Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

Zumindest haben Sie mit Ihrem Antrag einen juristisch zweifelhaften Weg beschritten.

(Abg. Drexler SPD: Nein! Nicht zweifelhaft!)

Sie wollen nämlich an die Stelle einer Verwaltungsentscheidung eine Parlamentsentscheidung setzen. Für eine Verwaltungsentscheidung sind wir nicht zuständig. Da können Sie uns keine Vorwürfe machen, wenn wir Ihren zweifelhaften Weg ein Stück weit mitgegangen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe versucht,

(Abg. Bebber SPD: Aber nur versucht!)

unsere Haltung zu den beiden spannenden Fragen, die wir gerade debattieren, darzulegen. Wenn wir nachher abstimmen, werden wir Ihre Anträge ablehnen und unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Pfister FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Boris Palmer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In den großen Tageszeitungen finden sich immer wieder Annoncen, in denen Billigflüge beworben werden, zum Beispiel 50 000 Flüge für einen Euro oder gar 100 000 Flüge umsonst.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Die Gesellschaften heißen Deutsche BA oder Ryanair – Sie kennen das. Viele Menschen fragen sich: Wie ist das möglich?

Nun, wir haben keinen Einblick in die Bilanzen dieser Gesellschaften; darüber zu spekulieren, lohnt sich nicht. Aber es ist interessant, die Frage zu stellen, welche politischen Rahmenbedingungen solchen ökonomischen und ökologischen Unsinn erlauben.

Als Erstes ist dabei zu nennen: Der Flugverkehr ist die einzige derzeit existierende globale steuerfreie Zone. Wir erheben keine Mehrwertsteuer für internationale Flüge, und wenn wir das ändern wollen, kommt sofort die neue Umweltpartei FDP und kritisiert das.

(Abg. Hauk CDU: Sie haben doch die Kommissa- rin Schreyer in Brüssel! Sie ist doch von Ihnen! Machen Sie doch mal etwas, europaweit!)

Herr Hauk, wenn Sie mir jetzt die Zwischenfrage stellen wollen, warum die EU das noch nicht beschlossen hat, beantworte ich Ihnen diese Frage wie folgt: Es gibt ein Veto. Dieses Veto kommt von Spanien. Dort stellen die Grünen nicht die Regierung. Wir brauchen hier Einstimmigkeit in der EU. Ist diese Antwort ausreichend? – Danke schön.

Wir haben hier keine Mehrwertsteuer und keine Kerosinsteuer. Diese Bevorzugung des Flugverkehrs gegenüber den bodengebundenen Verkehrsmitteln, insbesondere der Schiene, ist ökonomisch und ökologisch nachteilig. Es ist in der Tat notwendig, dass alle politischen Parteien daran arbeiten, dies zu ändern.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Kaufmann SPD)

Der zweite Punkt – Herr Hauk, jetzt dürfen Sie wieder dazwischenrufen, denn jetzt geht es um Ihre eigene Kompetenz –: Für den Flugverkehr werden nicht nur keine Steuern erhoben, nein, es ist noch viel schlimmer: Er wird massiv subventioniert.

Nehmen wir einmal das Beispiel Rheinland-Pfalz. Dort regieren SPD und FDP – ich wende mich zuerst an diese Seite des Hauses. Dort hat Ryanair den Flughafen Hahn als Konkurrenzstandort zu Frankfurt entwickelt – keine Anbindung an das öffentliche Schienennetz. Der Flughafen in Frankfurt am Main verfügt immerhin über eine ICE-Anbindung, die beste Anbindung in Deutschland. Nach Hahn wird mit dem Auto angereist, dort wird mit kostenlosen Parkplätzen geworben. Dass Ryanair 100 000 Flüge umsonst anbietet, hat einen Grund: Das Land Rheinland-Pfalz hat zur Bedingung gemacht: mindestens 1 Million Passagiere. Erst dann fließen Zuschüsse. Diese werden über diese Art des Angebots erreicht. Da frage ich Sie nach der Weisheit dieser Art der Subventionierung des Flugverkehrs.

(Abg. Hauk CDU: Da machen Sie aber eine Milch- mädchenrechnung!)

Jetzt schauen wir in diese Richtung des Parlaments, Herr Hauk. Wie ist es denn hier in Baden-Württemberg? Ist der baden-württembergische Flugverkehr frei von Subventionen des Landes, ja oder nein? Ich nehme an, Sie kennen die

Antwort. Wir haben durch Schuldendiensthilfe für den Flughafen Stuttgart 360 Millionen € aus dem Landeshaushalt in den Flugverkehr gebuttert.

(Abg. Hauk CDU: Ja, natürlich!)

Da frage ich Sie,

(Abg. Hauk CDU: Fragen Sie mal, was wir in die Schiene reinbuttern, in den Nahverkehr reinbut- tern!)

Herr Kollege Hauk: Warum muss ich einem Mallorca-Reisenden einen Zuschuss für seinen Flug geben?

(Abg. Alfred Haas CDU: Altes Grünenthema!)

Darauf läuft es hinaus.

Wir wollen im Gegensatz zu Ihnen Klarheit und Wahrheit bei den Kosten. Der Luftverkehr soll sich selbst tragen. Gerechte Besteuerung statt Subventionen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Weg mit dem Flughafen!)

Der dritte Punkt, warum der Flugverkehr so billig ist: Er hat die Kosten der durch ihn verursachten Umweltzerstörung nicht zu tragen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wie war das mit den Bo- nusmeilen bei Herrn Schlauch?)

Entschuldigung, hier steht nicht Herr Schlauch. Sehen Sie den größenmäßigen Unterschied?

(Heiterkeit)

Solange der Flugverkehr nicht für die von ihm verursachten Umweltfolgeschäden aufkommen muss, kann er weiter zu Dumpingpreisen agieren. Ich habe hier noch einen Presseausschnitt von Söllingen dabei: „Billigflieger nach London soll Baden-Airport neuen Schub geben. Air Berlin bietet ab Anfang Mai Einfachtickets ab 29 € an.“ Das Ganze wird dann als Ass im Ärmel von Söllingen in der Presse gefeiert. Wenn Sie mit mir der Meinung sind, dass solche Angebote für 29 € nach London jedenfalls dann nicht akzeptabel sind, wenn jeder, der einsteigt, aus Landesmitteln noch 44 € dazubekommt – so ist es nämlich bei dem Defizit von 9 Millionen € pro Jahr und 200 000 Fluggästen –, dann, finde ich, sollten auch Sie sich Ihrer Verantwortung hier bewusst werden und die Frage stellen, ob diese Subventionen aus den knappen Haushaltsmitteln unseres Landes richtig und notwendig sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Für die Fraktion der Grünen formuliere ich zwar kein Luftverkehrskonzept, aber Grundsatzziele im Umgang mit dem Luftverkehr. Selbstverständlich ist Mobilität ein wichtiges Freiheitsgut. Es geht nicht an, dieses über die Maßen einzuschränken. Ich weiß auch, Herr Dr. Steim: Wenn man Unternehmungen in China betreibt, kann man da nicht hinschwimmen. Das akzeptiere ich.

(Abg. Dr. Steim CDU: Fliegen wir erst mal zusam- men nach Paris! Auf der Chinareise waren Sie überrascht, wie schön das aus der Luft ist! Das war Ihre erste Luftreise! Das konnte ich begreifen!)

Aber in Anerkennung der Notwendigkeit von Mobilität muss dieser auch eine Grenze gesetzt werden.

Erstens sind wir der Auffassung, dass Belastungen für die Bevölkerung im Umkreis von Flughäfen minimiert werden sollen. Das bedeutet Minimierung insbesondere natürlich des Lärms. Dem widerspricht insbesondere eine Konzeption, die Baden-Württemberg quasi flächendeckend mit Flughäfen überzieht. Wenn schon, dann den Lärm konzentrieren auf einige Flughäfen und nicht, wie es im Generalverkehrsplan – –

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wo?)

Herr Dr. Noll, selbstverständlich in Ihrem Wahlkreis. Wo denn sonst? Können Sie mir erklären, wo sonst als am Flughafen Stuttgart die Konzentration in diesem Land stattfinden sollte?

(Abg. Hauk CDU: Einflugschneise Tübingen!)

Wir kommen noch darauf, was trotzdem gegen eine zweite Start- und Landebahn einzuwenden ist.

Also den Lärm minimieren und nicht verteilen. Im Übrigen sollte dabei der gleiche Maßstab angelegt werden. Wenn wir der Auffassung sind, dass es vernünftig ist, dass jemand, der in Waldshut wohnt, auch den nahe liegenden Flughafen Zürich benutzt, und jemand, der in Freiburg wohnt, den nahe liegenden Flughafen Basel-Mulhouse benutzt,

(Abg. Alfred Haas CDU: Frankfurt ist doch näher!)

dann ist es vielleicht auch fair, zu fragen, ob die Bedingungen für den Überflug in Stuttgart andere sein dürfen als in Waldshut oder in Tengen.

Bis 23:30 Uhr ist der Lärm über Stuttgart erlaubt; bis 22 Uhr erlaubt ihn der Staatsvertrag mit der Schweiz. Die hiesige Landesregierung poltert und spricht von Benachteiligung und Verrat nationaler Interessen. Diesen Doppelstandard, diese Doppelmoral müssen Sie sich schon selbst einmal vorhalten.

(Beifall bei den Grünen)

Zweitens: Selbstverständlich wollen wir das Klima schützen und den Ressourcenverbrauch begrenzen. Drittens wollen wir Kostenwahrheit statt Subventionen.