Protokoll der Sitzung vom 27.03.2003

Die Zahl der Nachfrager hat um 1,6 % zugenommen. Man muss dazusagen, dass nicht alle von diesen Statistiken erfasst werden. Zum Beispiel werden diejenigen, die sich im Internet selbst um eine Ausbildungsstelle bemühen und nicht über das Landesarbeitsamt gehen, in der Statistik nicht erfasst.

Tatsache ist, dass wir, was die absoluten Zahlen angeht – ich meine, Kollege Hofer hat darauf hingewiesen –, die Situation haben, dass 59 503 gemeldeten Ausbildungsstellen etwa 54 800 Bewerber gegenüberstehen. Das bedeutet, dass wir rechnerisch noch mehr gemeldete Stellen als Bewerber haben. Dies kann uns aber überhaupt nicht beruhigen, weil wir innerhalb eines Jahres einen Rückgang der Zahl der Ausbildungsstellen um 14,5 % zu verzeichnen haben.

Es geht nicht nur darum, die Appelle, die erfreulicherweise von allen geäußert worden sind, sehr nachdrücklich zu wiederholen und die Unternehmen an ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu erinnern. Wir sind auch in der Pflicht, den jungen Menschen eine Berufs- und damit eine Lebensperspektive zu geben. Deswegen müssen die Betriebe, wenn es irgend möglich ist, ausbilden.

Die Betriebe werden auch dazu aufgefordert, in der jetzigen Situation daran zu denken: Wenn es in wenigen Jahren wieder besser läuft – wir haben ja die Hoffnung, dass wir mit verschiedenen Maßnahmen auch wieder eine bessere Situation erreichen können –, werden die Betriebe, die nicht ausbilden, den meisten Schaden haben, weil sie dann die nachgefragten Fachkräfte nicht zur Verfügung haben. Deswegen mein Appell an alle Betriebe, auch in schwierigen Zeiten auszubilden und Vorsorge zu treffen, den eigenen Facharbeiter- und Fachkräftenachwuchs auszubilden und damit den jungen Menschen eine Chance zu geben.

(Minister Dr. Döring)

Wir müssen uns vor allem auch um die kümmern, die die beiden Kollegen von der SPD in Bezug auf die so genannten Warteschleifen angesprochen haben. Meine Damen und Herren, wir warten nicht darauf, dass sie alle in die Warteschleife gehen, um sie dann dort zu vergessen. Vielmehr wollen wir mit einer Vielzahl von Bemühungen dafür sorgen, dass sie erst gar nicht in die Warteschleife kommen. Das erfordert Anstrengungen. Das kann man nun wirklich einmal sagen, auch wenn Sie vonseiten der Opposition es nicht gerne hören wollen: Es ist so. Keine Landesregierung – Kultusministerium, Wirtschaftsministerium – tut mehr für die Ausbildung und die Rahmenbedingungen, als wir das hier in Baden-Württemberg machen.

Wir haben die „Sprungbrett“-Vorkurse an den Brennpunkthauptschulen in Freiburg, Lahr, Kehl, Weil am Rhein und Müllheim trotz ausgesprochen schwieriger Haushaltssituation fortführen können. Das ist zugegebenermaßen in der ersten Sparrunde angesprochen worden, als man gefragt hat, wo man, damit man die Sparauflagen erfüllen kann, überall sparen kann. In der zweiten Runde hat man gesagt: Wir würden dort die Schwächsten der Schwachen treffen und damit genau das machen, was wir nicht wollen, nämlich sie durch nicht ausreichende Ausbildung in die Warteschleifen schieben. Also wird das fortgesetzt, wird weitergemacht.

Wir haben uns wie nur wenige andere daran gemacht – und werden das in der Förderung auch fortsetzen –, den Konkurslehrlingen – ein ganz schlimmer Ausdruck, aber es heißt eben so – die Chance einer Förderung zu geben. Dieses Thema hat in der letzten Zeit natürlich auch zugenommen. Das sind die jungen Menschen, die sich in Betrieben, welche in Konkurs gegangen sind, in Ausbildung befunden haben.

(Abg. Wintruff SPD: Das ist doch nicht neu!)

Das hat kein Mensch gesagt, Herr Wintruff. Sie haben nur an einer anderen Stelle behauptet, wir würden diese Maßnahmen streichen. Sie sind nicht gestrichen, wir führen sie 2003 in vollem Umfang fort, und ich halte das auch für eine wichtige Maßnahme, in der mehrere Hundert Jugendliche übernommen werden konnten. Das wollen wir fortführen.

Ich war ein bisschen erstaunt darüber, dass sich Kollege Schmiedel für kürzere Ausbildungszeiten ausgesprochen hat. Lieber Herr Kollege Schmiedel, fünf Jahre hintereinander

(Abg. Schmiedel SPD: Bitte?)

bemühen wir uns in Spitzengesprächen darum, davon zu überzeugen, dass wir viel mehr – nach Möglichkeit flächendeckend – das Angebot der zweijährigen Werkerausbildung bräuchten, was vonseiten der Gewerkschaften konsequent abgelehnt wird.

(Unruhe bei der SPD)

Warten Sie es doch einmal ab!

Wir haben ein paar Modelle, bei denen wir es machen können. Das ist ja eingeräumt. Wir haben nicht aufgrund Ihrer, sondern aufgrund unserer Anstrengungen

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

fünf Modelle, bei denen wir eine Ausbildung in modularen Bausteinen machen, mit kürzerer Ausbildungszeit. Wir bekommen mit Ach und Krach nach jahrelangem Kampf in einzelnen Modellbereichen eine Verkürzung der Ausbildungszeiten genehmigt. Wenn wir dies breiter anbieten wollen, dann wird uns unterstellt, dies wäre der Einstieg in einen Niedriglohnsektor.

Das ist nicht unsere Absicht, sondern wir haben die Absicht, die Ausbildungsanstrengungen der Firmen zu erleichtern, und zwar dadurch, dass wir sagen: Wir ermöglichen eine zweijährige Werkerausbildung

(Abg. Schmiedel SPD: Was heißt „wir“? Sie müs- sen besser überzeugen!)

und geben damit vor allem den Theorieschwachen die Chance, einen regulären Ausbildungsberuf zu ergreifen. An der Stelle muss mehr getan werden, als Sie bisher zu tun bereit sind, und ich bin gespannt, wie das vonseiten der Sozialdemokraten und auch vonseiten der Gewerkschaften gemacht wird. Wir lesen in dem Programm, das der Bundeskanzler verkündet hat, die Bundesregierung wolle die Ausbildungsdauer von drei auf zwei Jahre verkürzen.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Hört, hört!)

Das war noch nicht ausgesprochen, da kamen schon wieder die Proteste, dies würde auf gar keinen Fall laufen.

Wenn Sie uns zusagten, dass wir in den nächsten Jahren oder besser in den nächsten Monaten oder noch besser schon beim nächsten Spitzengespräch Ihre Unterstützung für eine flächendeckende Einführung haben, würden wir tatsächlich einen wirklich konkreten Beitrag zur Verbesserung der Chancen der Theorieschwachen und damit der Schwächsten erreichen. Ich bin gespannt, wie Sie dazu stehen, wenn es zum Schwur kommt. Wir brauchen dies dringend als Ergänzung, damit wir auch wirklich allen einen Ausbildungsplatz anbieten können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben uns vorgeworfen, es würde nichts Neues gemacht. Ich sage es Ihnen noch einmal: Sie waren diejenigen, die uns vorgeworfen haben, wir würden im Zusammenhang mit Ausbildung zu wenig machen.

(Abg. Wintruff SPD meldet sich zu einer Zwi- schenfrage. – Glocke des Präsidenten)

Gern, wenn ich drei Sätze fertig habe. Ich mache das dann gern.

In außerordentlich schwieriger Haushaltssituation finanzieren wir trotz Kürzungen auch im ESF-Bereich eine Imagekampagne des Handwerks für Ausbildung mit einer landesweit breit angelegten Werbung mit 3 Millionen €. Nennen Sie mir ein anderes Land, das auch nur Vergleichbares auf den Weg gebracht hätte, wie wir es jetzt machen! 1 Million € kommt vom Handwerk selber – Anerkennung –, 1 Million € sind ESF-Mittel und 1 Million € kommen aus dem Bereich des Wirtschaftsministeriums, um diese landesweite Imagekampagne, die auf einen längeren Zeitraum angelegt ist, tatsächlich durchzuführen. Mehr ist ja gar nicht machbar. Wir unterstützen die Imagekampagne Ausbildung im

(Minister Dr. Döring)

DEHOGA-Bereich, damit diese Werbung gemacht werden kann, damit dort Chancen und Perspektiven für die jungen Leute aufgezeigt werden können. Mehr ist nicht nur aus finanziellen Gründen nicht machbar, sondern auch im Zusammenhang mit dem, was überhaupt umgesetzt werden kann, im Zusammenhang mit der Ausbildungsförderung.

Förderung der Verbundausbildung: Sie wird fortgeführt. Das steht aber – und das möchten Sie nicht so gern hören – natürlich auch ganz gewaltig im Zusammenhang mit den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Ist klar!)

Wenn wir eine Rekordpleitewelle haben, wenn die Zahl der Insolvenzen so hoch ist wie noch nie zuvor, dann wirkt sich das doch natürlich auch bei der Ausbildung aus; das kann doch gar nicht anders sein. Wenn 40 000 Betriebe von der Bildfläche verschwinden, ist doch klar, dass weniger Betriebe zur Verfügung stehen, die ausbilden können. Da muss man ja wirklich nur eins und eins zusammenzählen können.

(Zurufe der Abg. Schmiedel und Alfred Winkler SPD)

Es ist einfach Unfug, zu sagen, das hätte nichts mit der gesamtwirtschaftlichen Situation zu tun. Natürlich hat es damit zu tun; aber wenn Sie noch nicht einmal bereit sind, die Realität wahrzunehmen, dann werden Sie erst recht keinerlei Beiträge dazu leisten, dass junge Menschen eine Ausbildungsstelle bekommen.

(Beifall des Abg. Dr. Birk CDU)

Deshalb ist das, was die Regierung macht, sinnvoller als das, was Sie hier mit Zwischenrufen provozieren wollen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Schmiedel SPD: Schaumschlägerei! – Zuruf des Abg. Alfred Wink- ler SPD)

Herr Schmiedel, wenn ich einmal Ihren Zwischenruf nehme: Was ist denn daran „Schaumschlägerei“, wenn ich Ihnen 10 oder 15 konkrete Programme in Millionenumfang darstelle, die wir durchführen, damit die Ausbildungssituation bei uns verbessert werden kann? Da stellen Sie sich hin und sagen: „Schaumschlägerei!“

(Abg. Schmiedel SPD: Ich erkläre es Ihnen gleich!)

Sie haben nicht einen einzigen konkreten Vorschlag, wie wir die Situation verbessern könnten.

(Abg. Schmiedel SPD: Hören Sie doch zu!)

Sie können doch nicht im Zusammenhang mit allem, was die Betriebe bei uns leisten und was wir zur Verfügung stellen, von „Schaumschlägerei“ reden! Das ist Ihnen heute Morgen schon vorgeworfen worden: Ihnen fällt nichts programmatisch Sinnvolles ein, und dann polemisieren Sie durch die Lande. Das hilft den Leuten mit Abstand am wenigsten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Herr Wintruff hatte eine Zwischenfrage.

Bitte schön, Herr Abg. Wintruff.

Herr Minister, ich wollte Sie gerne fragen, ob Sie sich noch daran erinnern, dass die zweijährige Werkerausbildung bis 1998 deswegen nicht auf den Weg gekommen ist, weil – wie Sie richtig sagen – einerseits der Widerstand der Gewerkschaften vorlag, auf der anderen Seite aber sämtliche FDP-Wirtschaftsminister dies ebenfalls mit verhindert und sich öffentlich auch immer dagegen ausgesprochen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Schmie- del SPD: Aha!)

Also, das ist schon einmal dermaßen falsch – –

(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Wintruff SPD: Das kann ich Ihnen schriftlich belegen!)

Verehrter Herr Wintruff, 1998 war der Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg von der FDP/DVP gestellt. Ich war nicht dagegen.