Protokoll der Sitzung vom 23.01.2003

Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirken die Parteien, wie es im Grundgesetz heißt, an der politischen Willensbildung mit. Das ist auch völlig in Ordnung. Die Parlamente bestimmen bestimmte Sitze. Ich würde mich dagegen wehren, Frau Kollegin Gräßle, wenn wir Abgeordneten verbieten würden, sofern sie in Verbänden tätig sind, über diese Verbände in die Rundfunkräte entsandt zu werden.

(Abg. Drexler SPD: Unmöglich! Verfassungswid- rig!)

Hier bin ich der Meinung von Frau Kollegin Kipfer. Dies möchte ich vorausschicken.

(Demonstrativer Beifall bei der SPD – Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Der zweite Punkt ist der private Rundfunk. Wir haben ja zwei Säulen. Die FDP/DVP hat sich immer zu diesen zwei Säulen bekannt. Die duale Rundfunk- und Fernsehlandschaft unseres Landes ist uns wichtig. Hier haben wir in den vergangenen Jahren sehr vieles erreichen können. Wir sind froh, dass die Landesregierung damals, als die FDP/DVP noch nicht mit an der Regierung war, Vorstellungen umgesetzt hat, die in unserem Land regionale, lokale und nichtkommerzielle Rundfunkanstalten ermöglicht haben. Dass nun in einem schrumpfenden Werbemarkt Anpassungen der Versorgungsgebiete und Anpassungen der Frequenzen notwendig sind, um diesen privaten Rundfunk- und Fernseh

sendern auch in Zukunft eine Basis zu geben, versteht sich, glaube ich, von selbst.

Deshalb erkläre ich für unsere Fraktion, dass wir die Änderungsanträge der SPD-Fraktion im Hinblick auf eine Verbesserung der Frequenzsituation des Deutschlandradios und des Deutschlandfunks nicht deshalb ablehnen, weil wir etwas gegen das Deutschlandradio oder den Deutschlandfunk hätten. Im Gegenteil: Wir halten dieses Programm für sehr gut und würden uns freuen, wenn es gelänge, dass dieses Programm auch im ganzen Land empfangen werden kann. Allerdings darf dies nicht zulasten der Frequenzen privater Rundfunkstationen gehen. Deshalb lehnen wir Ihren Änderungsvorschlag ab. Wir geben zu bedenken, dass in den Gremien des Südwestrundfunks darüber geredet werden sollte, ob durch eine verbesserte Frequenzkoordination unter den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – der SWR und das Deutschlandradio bzw. der Deutschlandfunk sind ja beides öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten – nicht auch dem Deutschlandradio und dem Deutschlandfunk in Baden-Württemberg bessere Ausstrahlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden können.

Weiterhin, Frau Kollegin Kipfer, an die Adresse der SPDFraktion: Wir sind für das Verbot der Beteiligung von Parteien an privaten Medienunternehmen und gegen die gesetzliche Vorgabe von Redaktionsstatuten. Damit greifen Sie in die Organisationshoheit privater Unternehmen ein. Wenn die das selber im Zug von Tarifverhandlungen vereinbaren, okay – das ist Tarifautonomie, auch dazu bekennt sich die FDP –, aber wir sind dagegen, durch gesetzliche Vorgaben in dirigistischer Weise in die Organisationshoheit privater Unternehmen einzugreifen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Bebber SPD: Das hat mit Dirigismus nichts zu tun! – Abg. Drex- ler SPD: Man kann das Grundgesetz nicht aus- schließen!)

Viertens stelle ich fest, dass wir hinsichtlich der Kabelnetzbetreiber eine Regelung in das Landesmediengesetz aufnehmen, die diese Kabelnetzbetreiber verpflichtet, die Versorgungsräume auch lokaler und regionaler Hörfunk- und Fernsehanbieter zu berücksichtigen. Wir wollen damit erreichen, dass gerade die lokalen und regionalen privaten Rundfunkanbieter auch im Kabelnetz eine Chance haben, allerdings mit der Einschränkung, dass sich diese am technisch und wirtschaftlich Zumutbaren orientiert. Ich denke, dass diese Regelung gut ist. Der Bayerische Landtag hat sich zu einer schärferen Regelung entschlossen. Andere Landtage regeln dies gar nicht, und wenn ich in andere Bundesländer schaue, zum Beispiel nach Nordrhein-Westfalen, stelle ich fest, dass diese Länder auch nicht so stark wie wir in Baden-Württemberg darauf gesetzt haben, private regionale und lokale Hörfunk- und Fernsehsender zu unterstützen. Insofern denke ich, dass es auch auf der Linie der FDP/DVP-Fraktion liegt, für eine duale, vielfältige Hörfunk- und Fernsehlandschaft hier in unserem Land Baden-Württemberg zu sorgen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Pfister FDP/ DVP: Gut!)

Das Wort erhält Herr Abg. Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Gräßle, ich habe beim letzten Mal nicht verstanden und verstehe auch dieses Mal nicht, warum bei Ihnen immer eine so große Aufregung entsteht, wenn hier diskutiert wird. Im Grunde genommen ist es doch so, dass im Medienbereich – das haben wir jetzt beim Staatsvertrag gesehen – sehr sachlich, in aller Ruhe und meist auch im Konsens diskutiert wird.

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Das stimmt in dem Fall aber nicht!)

Ja, jetzt ist es aber auch nicht so – da müssen wir doch ehrlich sein –, dass dieses Gesetz die Welt in eine andere Richtung drehen lässt. Wir sind uns doch alle einig gewesen, dass mit dem Gesetz einige Punkte verändert werden. Die werden aber letztendlich nicht einen großen Einfluss auf das haben, was sich in Baden-Württemberg medienmäßig tut. Zum Teil müssen wir Regelungen eben an EGRecht anpassen, Datenschutz usw. Deswegen hat, denke ich, Kollege Palmer schon bei der Ersten Beratung zu Recht darauf hingewiesen: Wir führen eine sachliche Diskussion. Und Sie gehen dann immer in solche Diskussionen und Debatten hinein wie eine Furie. Ich verstehe, dass man das bei manchen Themen machen kann. Aber dann muss sich der Streitwert auch wirklich lohnen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Man kann sich natürlich darüber streiten, ob es sinnvoll ist, dass eine Fraktion praktisch mit dem Beginn der Ausschussberatung einen ganzen Katalog von Änderungsanträgen vorlegt. Das habe ich auch nicht für sehr glücklich gehalten, weil ich das Gesetz nicht dabeihatte. Es ist immer schwierig, das abzugleichen usw.

(Abg. Hauk CDU: Was, ohne Gesetz in die Aus- schussberatung? – Zuruf des Abg. Nagel SPD)

Ich weiß, Max, du hast es immer in der Hosentasche.

(Abg. Nagel SPD: Nein, im Koffer!)

Das ist klar. Bei dir ist es auch einfacher als bei mir, das unter dem Mantel zu verstecken.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, ich bin, was die Frage der Beteiligung, auch der Minderheitenbeteiligung von Parteien anbelangt, durchaus anderer Ansicht als die SPD. Ich kann im Detail nicht abklären, ob die Kollegin da Recht hat.

(Zurufe von der SPD: Hat sie! – Abg. Fischer SPD: Klar! Frau Kipfer hat immer Recht! – Abg. Birgit Kipfer SPD: Das werde ich Ihnen noch zeigen! – Abg. Drexler SPD: Das steht im Grundgesetz!)

Ja, ja. Bei einem, Kollege Drexler, sind wir uns doch einig: Die Debatte, ob im öffentlich-rechtlichen Rundfunk des Landes unbedingt Mitglieder der Fraktionen oder der Parteien vertreten sein müssen, wird meiner Ansicht nach nicht ganz ehrlich geführt. Im Ausschuss, Frau Kollegin Gräßle, haben Sie darauf hingewiesen: „Nein, das hat gar nichts mit der SPD zu tun.“ Vorhin bei Ihrem Beitrag haben

Sie klar gesagt, es hätte damit zu tun, dass die SPD so viele Beteiligungen habe.

(Abg. Fischer SPD: So ist es!)

Das gibt dem Ganzen natürlich – wie man auf Schwäbisch sagt –

(Abg. Fischer SPD: Ein Gschmäckle!)

ein Gschmäckle.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Drexler SPD: Wir sparen halt unser Parteigeld und bringen es nicht in die Schweiz!)

Ich habe auch vernommen, dass es, als die WAZ bei Springer einsteigen wollte, aus Ihrer Fraktion hieß, man müsste doch schnell einen Riegel vorschieben. Das erweckt halt gleich den Eindruck, dass man solche Dinge vorantreibt, wenn der politische Gegner möglicherweise einen gewissen Einfluss bekommt. Das heißt aber nicht – –

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Walter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Theurer?

Gerne.

Bitte schön.

Herr Kollege Walter, müssen Sie nicht zur Kenntnis nehmen,

(Heiterkeit des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

dass das Gschmäckle eher dadurch entsteht, dass die SPD Eigentum an Medienunternehmen erwirbt?

(Abg. Junginger SPD: 0,0 % in Baden-Württem- berg! – Abg. Drexler SPD: Die haben wir schon seit über 80 Jahren! In der Weimarer Zeit hat es die schon gegeben!)

Wenn die SPD hier schon seit Jahrzehnten eine Beteiligung an Medien hat, dann kann man das einfach nicht wegdiskutieren. Ich persönlich halte davon auch nichts. Das ist aber die Realität. Das Gleiche, Herr Kollege, ist ja auch – –

(Abg. Junginger SPD zur FDP/DVP: Ihr habt ein Spaßmobil gekauft!)

Man könnte dann weiter darüber diskutieren, ob CDU-Mitglieder eine Zeitung betreiben dürfen und wer dort dann das Sagen hat usw.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD – Abg. Hauk CDU: Es geht nicht um Mitglieder! Wir reden von Partei- en!)

Was ich nur sagen wollte – Kollege Hauk, lassen Sie mich ausreden; die Aufregung ist völlig umsonst; vielleicht sind wir sogar einer Meinung –: Die Aufregung ist deswegen umsonst und auch nicht ganz ehrlich,

(Zuruf der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU – Abg. Dr. Caroli SPD: Wer hat sie denn erzeugt?)

weil natürlich von allen Parteien versucht wird, auf bestimmte Medien Einfluss zu nehmen, insbesondere auch von den großen Parteien. Da dürfen wir uns doch gar nicht in die Tasche lügen.

Deswegen: Ich werde diesem Passus zustimmen, Kollege Hauk,

(Abg. Hauk CDU: Entschuldigung, das ist öffent- lich-rechtlich! Sonst brauchen wir die Öffentlich- Rechtlichen nicht mehr!)

weil ich prinzipiell der Meinung bin, dass dieses Anliegen richtig ist. Man sollte das jetzt aber nicht damit begründen, das der politische Gegner Einfluss hat. Ich bin mir sicher, wäre es umgekehrt,

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Wir hätten es nicht!)