Von daher gesehen, Herr Ministerpräsident, noch einmal klar und deutlich: Sie haben von Zeitungsartikeln zu Ihrer Verwaltungsreform und von der Überschrift „Teufel räumt auf“ über dem Leitartikel gesprochen. Sie müssen aber auch den Leitartikel lesen. Da steht: „In einigen Bereichen greift natürlich das Konzept zu kurz. Der Regionalgedanke ist nicht vertreten“ usw. Das steht doch alles in dem Artikel. Warum haben Sie denn das nicht vorgelesen? Sie haben nicht vorgelesen, dass Bürgernähe nicht erreicht wird. „Und bei den Ministerien erlahmt der Reformeifer plötzlich“ – das steht genau in dem gleichen Artikel, von dem Sie die Überschrift zitiert haben.
Herr Ministerpräsident, bitte keine Zwischenrufe von der Regierungsbank aus. Dazu müssen Sie sich ins Plenum setzen.
Von der Regierungsbank aus sollte nicht dazwischengerufen werden. Aber ich antworte darauf sehr gern. Von daher gesehen vielen Dank!
Jetzt zu unserem Verwaltungsreformvorschlag, der Sie nach meiner Meinung offensichtlich überhaupt erst dazu gebracht hat, einen eigenen vorzulegen.
Ja, ja! Ich bin schon dieser Auffassung – „Stuttgarter Nachrichten“ vom 9. Januar 2003; damals haben wir es nämlich vorgelegt –:
(Beifall bei der SPD – Abg. Schmid SPD: Sehr richtig! – Abg. Blenke CDU: Wann war das? – Zu- ruf des Abg. Hofer FDP/DVP)
9. Januar 2003, „Stuttgarter Nachrichten“. – Sie haben vorhin die „Stuttgarter Zeitung“ zitiert, und auch ich will sie zitieren:
Aber die SPD hat mit ihrem Konzept einen Stein ins Wasser geworfen, der Wellen erzeugen wird. Die Genossen, die schon der Kreis- und Gemeindereform vor 30 Jahren ihren Stempel aufdrückten, marschieren erneut vorneweg.
(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Sehr richtig! – Abg. Blenke CDU: Das war ein SPD- Flugblatt!)
Herr Ministerpräsident, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir durch Ihr Vorlesen bestimmter Zeitungsartikel die Chance gegeben haben, auch andere Artikel vorzulesen und deutlich zu machen, welche Rolle die SPD im Parlament spielt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit solchen genialen Zeitungszitaten kann ich nicht aufwarten.
Ich habe einfach zu wenig Mitarbeiter, die mir solche schicken Dinge machen könnten. Solche Elogen sind auch immer ein Hinweis darauf, dass die Einsparressourcen im Staatsministerium noch nicht ausgeschöpft sind.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Abg. Blenke CDU: Frau Lösch macht das für Sie! – Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Das sind immer die Letzten, die gehen! – Abg. Blenke CDU: Lesen bildet!)
Die ganzen Präliminarien lasse ich jetzt einmal weg, und ich möchte auch nicht mit weiteren Zitaten kommen, obwohl es ein schönes von Bert Brecht gibt, der gesagt hat: Das Theater ist ein völlig demokratisches System; aber einer hat das Sagen. Aber gut, das kann man so und so interpretieren.
Ich bin eigentlich nur noch aus einem Grund herausgegangen. Wenn wir uns hier über verschiedene Konzepte unterhalten – es ist ja schließlich unsere Aufgabe als Opposition, zu überlegen, wie dieses Land anders und besser organisiert werden kann –, dann hat die Auseinandersetzung nur Sinn, wenn man das, was der andere meint und sagt, nimmt, um es zu kritisieren, und nicht Türken baut, auf die man einschlägt. Ich glaube, wir können jedenfalls für uns in Anspruch nehmen, dass wir Ihnen nichts unterstellt haben, was Sie gar nicht machen. Wir sind ganz präzise auf das eingegangen, was Sie sagen.
Umgekehrt war das aber leider nicht so. Die Regionalkreise sind keine Mammutbehörden, sie verletzen auch nicht das Subsidiaritätsprinzip. Mit ihrer Einrichtung, die wir vorschlagen, wird vielmehr eine Verwaltungsebene klar abgeschafft und aufgrund der Änderungen in der Gesellschaft die Chance ergriffen, mit einer einzigen Mittelbehörde auszukommen. Wir glauben, dass dabei einerseits eine sachgerechte Verwaltung möglich ist und dass sie andererseits auch bürgernah ist.
Ich habe versucht, in meiner Rede darzulegen, dass Bürgernähe im 21. Jahrhundert in erster Linie keine Frage der örtlichen Entfernung ist,
sondern eine Frage der Transparenz und Klarheit der Entscheidung, damit der Bürger die Entscheidung durchschaut. Es geht darum, ob er mitwirken und mitentscheiden kann, ob ein demokratischer Unterbau besteht und ob die Gesellschaft die Kommunikationsmittel hat, um an Informationen und Entscheidungen heranzukommen, ohne sich ins Auto setzen zu müssen.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein für die Landesverwaltung der Zukunft ist das Projekt „E-Bürgerdienste und Portal Baden-Württemberg“... Im Endausbau wird die Verwaltung im Verhältnis zu den Bürgern grundlegend neu gestaltet. Wir bringen die Verwaltungsleistung damit aus den Amtsstuben heraus mitten in die Wohnzimmer der Bürger und in die Büroräume der Unternehmen.
In Zukunft werden sie nicht mehr vor Amtsstuben in Warteräumen sitzen oder auf dem Flur stehen müssen, sondern diese ganz alltäglichen Dinge im Umgang mit den Behörden und Ämtern von zu Hause aus erledigen können. Die Bürger sparen Zeit, die Verwaltungen sparen Kosten.
Das ist die Grundlage dafür, dass es in einer modernen Gesellschaft möglich ist, zu dezentralisieren, damit man in Kontakt mit Behörden und Ämtern treten kann, ohne sich ins Auto setzen zu müssen. Das heißt, die Entfernung zu solchen Behörden spielt nur eine eingeschränkte Rolle.
Jetzt sagen wir: Für die dienstleistungsnahen Verwaltungstätigkeiten, die heute von Landratsämtern ausgeübt werden – und von unseren Regionalkreisen, die natürlich viel größer sind; da haben Sie Recht –, schaffen wir in Gemeinden mit über 7 000 Einwohnern Bürgerzentren, in denen die Bürger diese Verwaltungstätigkeiten abrufen und erledigen können, sofern es ihnen nicht ohnehin genügt, aufs Rathaus zu gehen. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Über die Zahl 7 000 kann man reden; die kann man im Einzelnen auch noch korrigieren.
Ich behaupte: Wenn es so weit ist – das wird noch mindestens ein Jahrzehnt dauern –, dass die allermeisten Menschen mit dem PC locker umgehen können, wird man diese Zentren auch wieder abbauen können, weil man all diese Dinge zum großen Teil wird online erledigen können.
Wir werden erstens also dem Argument der örtlichen Nähe gerecht, indem wir solche Bürgerzentren einrichten. Die Stadt Stuttgart führt gerade vor, wie man das macht. Das können wir uns für das ganze Land vorstellen. Dann können die Leute zu den Behörden gehen, die sie brauchen, oder sich vor ihren PC setzen. Das ist das Erste. Deswegen ist Ihr Argument, ich hätte mich als Anhänger der Subsidiarität vom Paulus zum Saulus rückentwickelt, falsch.
Zweitens: Das Entscheidende ist: Wir wollen die Regierungspräsidien auflösen und eine Dezentralisierung auf zwölf Regionalkreise vornehmen. Das heißt, wirkliche Mammutbehörden werden jetzt in Regionen platziert, und das ist eine Dezentralisierung.