Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

Da sind zunächst einmal die Richtwerte für den Flächenverbrauch in den Regionalplänen. Nur so lässt es sich bewerkstelligen, dass sorgfältig mit Flächenreserven umgegangen wird. Das klingt ja zunächst einmal ganz einleuchtend, aber es geht an den Erfordernissen der Praxis vorbei. Die Richtwerte waren in der Vergangenheit meist falsch angesetzt, weil viel zu pauschal und viel zu wenig auf die einzelnen örtlichen Situationen eingegangen wird. Frau Brenner hat das ausgeführt. Wer wie ich lange Jahre in einem Planungsausschuss gesessen hat – Herr Schmiedel, das wissen Sie auch –, weiß: Gegenwärtig wird wieder ziemlich reduziert – Flächennutzungspläne und Bebauungspläne der

Kommunen –, und nicht ein einziges Mal greift man da auf den Gedanken der Richtwerte zurück. Das wird vielmehr mit ganz anderen Kriterien gemacht. Also: Es ist in der Praxis nicht erforderlich und braucht deshalb hier auch nicht geregelt zu werden.

Was die Zielabweichung – ob das nun von der Genehmigungsseite der Regionalverband oder die Regierungspräsidien machen sollen – anbelangt: Frau Brenner, Sie haben völlig Recht. Das sind Dinge, die man so oder so regeln kann. Die Welt geht nicht daran zugrunde, ob Sie das so oder so machen. Aber unser Punkt ist eigentlich der – und dabei unterscheiden wir uns –: Wir hätten die Regionalverbände – gleich, in welcher Form sie sich zusammensetzen, ob das Zweckverbände sind oder wie auch immer – gerne nicht als Behörden, die Genehmigungen erteilen, sondern als Planungsinstanzen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Und wir haben heute Morgen ja gehört: Im Zuge der Verwaltungsreform möchte man die Funktionen der Regierungspräsidien noch weiter bündeln, was die Eingliederung von Sonderbehörden anbelangt. Dabei ergeben sich nicht nur stärkere Positionen für das Regierungspräsidium, sondern bei Lichte betrachtet auch eine ganze Menge neuer Chancen für diejenigen, die nicht Genehmigungsbehörde sind, sondern planen. Diese Trennung halten wir auch ordnungspolitisch für absolut richtig.

Nun zu dem Thema, das die Gemüter so bewegt hat und natürlich auch bewegt: die Standortplanung für Windkraftanlagen.

Dass die regionale Ebene die richtige Planungsebene ist, wird ja erfreulicherweise auch von der SPD so gesehen. Die Grünen sind da nicht ganz so sicher, was mich etwas wundert, weil sie es eigentlich sonst immer sind, die ständig überörtliche regionale Planungen verlangen, sei es nun bei Grünzäsuren, bei Natur- und Landschaftsschutz, beim ÖPNV, bei der Abfallwirtschaft. Wo ich hinschaue, fordern sie immer die überörtliche Planung. Auf einmal soll das nicht mehr die richtige Ebene sein?

Wir sind der Meinung: Standortentscheidungen für Windkraftanlagen hängen eben – und das ist doch wohl auch nahe liegend – im Wesentlichen von den klimatischen und topographischen Gegebenheiten, insbesondere der Windhöffigkeit ab. Das kann man regional, überörtlich einfach besser beurteilen – wie im Übrigen auch die Frage eines Landschaftsbildes –, als es kleinräumig mit der Gefahr eines kommunalen Flickenteppichs, basierend auf Zufälligkeiten, zu regeln.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Bleibt die Frage übrig: Schwarz-Weiß-Regelung, ja oder nein, oder Einbeziehung einer weiteren Gebietskategorie, die der Eignungsgebiete? Das ist sicherlich inhaltlich keine leichte Entscheidung. Wir haben bei den Bundesländern und beim Bund ein Sowohl-als-auch.

Letztlich halten wir die Schwarz-Weiß-Regelung für die bessere Regelung. Das hat nichts damit zu tun, dass wir hier

plötzlich nicht deregulieren wollten. Das ist auch die einfachere Regelung. Eigentlich würde das mit der Deregulierung ganz gut übereinstimmen. Das hat auch überhaupt nichts damit zu tun, dass wir nicht auch das Ziel verfolgten, bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien eine Verdoppelung zu erreichen. Das ist für uns ausschließlich eine Frage, wie man am besten die Windkraftnutzung und den Landschaftsschutz gegeneinander abwägt. Nur das leitet uns.

Dabei ist überhaupt keine Pflicht zur Bundestreue verletzt. Wäre dies der Fall, würde das Gesetz ja keiner Normenkontrollklage standhalten.

(Abg. Schmiedel SPD: So ist es! So wird es sein!)

Das entscheidet sich nicht nach Lautstärke, sondern nach rechtlicher Qualität.

Ich kann nur sagen: Ausdrücklich ist im Gesetz die Privilegierung mit einem Planungsvorbehalt versehen. Deshalb kann es sehr wohl in dieser Weise geregelt werden. Es gibt eine Investitions- und Planungssicherheit, und es macht ökonomisch und ökologisch Sinn.

Nun wird eingewandt – das ist für mich eigentlich der wichtigste Punkt; der gibt mir auch zu denken; nicht jeder Einwand ist ein solcher, bei dem man schaut, wie man ihn am schnellsten beseitigen kann –, dass bei Vorranggebieten, wo keine andere Nutzung entgegenstehen darf, nicht mehr viel übrig bleibt. Es wird gesagt, das betreffe dann nur noch 1 % der Landesfläche. Im Verband Region Stuttgart hat es geheißen, es seien nur 0,6 % der Landesfläche.

Nun muss man sehen, dass 1 % der Landesfläche immerhin noch 35 000 Hektar sind. Darauf könnte man, wenn man das einmal rein rechnerisch durchgeht, 11 000 Windparks eröffnen.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Abgesehen davon ist das aber ein Szenario, das keiner praktischen Nachprüfung standhält. Ich darf das einmal an einer Stelle sehr deutlich dartun. Es schadet ja auch einer Diskussion hier im Landtag nicht, ein paar Beispiele aus der Praxis einzubringen.

Der Verband Region Stuttgart hatte, weil es ihm vom Wirtschaftsministerium einmal so empfohlen worden war, auf genau der Basis geplant, die Sie gerne wollten. Er hat Vorranggebiete, Eignungsgebiete und Ausschlussgebiete ausgewiesen. In der realistischen Einschätzung, dass dieses Landesplanungsgesetz auch bei namentlicher Abstimmung so beschlossen wird, wie es jetzt hier in der Zweiten Beratung vorgelegt wurde, hat der Verband Region Stuttgart nun seine Planung von dem, was Sie wollen, auf die SchwarzWeiß-Regelung umgestellt. Schauen wir doch einmal in die Sitzungsunterlage hinein, die dafür gebracht worden ist. Darin steht als Erstes, die Umstellung könne ohne weiteres auf der Basis des bisherigen Entwurfs erfolgen. Standort und Auswahlmethoden änderten sich überhaupt nicht; kein Problem.

Zweitens stellt der Verband fest, dass potenzielle Investoren – ich zitiere da – inzwischen trotz der EEG-Einspeise

vergütung zu erkennen gegeben haben, dass sie keineswegs an absolut unwirtschaftlichen Situationen und Standorten interessiert seien, weil man ja gar nicht wisse, wie lange diese Subventioniererei durch die EEG-Gesetzgebung stattfinde. Deshalb wollten die Investoren davon absehen, Standorte mit einer Windgeschwindigkeit von weniger als 4 Metern pro Sekunde bei 50 Metern Nabenhöhe nachzufragen.

Richtigerweise wird dort – das alles steht in der Unterlage – nur ein nutzbares Windpotenzial von mehr als 5 Metern pro Sekunde nachgefragt. Standorte mit weniger als 5 Metern pro Sekunde kämen – wörtlich zitiert – nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund der jeweiligen Standortbeschaffenheit bzw. Standortumgebung oder durch Bauhöhe kompensiert werden könne.

Was macht jetzt der Verband? Er sagt: Alle Standorte mit einer Windgeschwindigkeit von weniger als 4 Metern pro Sekunde fallen heraus. Ich kann nur sagen: Gott sei Dank!

(Abg. Zimmermann CDU: Die funktionieren nicht einmal rentabel! – Zuruf des Abg. Drautz FDP/ DVP)

Wir wollen nämlich keine stillgelegten Windräder, die die Landschaft „schmücken“, sondern wir wollen Windräder, die sich drehen und die nicht nur herumstehen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir wollen keine Windräder, die sich, auch wenn sie sich kaum drehen, noch immer als Abschreibungsobjekte lohnen.

(Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Die wollen wir nicht.

Jetzt nur noch das: Der Verband reduziert seine 40 potenziellen Standorte einschließlich der Eignungsgebiete um insgesamt 15 Standorte, nämlich um alle, die eine Windgeschwindigkeit unter 4 Metern pro Sekunde haben. Das heißt in Zahlen ausgedrückt: Der Verband Region Stuttgart hat 218 Hektar Vorranggebiete ausgewiesen. Jetzt setzt er durch die Streichung der Eignungsgebiete noch 513 Hektar dazu, die er dann noch einmal prüft. Genau 188 Hektar fallen weg.

Ergebnis: Das ganze geschilderte Horrorszenario

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

hält einer praktischen Nachprüfung in keiner Weise stand. Im Gegenteil, für eine sinnvolle Windkraftnutzung ist gesorgt. Das gilt glücklicherweise auch für den Landschaftsschutz. Verabschieden wir nun das Gesetz! Es ist für die Praxis gemacht. Das sollte ein Gesetz ja auch sein.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Witzel.

(Abg. Zimmermann CDU: Das ist schon eine ganz andere Nabenhöhe!)

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Die Debatte hat ja schon gezeigt, wo die strittigen Themen bei der Novellierung des Landesplanungsgesetzes liegen. Ich möchte mich auf diese beiden Themen beschränken: Das ist zum einen die Frage des Flächenverbrauchs und zum anderen der Ausbau der Windkraft.

Wir alle wissen: Der Flächenverbrauch liegt heute in Baden-Württemberg bei etwa zwölf Hektar pro Tag. Die Tendenz ist steigend. Das heißt also, wir müssen hier darangehen. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Umwelt- und der Siedlungspolitik, diesen Trend zu stoppen und dafür zu sorgen, dass dieser Flächenverbrauch gemindert wird.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Klar ist: Es gibt da keinen Königsweg, keine Maßnahme, die das Problem auf einen Schlag löst. Aber die Siedlungsplanung ist eines der wesentlichen Instrumente, mit denen man das Problem angehen kann. Es ist wichtig, dass die Siedlungsplanung quantitative Richtwerte vorgeben kann, weil nur dadurch eine wirksame Steuerung möglich ist.

Frau Brenner, es trifft nicht zu, dass wir Richtwerte haben wollten, die für das ganze Land gelten, sondern wir wollen, dass die Regionalverbände die Möglichkeit haben, konkrete Richtwerte für die anzustrebende Siedlungsstruktur festzulegen, und dass das, was sie festlegen, nicht einfach nur eine beliebige Sollvorschrift ist, sondern wirklich verbindlich ist. So bekommt man einen Knopf dran, und nur so bekommt man den Flächenverbrauch in den Griff.

Andernfalls ist es leicht möglich, dass noch mehr Flächen ausgewiesen werden. Ein Investor will nur einstöckig bauen, und schon wird eine größere Fläche bewilligt. Wenn wir da keine Richtwerte von der Planungsebene haben, können wir all die schönen Sprüche von einem sparsamen Flächenverbrauch sehr schnell den Hasen geben.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf der Abg. Dr. Car- mina Brenner CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, treten wir dafür ein, solche Richtwerte nicht nur in den Ballungsräumen zu ermöglichen, sondern auch im ländlichen Raum.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Aber sie müssen halt stim- men!)

Denn gerade im ländlichen Raum geht man mit den Flächen sehr großzügig um, und auch da muss man steuernd eingreifen. Wir wollen ja den Flächenverbrauch nicht verbieten, Herr Hofer, sondern wir wollen, dass die Siedlungsplanung, die Regionalplanung die Möglichkeit hat, solche Richtwerte vorzugeben.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das will die B-Planung auch!)

Zum Zweiten zum Thema Windkraft. Wenn man sich die Systematik des Gesetzes ansieht, stellt man fest, dass es sich um eine Umsetzung des Bundesraumordnungsgesetzes handelt – sie ist ja längst überfällig –, dass man aber bei der