Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

Ich möchte eingangs der Debatte, auch wenn offensichtlich noch nicht alle Rednerinnen und Redner anwesend sind – von den übrigen Kolleginnen und Kollegen ganz zu schweigen –, noch einmal darauf hinweisen, dass die Aktuelle Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten hat und dass die Redezeit der Regierung darauf nicht angerechnet wird. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten. Die Redezeiten können nicht zusammengefasst werden. Ich bitte auch die Mitglieder der Landesregierung, sich an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.

Das Wort erhält Frau Dederer. – Bitte schön.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Wir wollen jetzt ein- zeln begrüßt werden!)

Es werden mittlerweile schon mehr. Kollege Haas kommt auch noch.

Wir haben eine Aktuelle Debatte zum Thema Pensionslasten beantragt. Neuerdings macht sich ja ein anderer Begriff breit, nämlich das Wort „Pensionslawine“. Das klingt so, als ob das ganz plötzlich über das Land Baden-Württemberg hereinbrechen würde, doch dem ist nicht so. Niemanden sollte die Debatte heute überraschen. Die Entwicklung ist seit vielen, vielen Jahren absehbar, und genauso lange sieht die Landesregierung dieser Entwicklung tatenlos zu.

In den letzten 40 Jahren hat sich die Zahl der Beamten in unserem Land verdreifacht. Man wusste eigentlich schon bei der Einstellung dieser Beamten bzw. bei der Schaffung dieser Beamtenstellen, dass man für diese Leute irgend

wann natürlich einmal Pensionen zahlen muss. Jetzt endlich greift Herr Finanzminister Stratthaus dieses Thema auf. Der Presse war zu entnehmen, dass er die Pensionslasten im Haushalt ausweisen möchte, damit auch alle schwarz auf weiß sehen, was auf das Land zukommt. Da kann ich nur sagen: Gut, Herr Finanzminister, dass Sie das aufgreifen. Es ist nämlich eine alte grüne Forderung, diese Pensionslasten tatsächlich sichtbar zu machen. Wir sind froh darüber, dass dies jetzt geschieht.

(Beifall bei den Grünen)

Allerdings – auch das darf man hier erwähnen – gab es schon im Jahr 1996 eine beratende Äußerung des Rechnungshofs, in der der Rechnungshof genau das gefordert hat, nämlich diese Pensionslasten im Vorheft des Staatshaushaltsplans auszuweisen. Seitdem sind sieben Jahre vergangen, sieben Jahre in Lethargie, Herr Finanzminister. Sie hätten genug Zeit gehabt, etwas zu tun.

Laut Presseartikel haben Sie, Herr Finanzminister, auch eine verhängnisvolle Einschränkung für Ihren Vorschlag gemacht. Sie wollen nämlich, dass es eine bundeseinheitliche Regelung für den Bund und alle Länder gibt. Da habe ich einfach die Befürchtung, dass es noch weitere sieben Jahre dauern wird, bis man hier tatsächlich zur Tat schreiten wird.

(Abg. Moser SPD: Ja! Sieben fette und dann sieben magere Jahre!)

Deswegen meine Bitte: Warten Sie nicht darauf, dass es eine bundeseinheitliche Regelung geben wird. Reden Sie nicht nur einfach davon, sondern machen Sie es, weisen Sie es im Haushalt aus. Wir sind schließlich nicht für Schleswig-Holstein oder Hessen verantwortlich, sondern wir sind hier für unser eigenes Land verantwortlich. Es geht schließlich um unseren eigenen Haushalt. Andere Länder, meine Damen und Herren, gehen ja auch eigene Wege. In Nordrhein-Westfalen gab es eine Kommission zum Thema „Reform der Altersvorsorge“.

Herr Finanzminister, ich kann Ihnen zusagen, dass Sie, wenn Sie dieses Thema angehen, unsere Unterstützung haben. Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass das bitter wird. Wir sehen aber keine Alternative dazu, hier diesen ersten Schritt hin zu mehr Klarheit und Wahrheit zu machen. Die Zahlen sind ja bekannt. 2,6 Milliarden € zahlen wir schon heute an Versorgungsausgaben. Ich darf Sie daran erinnern, dass das fast ein Zehntel unseres aktuellen Landesetats ist. In jeder Legislaturperiode wird dieser Betrag um 1 Milliarde € steigen, bis auf 8 Milliarden € im Jahr 2030.

Meine Damen und Herren, wir haben den Barwert dieser Pensionslasten bis zum Jahr 2030 ausgerechnet und nennen das Schattenschulden.

(Die Rednerin hält ein Balkendiagramm hoch. – Abg. Moser SPD: Können Sie das vervielfältigen lassen? Ich sehe das nicht so recht!)

Ich darf es Ihnen hier noch einmal zeigen: Sie sehen rot eingezeichnet die aktuellen Schulden unseres Landes in Höhe von fast 36 Milliarden €, und wenn man den Barwert der Versorgungslasten ansetzt, dann ergeben sich zusätzlich

72 Milliarden €. Ich denke, wenn man sich diese Zahlen bewusst macht, dann weiß man, dass man besser heute handelt als morgen. Herr Finanzminister, wir sind in Anbetracht dieser Zahlen auch gespannt auf Ihre Strategie.

(Beifall bei den Grünen)

Wem darf ich das Wort erteilen? – Herr Abg. Dr. Scheffold, bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unstrittig, dass das Problem des Anstiegs der Versorgungslasten zahlenmäßig dokumentiert ist und dass man sich darüber seine Gedanken machen muss. Deswegen tut das die CDU-Fraktion schon seit vielen Jahren.

(Abg. Moser SPD: Ununterbrochen! Außer euch Gedanken zu machen habt ihr nichts gemacht!)

Wir beschäftigen uns mit diesem Thema, zumal die Zahlen, Frau Kollegin Dederer, ja offen auf dem Tisch liegen. Das, was Sie uns sagen, ist ja nichts Neues, sondern es trifft in der Tat zu, dass die Zahlen nicht veränderbar sind. Denn die Beamtinnen und Beamten befinden sich im Dienst des Landes. Deshalb ist kalkulierbar, wie hoch die Versorgungsaufwendungen bis zum Jahr 2030 sein werden. Das ist in der Tat ein Problem, über das wir uns unterhalten müssen.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Aber die entscheidende Frage ist: Was kann man tun?

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Ja!)

Man sollte zum Beispiel darauf hinweisen, dass die gesamte Beamtenbesoldung verändert werden könnte. Das würde mittel- und langfristig mit Sicherheit etwas bringen. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass die Beamtenbesoldung in der Kompetenz des Bundes liegt und der Bund in diesem Bereich handeln muss. Wenn er die Besoldung herabsetzt oder geringer einstuft, wird es sich später auch auf die Versorgung auswirken. Dann würde sich etwas tun, was zur Lösung des Problems beiträgt.

Wir stellen mit Blick auf die jüngsten Tarifverhandlungen fest, dass der Bund zwar Einfluss nimmt, aber leider nicht in die richtige Richtung. Zuletzt hat sich ein Tarifabschluss von 2,4 % ergeben. Der ist zu hoch, und daraus resultieren weitere Probleme für die Versorgung in der Zukunft. Baden-Württemberg dagegen hat die Möglichkeiten, die es hat – ich nenne als Stichworte Öffnungsklausel oder die Bereitschaft, beim Weihnachtsgeld oder beim Urlaubsgeld Abstriche zu machen –, genutzt.

Wir haben unseren Spielraum auch insofern genutzt – wir waren ja in die Tarifgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen integriert gewesen –, als wir den Austritt aus der Tarifgemeinschaft erklärt haben und in Zukunft unsere Spielräume eigenständig besser nutzen wollen als der Bund. Der Bund hat eine niedrigere Personalquote und einen hohen Anteil am Einkommensteueraufkommen. Er verhandelt daher nicht in die Richtung, die notwendig und richtig wäre.

Das gleiche Problem stellt sich bei der Beamtenversorgung. Auch die liegt in der Bundeskompetenz, und das Land hat seine Hausaufgaben erledigt. Denken Sie nur an Stichworte wie Altersteilzeit, wo Sie eine ganz andere Position als wir vertreten haben, die überhaupt nicht zu einer Sicherstellung der Versorgung in der Zukunft beigetragen hätte. Wir haben gehandelt. Wir haben die Altersteilzeit nicht eingeführt. Wir haben in dem kleinen Umfang, in dem wir Handlungsspielräume haben, diese Spielräume genutzt, und zwar in der Weise, dass die Versorgung in Zukunft sichergestellt werden kann.

Ein weiterer Stichpunkt wäre eine Personalreduzierung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Land BadenWürttemberg hat seinen Personalbestand in den Jahren seit 1993 um ca. 10 000 Beamtinnen und Beamte reduziert,

(Abg. Moser SPD: Und gleich wieder eingestellt! – Abg. Heike Dederer GRÜNE: Nein, nein! Das stimmt nicht!)

und auch hier wird deutlich – –

(Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Entschuldigung, Frau Kollegin Dederer, Sie fordern doch ständig noch mehr Stellen. Sie dürfen doch nicht von uns fordern, wir sollten noch mehr streichen, wenn Sie ständig mehr Stellen fordern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir bauen Stellen nach vorhandenen Programmen ab – nachvollziehbar und klar an Zahlen dokumentierbar. Sie fordern doch ständig neue Stellen.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Sie haben unter dem Strich keine Stellen reduziert!)

Nächstes Stichwort in diesem Zusammenhang – wir haben heute Morgen ausgiebig darüber diskutiert –: die Verwaltungsreform. Auch in diesem Bereich ist das Ziel, eine Rendite, eine Einsparung zu erzielen. Auch dies wird uns zugute kommen, um das Versorgungsproblem, das vor uns steht, anzugehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, letzter Punkt: Pensionsfonds. Manche Länder sind in Pensionsfonds eingestiegen; ich denke an Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz. Das entscheidende Kriterium bei dieser Geschichte ist aber, dass wir es mit den Modellen, die da erprobt worden sind, nicht machen können, weil sie gescheitert sind. In Schleswig-Holstein war es eine Privatisierung, die als Grundstock genommen worden ist, und dann sollten Zuschüsse über den Haushalt erfolgen. In Rheinland-Pfalz war es das Modell, dass über neu eingestellte Beamte ein bestimmter Betrag einbezahlt wird. Beide Modelle haben keine Zukunftsfähigkeit.

Das Entscheidende wäre, ein Modell zu finden, bei dem ein solcher Pensionsfonds nebenher finanziert wird, ohne dass neue Schulden aufgenommen werden müssen. Das ist die entscheidende Aufgabe, der wir uns stellen müssen und der Sie sich als Opposition genauso stellen müssen. Wir dürfen die Haushalte nicht mehr über Kredite finanzieren. Denn

solange ich einen Pensionsfonds mit zusätzlichen Krediten finanzieren muss und nur über Kredite aufstocken kann,

(Abg. Moser SPD: Kann ich es auch bleiben las- sen!)

macht es keinen Sinn. Dann ist es sinnvoll, zunächst eine Haushaltskonsolidierung vorzunehmen. Dabei sind wir in Baden-Württemberg auf einem guten Weg.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Vor allem in die- sem Jahr!)

Das Land Baden-Württemberg hat einen guten Haushalt, verglichen mit anderen Ländern.

(Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Wir stehen vor der Tatsache, dass die Wirtschaftspolitik, die Finanzpolitik, die Arbeitsmarktpolitik und die Sozialpolitik in Berlin in die falsche Richtung gehen und uns mit zusätzlichen Problemen überhäufen. Das wissen Sie selbst ebenso gut wie wir. Deswegen würde ich Sie bitten, Ihren Einfluss bei den von Ihnen unterstützten Parteien geltend zu machen, damit wir in dieser Hinsicht bessere Fortschritte erzielen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Boris Pal- mer GRÜNE)

Das Wort erhält Herr Abg. Moser.