Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

Das Wort erhält Herr Abg. Moser.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Richtig ist: Die Probleme sind seit Jahren bekannt. Richtig ist – wie Frau Kollegin Dederer gesagt hat –: Wir bewegen uns bei den Pensionen von derzeit 7,4 auf nahezu 13 % der Gesamtkosten eines Haushalts im Jahr 2030 zu, also nahezu auf eine Verdoppelung.

Ich bin dankbar, Herr Kollege Scheffold, dass Sie angesprochen haben, man möge auch einmal die Stellschrauben nennen. Denn nur darüber zu diskutieren, dass wir uns in einer schwierigen Zeit befinden, nützt nichts, wenn wir uns nicht gleichzeitig fragen, wie wir das Problem lösen wollen. Es gibt viele Stellschrauben, die angesprochen worden sind.

Eine Stellschraube, die Sie nicht angesprochen haben, hat zum Beispiel damit zu tun, dass wir nicht immer nur auf die Ausgabenseite schauen sollten, sondern auch auf die Einnahmenseite. Herr Finanzminister, pflegen Sie bitte Ihre Finanzverwaltung! Sie haben schon einmal den großen Fehler gemacht, dass Sie den Personalbestand der Finanzverwaltung preisgegeben haben. Andere haben das nicht getan. Die Finanzverwaltung ist die einzige Verwaltung, die uns Geld bringt. Die anderen, die ihren „Naturschutzpark“ bekommen haben, kosten uns Geld. Insofern erinnere ich auch an die beratende Äußerung des Landesrechnungshofs zu der Frage, was uns wegen des geringen Personalbestands in der Finanzverwaltung an Geldern verloren geht.

Zweitens sprechen wir über Rechtsansprüche. Man muss hier also sehr vorsichtig vorgehen. Nachrichtlichkeit allein nützt nichts, Nachhaltigkeit ist gefordert. Was nutzt es,

wenn etwas im Haushalt steht und wir die erforderlichen Konsequenzen nicht ziehen können? Das Problem sind die Lösungen.

Da wäre es eigentlich gut, wenn die Regierung Farbe bekennen und sagen würde, was sie eigentlich tun möchte, statt sich dabei hinter dem Bund zu verstecken.

Was kaum einer aushält und was in jeder Versammlung kommt, ist zum Beispiel das 13. Monatsgehalt für Pensionäre. Niemand versteht das. Obwohl ich es jedem gönne: Niemand versteht es. Das wäre eine solche Stellschraube; die Rentner haben auch keine 13. Rente. Aber bitte: Pensionäre müssen ihre Pension versteuern, Rentner nur zum Teil.

Das Nächste ist die Lebensarbeitszeit. Daran müssen wir drehen. Man muss nicht unbedingt wie Rürup nur nach oben schauen, sondern man kann auch nach unten schauen. Wir haben über Jahre hinweg darüber diskutiert, wie wir junge Menschen frühzeitiger in den Arbeitsprozess bekommen können. Diese Diskussion ist verschwunden. Mir ist es lieber, wenn die Leute früher anfangen und dann in Richtung 65 Jahre arbeiten, als dass sie spät anfangen und früher aufhören. Das ist eine Diskussion, die geführt werden muss.

Das Nächste ist die Parallelität von Renten und Pensionen. Wenn die Rürup-Vorschläge teilweise umgesetzt und von den Rentnern Einschnitte hin zu einem langsameren Anstieg gefordert werden, werden wir nicht darum herumkommen, auch bei den Pensionen darüber zu reden, wie es weitergeht. Man darf ja nicht vergessen, dass ein Rentner im Durchschnitt etwas über 2 000 DM im Monat erhält, ein Pensionär im Durchschnitt aber etwas über 5 000 DM. Man muss sich überlegen, ob die Steigerungsraten eigentlich immer gleich sein müssen, wenn wir die Finanzproblematik in den Griff bekommen wollen.

Es gibt Vorschläge für eine Umgestaltung, für ein Zweisäulensystem. Ich hätte auch gerne noch etwas von Ihnen zu dem Vorschlag gehört, dass man eine Grundversorgung erhält und daneben eine Zusatzrente, die auch von den Beamten mitfinanziert werden muss, hat. Wir haben ja bei der Riester-Rente den Einstieg für Beamte ermöglicht. In anderen Ländern, in denen es auch Beamte gibt, ist es sogar üblich, dass diese wie alle anderen Beschäftigten auch Beiträge bezahlen müssen. Bei uns wird der Wert einer Pension nicht einmal auf dem Gehaltszettel ausgewiesen. Dies zu tun wäre auch ein Vorschlag. Manche Diskussion wäre einfacher, wenn man sagen könnte: „Das ist dein Gehalt, und das ist der Pensionsanteil, der für dich aufgebracht wird.“

Das Lebenseinkommen ist vielleicht eine Stellschraube. In Versammlungen halten wir es ja kaum aus, dass bei Rentnern die Rente durch das gesamte Lebenseinkommen bestimmt wird, die Pension der Beamten dagegen durch ihre letzte Gehalts- bzw. Besoldungsstufe. Das heißt, es gibt hier eindeutige Vorteile für die Beamtenschaft, wie man zugeben muss. Man muss darüber reden, wie man diese Lebenseinkommen in ein vernünftiges Berechnungsverhältnis zueinander bringt, um dem Verfassungsauftrag, den wir ja dadurch haben, dass die Beamtenschaft existiert, in einem vernünftigen Rahmen Rechnung zu tragen.

Die Besoldungsautonomie der Länder wurde genannt. Dazu sage ich eines: Dazu gehört natürlich auch, dass man eine

wachstumsfreundliche Gesamtpolitik macht. Wer, wie die Grünen, keine Straßen mehr bauen und dieses und jenes nicht mehr haben will, betreibt auch keine wachstumsfreundliche Politik. Ich kenne keine andere Theorie. Wir brauchen Wachstum, selbst wenn es nur ein geringes Wachstum ist. Über das Wachstum finanzieren wir dann auch diese Aufgaben. Es geht nicht anders; das muss ich einfach einmal sagen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Kretsch- mann GRÜNE)

Bei manchem muss man vielleicht noch daran erinnern, dass auch Keynes noch nicht abgeschafft ist. Wenn der Staat keine Anreize gibt, dann funktioniert das Wachstum auch nicht.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Wir haben jahre- lang bewiesen, dass Keynes nicht funktioniert! Das funktioniert doch nicht!)

Wenn wir in der Wirtschaftspolitik diszipliniert sind und nur Schulden zulassen, die wir auch sofort wieder zurückzahlen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. In der zweiten Runde werde ich noch einmal zu diesem Thema kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Scheffold CDU: Ist das eine Drohung? – Abg. Alfred Haas CDU: Das war aber nicht mit der ganzen Fraktion abge- stimmt!)

Das Wort erhält Herr Abg. Theurer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Dederer hat in ihren Ausführungen zu Recht darauf hingewiesen, dass sich gegenüber der Zeit, in der in Baden-Württemberg mit Hermann Müller noch ein liberaler Finanzminister – wenn man seine Reden nachliest, dann merkt man das – Zurückhaltung und Maßhalten beim Ausbau des Staates geübt hat, die Zahl der Bediensteten beim Land verdreifacht hat.

(Abg. Seltenreich SPD: Ich sage nur Freudenberg!)

Nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in den anderen Bundesländern gab es einen Ausbau unseres Staates zum Wohlfahrtsstaat. Wenn man die Zahlen, die die Landesregierung vorgelegt hat, einmal anschaut, muss man sehr nachdenklich werden. Man muss dies ganz dramatisch schildern, aber trotzdem in aller Sachlichkeit sagen: Wir haben eine Situation, von der wir kurzfristig nicht wegkommen. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Wir steuern auf einen Zustand zu, in dem die öffentlichen Finanzen nicht mehr gestaltbar sind. Wir verlagern Lasten auf die zukünftige Generation. Diese Entscheidungen werden nicht von diesem Landtag getroffen, sondern die Entscheidungen über die Einstellung des Personals, dessen Versorgungsbezüge jetzt und in den Folgejahren finanziert werden müssen – diese Zahlen steigen ja dramatisch an –, wurden bereits von früheren Landtagen getroffen. Man hat den Bürgerinnen und Bürgern damals ge

sagt, man könne sich dies leisten. Jetzt stellen wir jedoch fest, dass wir uns dies nicht mehr leisten können, weil wir unsere Haushalte nicht ausgleichen können.

Wir haben uns zu Recht das Ziel vorgenommen, eine Neuverschuldung von null zu erreichen. Die aktuellen Entwicklungen der Steuereinnahmen zeigen, dass wir davon weit entfernt sind, nicht nur wir in Baden-Württemberg, aber auch wir in Baden-Württemberg. Die Staatsverschuldung ist von 1965 bis heute dramatisch angestiegen, nämlich von 1965 bis heute von 43,5 Milliarden € auf 1,282 Billionen €, also 1 282 Milliarden €. Aber diese dramatischen Anstiege der Staatsverschuldung sind vielen Bürgerinnen und Bürgern überhaupt nicht bekannt. Die wenigsten Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wissen, dass wir die Zinsen, meine Damen und Herren, komplett mit neuen Krediten finanzieren. 2 Milliarden € Zinsen werden komplett mit neuen Krediten finanziert. Wenn wir das etwa bei der privaten Finanzierung eines Hauses versuchen würden, dann viel Spaß beim Finden einer Bank!

In einer solchen Situation ist es auch nicht möglich, Rücklagen für Beamtenpensionen zu bilden. Es wäre unsinnig, am Kapitalmarkt Kredite aufzunehmen, sie dort teurer zu bezahlen und dann in einem Pensionsfonds anzulegen, wo sie einen geringeren Anlagezinssatz erzielen würden. Das wäre nicht der richtige Weg, sondern der richtige Weg ist, alles zu tun, um durch Verwaltungsreformen, durch Verschlankungen, durch Privatisierung, durch eine Neudefinition der staatlichen Aufgaben, durch ein Zurückziehen des Staates aus Aufgaben, durch eine Mobilisierung von bürgerschaftlichem Engagement die Haushalte zu konsolidieren und wieder Überschüsse zu erzielen. Dies ist der einzige Weg, der dazu führt, dass wir die Zahl der Staatsbediensteten reduzieren können. Das alles wird trotzdem nicht ausreichen, um die Versorgungslasten zu finanzieren. Deshalb wird man auch über die Höhe der Pensionen sprechen müssen. Je früher man mit Pensionsabschlägen anfängt, um dann Vorsorge zu treffen, desto weniger schmerzlich werden die Einschnitte in Zukunft werden.

Weil diese Herkulesarbeit nicht von einer Partei alleine geleistet werden kann und weil auch der Landtag – das hat Kollege Scheffold zu Recht ausgeführt – viele Dinge nur ausführt, die durch bundes- und europarechtliche Gesetze festgelegt sind, brauchen wir einen Konsens über die Fraktionen und Parteien in unserem Haus hinweg und auch auf Bundes- und Europaebene.

(Abg. Moser SPD: Jetzt brauchen wir konkrete Vorschläge! Bis jetzt ist es nur Blabla!)

Nur so kann das Steuer herumgerissen werden. Es ist dringend erforderlich, abzubremsen. Denn es ist ja wohl so, dass eher das Bild eines Tankers das richtige Bild ist: Ein Tanker, der in Cuxhaven anlegen will, der muss in Borkum abbremsen. Wir sind allerdings schon auf der Höhe von Wangerooge, und deshalb muss man versuchen, diesen Tanker noch rechtzeitig zum Stillstand zu bringen, da er sonst über Schleswig-Holstein hinausfährt. Ich glaube, man muss es so drastisch schildern.

Die FDP/DVP-Fraktion ist bereit, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, und wir werben für einen parteiüber

greifenden Konsens, weil in der Tat diese Pensionsfalle, diese großen Lasten, die auf uns zukommen, einer Lawine gleichen, die uns zu ersticken droht.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Schef- fold CDU)

Das Wort erhält der Herr Finanzminister.

(Abg. Moser SPD: Jetzt bringen Sie mal Butter bei die Fische! – Abg. Heike Dederer GRÜNE: Licht ins Dunkel!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie merken schon am Kammerton, der hier herrscht: Das ist kein Thema, das sich besonders zu parteipolitischer Profilierung eignet. Denn die Probleme, die wir haben, haben alle anderen Länder auch, die allermeisten in noch viel höherem Maße. 14 oder 15 Länder sind noch schlechter als wir, ein einziges ist besser.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das kann nur Bayern sein!)

Nun, die Probleme sind allgemein bekannt und auch richtig beschrieben worden. Da ist auf der einen Seite die Demographie und auf der anderen Seite die Tatsache, dass wir insbesondere in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre und in den Siebzigerjahren vor allem ungeheuer viele Lehrer eingestellt haben und in den letzten Jahren ein zu geringes Wirtschaftswachstum haben verzeichnen müssen.

Ich möchte gleich auf eines eingehen, was hier einige Male gesagt worden ist. Meine Damen und Herren, es ist ein Trugschluss, zu meinen, dass Wirtschaftswachstum unsere Haushaltsprobleme lösen würde. Die kann es vorübergehend mal lösen, auf lange Sicht wird Wirtschaftswachstum allein aber unsere Haushaltsprobleme nicht lösen,

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Richtig! – Beifall der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

soweit sie auf Personalausgaben beruhen. Denn in einer wachsenden Wirtschaft werden hoffentlich auch die Einkommen der Bediensteten im öffentlichen Dienst steigen. Sie werden dann in etwa wie das Bruttoinlandsprodukt und damit auch wie die Steuereinnahmen steigen.

(Beifall der Abg. Heike Dederer GRÜNE – Abg. Moser SPD: Richtig! – Abg. Schmid SPD: Aber ohne geht es auch nicht!)

Ich möchte also noch einmal davor warnen. Manche meinen, wenn die Konjunktur besser brummt, sei alles in Ordnung.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Ihr Kollege Oettin- ger zum Beispiel!)

Wir müssen die Haushalte konsolidieren; das ist überhaupt keine Frage.

Was können wir bei dem hier angesprochenen Problem direkt tun?

(Minister Stratthaus)

Meine Damen und Herren, erstens können wir weitere Belastungen vermeiden. In diesem Zusammenhang darf ich an eine Diskussion erinnern, die wir vor zwei Jahren hier geführt haben, als es um die Einführung der Altersteilzeit ging.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Damals haben wir von beiden Oppositionsparteien harte Vorwürfe erhalten, weil wir die Altersteilzeit nicht eingeführt haben.