Drexler SPD: Das bestreitet niemand!)

Wenn aber ein Betrieb und zumal ein Großbetrieb in einer Größenordnung von 250 000 oder 280 000 Beschäftigten neue betriebswirtschaftliche Elemente einführt, dann diskutiert der und schaut, ob die vorhandenen Strukturen zu diesen Elementen passen. Genau dies verweigern Sie aber, wenn Sie sagen: Es gibt keinen Reform- und Diskussionsbedarf.

Ein Letztes: Ich lasse mich ja gern vom Innenminister loben. Ich gebe es ja zu. Man wird ja in diesem Haus selten gelobt. Aber Herr Innenminister, Sie loben mich für ein Zitat auf der Grundlage einer Internetseite Ihres Hauses, wonach hier die Zahl der Verwaltungsvorschriften zurückgeht, verbinden dieses Lob jedoch mit der Aussage: Ja, aber die Zahl der bundesgesetzlichen Vorschriften geht nicht zurück.

(Abg. Drexler SPD: Rot-Grün!)

Mit diesem Zitat wollte ich aber sagen: Wenn Sie Aufgaben zurückführen, müssen Sie auch die Strukturen untersuchen und überlegen, ob das Personal, das Sie haben, in der Landesverwaltung noch richtig eingesetzt ist. Hätten Sie diese Schlüsse aus meinem Zitat gezogen, wäre das Lob bei mir gut angekommen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich nochmals Herrn Innenminister Dr. Schäuble.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch eine kurze Bemerkung mit Blick auf das, was Kollege Oelmayer gesagt hat.

Bei allem netten Hin und Her – ich will jetzt nicht über Lob und Selbstlob sprechen; ich lobe Sie, Sie loben mich, in Ordnung – geht es mir um eine Sache – ganz im Ernst –: Kein Mensch seitens der Regierung und auch seitens der Koalitionsfraktionen sagt, dass wir, gerade vor dem Hintergrund der finanziellen Zwänge, keine weiteren Reformen machen müssten. Mein Bemühen vorhin war aber, herauszustellen, dass der entscheidende Kernpunkt unseres Streits

über die Vorgehensweise bei der Verwaltungsreform vor allem darauf beruht, dass die einen den zweistufigen Verwaltungsaufbau und die anderen den dreistufigen Verwaltungsaufbau wollen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)

Das heißt nicht – wenn man diesen Streit im Kern erkennt –, dass diejenigen, die sagen, wir müssten bis auf weiteres beim dreistufigen Verwaltungsaufbau bleiben, sagen würden, wir brauchten deshalb keine weiteren Reformen. Nur: Unser und insbesondere mein Rat ist, dass wir die anstehenden Strukturveränderungen bis hin zu weiteren Überlegungen zu den genannten Fachverwaltungen im Rahmen des jetzigen Systems des dreistufigen Verwaltungsaufbaus leisten, weil der zweistufige Verwaltungsaufbau bei allen möglichen Vorteilen im Einzelfall mit zu gravierenden Nachteilen in der Summe verbunden wäre. Darum geht es. Das wollte ich noch einmal ausdrücklich festhalten.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Pfister FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Debatte ist damit beendet und Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Die Fraktionen sind übereingekommen, bereits jetzt in die Mittagspause einzutreten. Ich unterbreche die Sitzung. Sie wird um 14:00 Uhr fortgesetzt.

(Unterbrechung der Sitzung: 12:42 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:00 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

a) Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung der Landkreisordnung des Landes Baden-Württemberg – Drucksache 13/471

b) Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung der Landkreisordnung des Landes Baden-Württemberg – Drucksache 13/472

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 13/1639

Berichterstatter: Abg. Blenke

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache über die Gesetzentwürfe eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.