Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wahrheit ist ja bekanntlich konkret. Gerade in diesem Bereich der Subsidiarität brauchen wir besser abgegrenzte Zuständigkeiten als jetzt. Deshalb stehen wir voll und ganz hinter der Forderung der Arbeitsgruppe „Subsidiarität“ des Konvents, eine Art Frühwarnsystem der nationalen und regionalen Parlamente zur vorbeugenden Kompetenzkontrolle einzurichten.
Ohne eine Verfassungskammer zur Klärung von Streitfragen werden wir nicht auskommen, liebe Kollegen. Denn nur mit einer solchen Kammer ist gesichert, dass das direkt gewählte Parlament des Landes Baden-Württemberg, dass wir unsere Interessen auch wirklich einbringen können.
Die erste Regionendebatte des Konvents hat uns hier Hoffnung gemacht auf eine Subsidiaritätsprüfung, die die jeweils betroffene Gebietskörperschaft mit einbezieht. Wir unterstützen dies nachdrücklich, auch für unsere Kommunen, auf deren Selbstverwaltungsrecht wir pochen. Wir fordern ein Klagerecht für die Regionen ein und geben dies dem Ministerpräsidenten auch mit auf den Weg, wohl wissend, dass hier die Interessen besonders stark divergieren.
Lassen Sie mich feststellen, dass Baden-Württemberg, Deutschland, ja ganz Europa dem Handeln der EU-Kommission und ihrer Sorge um gleiche Wettbewerbsbedingungen in Europa einen Teil des wirtschaftlichen Wohlstands verdanken.
Wir wollen, dass die EU-Kommission auch in Zukunft ihre Arbeit für Wachstum und Beschäftigung in Europa tun kann. Diese Zuständigkeit darf aber nicht das Trojanische Pferd einer schleichenden Vergemeinschaftung sein. Europa ist inzwischen mehr als eine Freihandelszone. Die Integrationskraft muss Schritt halten mit einem atemberaubenden Tempo von Erweiterung und Vertiefung.
Wir müssen die Bürger dabei mitnehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen den Bürgern die Chance geben zu verstehen und auch mitzukommen. Nur mit wirklichen Reformen kann dies gelingen. Die CDU-Landtagsfraktion Baden-Württembergs ist dazu bereit und unterstützt die Arbeit des Konvents.
(Zurufe von der CDU: Oi! – Abg. Herrmann CDU: Ein weiterer Kandidat für das Europaparlament! – (Abg. Reichardt CDU: Nach der Rede kann er nur noch abrutschen!)
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Kollegin Gräßle hat pflichtgemäß den außerordentlichen Fleiß des Herrn Ministerpräsidenten gewürdigt. Ich schließe mich dem an. Der Ministerpräsident ist als Mitglied des Konvents außerordentlich fleißig.
Die Frage, ob dieser Fleiß zielführend ist, liebe Frau Kollegin, werden wir anhand der Ergebnisse des Konvents beurteilen.
(Abg. Wieser CDU: Es sind ja auch SPD-Leute drin! – Gegenruf des Abg. Capezzuto SPD: Gott sei Dank! – Gegenruf des Abg. Kübler CDU: Mario, nicht so laut!)
Die Kernfrage hat Frau Kollegin Gräßle auch angesprochen, allerdings sehr optimistisch. Im Ergebnis wird es jetzt darum gehen, ob wir nach den Ergebnissen des Konvents und der dazu dann stattfindenden Regierungskonferenz in einen Zustand einer erweiterten Freihandelszone zurückfallen oder ob wir auf dem Weg einer Staatsbildung vorankommen. Das Wort „Staatsbildung“ nehme ich ganz bewusst in den Mund, weil das in der Tat die Weichenstellung ist, um die wir da ringen.
Ich hätte es ganz schön gefunden, wenn die Delegation der Deutsch-Französischen Brigade jetzt anwesend gewesen wäre,
weil das in der Tat einer der entscheidenden Punkte ist. Wir stehen vor der Frage, ob die Europäische Union auf dem Feld der Außenpolitik, auf dem Feld der Sicherheitspolitik, in der Frage einer gemeinsamen Außengrenze eines entsprechenden Grenzregimes und auch der Sicherung dieser Außengrenze die notwendigen Schritte in Richtung Staatsbildung geht oder ob sie das nicht schaffen wird. In der Tat ist die wiedergefundene deutsch-französische Einigung ein entscheidender Motor auf diesem Weg. Und in der Tat stehen wir auch vor der sehr entscheidenden Frage, ob wir auch auf dem Feld der Außenpolitik und der Sicherheitspolitik zum Mehrheitsprinzip in der Europäischen Union kommen.
Der erste Testfall wird sein, ob wir, wie sich das bisher optimistisch entwickelt hatte, zu einem sehr weitreichenden gemeinsamen Entwurf des Konvents kommen, der dieses Mehrheitsprinzip festschreibt, der auch die entscheidenden Schritte auf dem Feld der Außenpolitik und der Sicherheitspolitik bis hin zur Notwendigkeit des Aufbaus von Streitkräften der Europäischen Union geht, oder ob wir – es gibt ja neuerdings auch kontroverse Debatten darüber – einen Prozess erleben, der auf der Ebene des Konvents das widerspiegelt, was wir an sehr unterschiedlichen außenpolitischen Orientierungen in Europa vor dem Hintergrund des Irak-Kriegs gesehen haben.
Deswegen will ich ausdrücklich die Tatsache unterstreichen und auch würdigen – Sie haben dazu nichts gesagt –, dass sich Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg auch in der Frage der Schaffung einer europäischen Souveränität auf dem Feld der Verteidigung jetzt als Motoren in die öffentliche Diskussion begeben haben. Ich habe schon bei früheren Gelegenheiten gesagt, dass der Post-Nizza-Prozess ausdrücklich vorgesehen hat, dass einzelne Staaten der Europäischen Union in der Abgabe von Souveränitätsrechten vorangehen können. Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg – ich denke, andere werden sich anschließen – haben sich dazu entschlossen, auf dem Feld der Verteidigung weiter gehend Souveränitätsrechte abzugeben, und zwar nicht – das will ich ausdrücklich betonen – in globaler Gegnerschaft zu den Vereinigten Staaten – die Vereinigten Staaten werden, so hoffe ich, auch wieder einmal eine andere Regierung haben als die derzeitige –,
aber in der Absicht, neben die Vereinigten Staaten einen eigenständigen Pfeiler, auch einen militärischen Pfeiler der Europäischen Union zu stellen.
Übrigens ist mir die Haltung der Union in Deutschland in dieser Frage sehr unklar. Ich will das ausdrücklich sagen.
Sie haben dazu heute auch nichts gesagt. Wir sind entschieden für einen Weg der europäischen Emanzipation. Ich sage das ganz deutlich. Wir sind im so genannten alten Europa eine Wertegemeinschaft – das haben Sie angedeutet, liebe Frau Kollegin –,
die sich allerdings nicht vom angelsächsischen Kapitalismusmodell herleitet. Weil Sie ja derzeit den Debatten in unserer Partei so große Beachtung schenken, will ich Sie darauf hinweisen, dass die Vorstellung von Nichtentwicklung oder Rückführung von Sozialstaat auch nicht der katholischen Soziallehre entspricht.
Da vertraue ich übrigens auf die anhaltenden Grundüberzeugungen des verehrten Ministerpräsidenten. Aber auch das werden wir würdigen.
Wir wünschen uns eine Europäische Union, die ein europäisches Sozialstaatsmodell beinhaltet, eine Europäische Union, die selbstbewusst auch in den globalen Fragen der Politik auftritt, auch auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik, und in der Tat – da stimmen wir überein – auch eine Europäische Union, die sich den Feldern zuwendet, für die sie geeignet ist, und die Felder, die vor Ort besser gelöst werden können, regionalen und nationalen Ebenen überlässt. Da kommen wir, glaube ich, voran.
Es wird so sein, dass die europäische Ebene in jedem Fall, bei jeder Vorlage die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips wird nachweisen müssen. Im Zweifel wird es Klagerechte geben. Es wird dann auch eine Rechtsprechung geben, die das klärt. Wenn wir das verknüpfen können – auch da ziehen wir an einem gemeinsamen Strang – mit einer Neuord
nung der föderalen Strukturen in Deutschland, dann kommen wir, denke ich einmal, zu einem klaren Staatsaufbau.
Also, liebe Frau Kollegin und liebe Union, auch in der Frage der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik so klare Bekenntnisse wie in der Frage des Subsidiaritätsprinzips. Dann wird sich der Fleiß des Ministerpräsidenten lohnen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute nicht nur den Girls’ Day, sondern wir haben diese Woche auch die Europawoche, die im ganzen Land von den Kommunen genutzt wird, um kommunale Partnerschaften zu pflegen und das Thema Europa auch vor Ort für den Bürger greifbarer zu machen. Das Interesse muss noch geweckt werden. Allerdings habe ich bei meinen Diskussionen vor Ort den Eindruck, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr wohl die Vorteile des gemeinsamen Europa genießen, gleichwohl aber auch bei der aktuellen Wirtschaftslage große Sorgen haben, was die EU-Erweiterung um die mittel- und osteuropäischen Länder angeht, die ja in weniger als einem Jahr vollzogen wird. Noch ist nicht ganz klar, ob alle Volksabstimmungen in den Beitrittsländern tatsächlich positiv ausfallen. Wir hoffen dies, weil wir glauben, dass damit eine Zone der Stabilität und des wirtschaftlichen Aufschwungs in Europa geschaffen werden kann.
Im Konvent wird eine europäische Verfassung, ein europäischer Verfassungsvertrag diskutiert, in dem es darum geht, wer wofür zuständig ist. Ich denke, diese Diskussion ist wichtig und sollte auch innerhalb der Bevölkerung breiter geführt werden. Deshalb wird innerhalb unserer Fraktion sehr stark darüber nachgedacht, ob das fertige Werk des Verfassungsvertrags nicht einer Volksabstimmung unterworfen werden sollte.
Es gibt viele, die davor Angst haben und die das Gefühl haben, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik diesem Verfassungsvertrag möglicherweise nicht zustimmen werden. Andere europäische Länder werden ihn ihren Bürgerinnen und Bürger auf jeden Fall zur Abstimmung vorlegen. Wir meinen, eine solche Volksabstimmung
könnte ein gutes Mittel sein, um das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der Europäischen Union, an diesem gemeinsamen Europa zu stärken.
Dann müssten wir tatsächlich auch verstärkt in die Argumentation gehen. Wir glauben, dass das richtig und notwendig wäre. Es wäre auch eine gute Gelegenheit, Unwissenheit auszuräumen und Interesse für Europa zu wecken.