Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kretschmann, nachdem der Minister ja sehr ausführlich zu diesem Zuschlagsmodell Stellung genommen hat, möchte ich das eigentlich nicht vertiefen, sondern auf einen anderen Aspekt hinweisen. Die Kollegen Vorredner haben im Prinzip die Finanzlage der Kommunen beschrieben. Sie haben darauf hingewiesen, wo die Ursachen liegen: auf der einen Seite Steuerausfälle, auf der anderen Seite steigende Ausgaben.
Ich möchte mich einmal der Ausgabenseite zuwenden. Der Kollege Birk und der Kollege Theurer haben ja die Zahlen genannt, wie die Einnahmen zurückgegangen sind; aber was war denn mit der Ausgabenseite? Gestern oder vorgestern stand in der Zeitung das Zitat von Dr. Steger: Uns steht das Wasser bis zum Hals. Damit ist eigentlich die Lage recht zutreffend beschrieben. Aber ich denke, das liegt vor allem an der Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben. Die Einnahmeausfälle wurden, wie gesagt, beschrieben, aber die Ausgaben nicht. Wie kommt das? Aus meiner Sicht ist der Hauptgrund der BAT-Abschluss und damit auch die Vorgabe für den Beamtenabschluss. Dieser Abschluss liegt viel zu hoch und belastet die Gemeinden in enormer Weise. Das ist für mich eigentlich die Hauptursache.
Wenn ich jetzt in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 25. März, also von gestern, lese, dass ver.di der Landesregierung vorwirft, sie habe durch einen – ich zitiere – „völlig überhöhten Tarifabschluss mit dafür gesorgt, dass der Spardruck bei den Beamten schärfer werde“, ist das schon der Gipfel, meine Damen und Herren. Das ist eine Umdrehung, eine Verkehrung der Tatsachen. Ver.di wirft jetzt der Landesregierung vor, sie habe durch den Tarifabschluss dafür gesorgt, dass man bei den Beamten in Schwierigkeiten komme. Heute Morgen haben wir vom Ministerpräsidenten gehört – ich habe es auch in der FAZ von vorgestern gelesen –, dass jetzt Bsirske Stellen abbaut, Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld streicht und dann sagt, wir seien schuld beim Tarifabschluss. Das ist eine Bankrotterklärung. Wer meint, die Bürger für so dumm verkaufen zu können, täuscht sich. Ich glaube nicht, dass die das mit sich machen lassen.
Wir alle hätten uns eigentlich von der Rede von Kanzler Schröder mehr erwartet, nämlich diesen Ruck, den Herr Herzog damals im Adlon reklamiert hat. Ich sage jetzt nur einmal auf die Kommunen bezogen: Was kam denn dabei heraus? Es waren im Wesentlichen fünf Forderungen, die er aufgestellt hat. Der Kollege von der SPD hat darauf hingewiesen. Die erste Forderung finde ich gut. Man muss auch
einmal sagen: Was gut ist, ist gut. Das lobe ich auch. Er hat gesagt: Wir entlasten die Gemeinden von ihrem Beitrag zur Flutopferhilfe. Das bringt 800 Millionen €, für die Kommunen von Baden-Württemberg immerhin 50 Millionen €. Das ist ein Wort. Da kann man sagen: Das ist gut.
Jetzt kommen wir zu Ihrem – da muss ich immer schauen, dass ich es richtig sage – Steuervergünstigungsabbaugesetz.
Da kann man uns Blockade vorwerfen. Das haben Sie wahrscheinlich im Blick gehabt, als Sie das so genannt haben.
Ich denke, diese Blockade muss man einfach hinnehmen. Wir halten es für den falschen Weg, zu sagen: Wir wollen die Steuern erhöhen. Das ist in der heutigen Zeit ein Fehler. Das kann man nicht machen.
Der dritte Punkt ist die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Das finde ich auch gut. Das kann man positiv sehen. Aber da gibt es eine Kommission. Der Minister hat es angedeutet. Diese Kommission tagt seit ewiger Zeit.
Fragen Sie einmal Herrn Kälberer. Der sagt immer, wie frustriert er sei, wenn er in der Kommission sitzt. Das können Sie vergessen. Der Berg kreißt und gebiert ein Mäuslein. Das kommt bei dieser Geschichte heraus.
Ich begrüße es, wenn man sagt, man wolle eine Zusammenlegung machen. Aber ich frage mich, auf welcher Ebene. Wenn wir das beim Arbeitsamt machen, ist das die falsche Lösung. Davon bin ich überzeugt. Wir müssen es den Kommunen geben, aber dann mit einem finanziellen Ausgleich. Die Konnexität muss hier gelten.
Der Bund drückt sich doch um die Konnexität. Wir haben die Konnexität hier in Baden-Württemberg eingeführt. Der Bund wird es nicht machen. Hier muss noch eine Entscheidung von Ihrer Seite kommen.
Ich will noch auf einen fünften Punkt eingehen, den Schröder genannt hat, der nach außen hin der alles beherrschende
Punkt war: Das war dieses kreditfinanzierte Investitionsprogramm mit 15 Millionen €. Ich will auch gar nicht verhehlen: Die 8 Millionen € im privaten Sektor werden bestimmt einen gewissen Effekt haben.
Das hat man den Gewerkschaften zuliebe gemacht. Man muss ja auch die Binnenkonjunktur ankurbeln; das ist keine Frage.
Aber ich konzentriere mich einmal auf die 7 Milliarden € für die Kommunen. Das hat ein Kollege vorhin schon einmal dem Redner zugerufen: Welche Kommune hat denn noch das Geld, meine Damen und Herren, um diese Kredite aufzunehmen? Diejenigen, die das Geld noch haben, brauchen diesen Spielraum eigentlich nicht. Und diejenigen, die das Geld eigentlich dringend benötigen würden, dürfen keine Kredite mehr aufnehmen. Also hiermit kommen wir nicht weiter.
Lassen Sie mich das Fazit ziehen. Ich glaube, dass wir mit diesen kontraproduktiven Vorstellungen nicht weiterkommen. Ein Finanzwissenschaftler aus München – deshalb habe ich das Heft hier mitgebracht – hat im „Focus“ gesagt, bei dem, was der Kanzler verkauft hat, handle es sich um Ideen von gestern. Ich glaube, das wird nur ein wirkungsloses Strohfeuer entfachen. Es wird weder die Finanzprobleme der Kommunen lösen, noch wird die Konjunktur aufwärts gehen. Deshalb brauchen wir andere Vorschläge.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Birzele SPD: Und wie wollen Sie es machen? – Abg. Drexler SPD: Jetzt machen Sie doch nicht alles herunter! Wir schädigen doch alles selber! Keine Zuversicht!)
In dem Bereich der sofort wirkenden Maßnahmen erwähne ich noch das Gesetz zur Neuregelung der Zinsbesteuerung, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll und bei dem wir auf den Bundesrat setzen, dass er auch die Voraussetzungen schafft, dass den Gemeinden zusammen mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz in diesem Jahr insgesamt 1 Milliarde € zusätzlich zur Verfügung steht.
Von unserer Seite darf ich noch einmal auf das so genannte Oettinger-Modell eingehen. Hebesatz, kommunales Heberecht bei Körperschaft- und Einkommensteuer, eine Verlagerung der Unternehmensteuer auf Bürgersteuern, weil der Zuschlag für alle Einkommensteuerpflichtigen, also auch für Arbeitnehmer, gelten soll – dies ist ein Weg, den wir nicht mitmachen. Denn der Zusatz, dass es angeblich keine Mehrbelastung geben soll, weil die Steuersätze weiter abgesenkt werden sollen, ist letztendlich ein Taschenspielertrick. Denn die wegfallende Gewerbesteuer muss ja in irgendeiner Weise aufgefangen werden, und dazu gibt es schlicht und einfach keinen Vorschlag.
Herr Minister, Ihnen sei auch gesagt: Verteilungsgerechtigkeit könnten Sie schon mit einem Hebesatzansatz erreichen, wenn Sie bei den Anteilen der Kommunen an der Einkom
wenn es Ihnen darum geht, dass in der Gemeinde mehr Demokratie und mehr Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. Ich weise darauf hin: Das Bertelsmann-Modell der Verteilungsgerechtigkeit hat in der primären Orientierung nichts mit Gewerbesteuer zu tun.
Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass einfach nicht gesagt wird, wie denn die ausfallenden Beträge für Bund und Land ausgeglichen werden sollen, und dann sogar noch davon gesprochen wird, dass wir auch weiterhin 2006 als das Jahr der Nettoneuverschuldung gleich null anstreben, dann ist das bedauerlicherweise nur als ein Taschenspielertrick anzusehen, weil dies nicht durchdacht ist in den Auswirkungen, die tatsächlich in der Frage der Verfügungsmittel für Bund und Land eintreten werden.
Ich sage auch noch einmal, wie dies schon Kollege Kretschmann getan hat, was das für Konsequenzen hat. Es hat die Konsequenz, dass die großen Städte eine Verschlechterung ihrer kommunalen Finanzausstattung erfahren werden, weil ihnen erhebliche Gewerbesteuerbeträge wegfallen, und dass die Gemeinden im Speckgürtel demgegenüber sowohl beim Hebesatz viel mehr Verfügungsmöglichkeiten haben als auch mutmaßlich einen Zuzug erfahren und dadurch höhere Einnahmen erzielen werden.
Pendlergemeinden ohne eigenes Gewerbe werden dadurch gegenüber den Gewerbezentren eindeutig finanziell besser gestellt. Dies wird dazu führen, dass sich eigenes Gewerbe vor Ort überhaupt nicht mehr lohnt, weil es nämlich keine Einnahmen für die damit verbundenen Belastungen in die Gemeindekasse mehr bringt.
Dieses Modell ist also etwas, was schleunigst eingestampft werden sollte. Man sollte sich vielmehr darum kümmern, dass in der Gemeindefinanzreformkommission – ich wiederhole es noch einmal – im Einvernehmen mit den CDUKommunalpolitikern ein kommunal- und sozialpolitisch gerechtes Modell empfohlen und erarbeitet wird.
Auf der Ausgabenseite der Kommunalfinanzen geht es vorrangig darum, dass mit tief greifenden Reformen der Arbeitsmarkt bereits im nächsten Jahr eine neue Ausgestaltung unter Wegfall der Ausgaben für Sozialhilfe erfahren soll. Dies ist eine schwierige Angelegenheit. Damit würde man aber beispielsweise beim Übergang von rund 900 000 bisherigen Beziehern von Sozialhilfe, die grundsätzlich arbeitsfähig sind, immerhin ein Volumen von 6 Milliarden € brutto zur Verfügung haben. Dies wären Beträge, die die Gemeinden entlasten. Das ist der Modellbereich, auf den sich mit Sicherheit alle verständigen können. Nur gibt es noch den Zusatz, dass die Regierung die Vorstellung hat, dass davon 1,5 Milliarden € für die Erweiterung des Angebots von Krippenplätzen für unter Dreijährige eingesetzt werden sollen. In diesem Zusammenhang führt die Familienministerin gegenwärtig Gespräche mit Kommunalverbänden, um gemeinsam mit den Kommunen sicherzustellen,
dass der in diesem Bereich der Familien- und Sozialpolitik dringende Bedarf im Land abgedeckt wird. Ich glaube, das ist eine Angelegenheit, die ich nicht weiter begründen muss. Das ist allen bekannt.
Wenn ich die Ausgangslage betrachte, dass nämlich die Vorschläge, die in der Kommission erarbeitet werden, von denen wir ausgehen, dass sie bis Mitte des Jahres auch tatsächlich abgeschlossen sein werden, dann ins Gesetzgebungsverfahren gebracht werden sollen, dann bin ich der Meinung, dass in diesem Zeitrahmen auch für Sie Gelegenheit ist, in der zweiten Jahreshälfte im Rahmen Ihrer Beteiligungsbefugnisse mit uns übereinstimmend eine dauerhafte Reform der Situation der Gemeindefinanzen herbeizuführen und gleichzeitig – das ist auch bei der Frage der Sozialhilfe wichtig – Großstädte zu entlasten, die mit einer übergroßen Zahl von arbeitsfähigen Sozialhilfeempfängern längst an der Grenze ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit angelangt sind und die keinerlei Strukturpolitik mehr machen können. Auch das muss man sich vor Augen führen, wenn man die Gesamtsituation in Deutschland anschaut.
Mein dringender Appell: Wirken Sie mit! Geben Sie die Blockadeansätze auf! Wenn Sie gute oder gar bessere Vorschläge haben,