Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

Die neue Situation, Frau Bregenzer, ist insofern eingetreten, als das Akkreditierungsverfahren, wie Sie wissen, ursprünglich spätestens im Jahr 2004 hätte abgeschlossen sein sollen. Das ist jetzt nicht der Fall. Die Gründe hierfür habe ich Ihnen in der ersten Runde genannt.

Das heißt, wir sind jetzt zu der Situation gekommen, dass wir das Akkreditierungsverfahren nicht im Jahr 2004 abschließen, sondern ab 2008 einleiten. Je nachdem, wie es ausgeht, werden die finanziellen Modalitäten aussehen. Darauf habe ich hingewiesen.

Der zweite Punkt, auf den ich noch hinweisen möchte: Der Vorwurf, dass die Landesregierung das Akkreditierungsverfahren von sich aus gewissermaßen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion und im Alleingang ausgesetzt hätte, ist genauso falsch. Denn Sie müssen wissen, dass es, inhaltlich gesehen, der Wissenschaftsrat war, der sich mit guten Argumenten – ich will sie nicht wiederholen – ausdrücklich damit einverstanden erklärt hat, der geradezu dafür plädiert hat, das Akkreditierungsverfahren jetzt noch einmal um einen bestimmten Zeitraum zu verlängern, um deutlich zu machen, dass die Chancen, die in Bruchsal liegen, auch realisiert werden können.

Ich sage es noch einmal: Wenn der Wissenschaftsrat sagt, Bruchsal verfüge über eine Hochschule, die insbesondere hinsichtlich der Entwicklung einer neuen unternehmerischen Kultur, der Bereitschaft junger Leute, auch den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen, eine Bildungslücke in Deutschland ausfülle, dann ist das ein Kompliment, das damit an die Hochschule in Bruchsal gemacht worden ist.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Deshalb komme ich zum dritten Punkt, meine Damen und Herren: Wenn es in dieser Debatte nur darum gehen sollte – man kann sie selbstverständlich führen; wir haben sie im Ausschuss ausführlich geführt; ich habe ja nichts dagegen, wenn wir uns noch einmal eine Stunde des Themas annehmen –, darauf hinzuwirken, dass noch kräftiger das Sterbeglöcklein für die Universität in Bruchsal geläutet wird, wie Sie das offensichtlich wollen, dann – das muss unter dem Strich klar sein; das ist meine große Bitte an das Haus – haben Sie uns nicht an Ihrer Seite.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Aber wenn wir uns darauf einigen können, alle Maßnahmen zu ergreifen – in welcher Form auch immer –, die dazu führen können, die Universität in Bruchsal im Sinne einer vielfältigen Bildungslandschaft zu erhalten, dann haben Sie uns an Ihrer Seite, und dann hätte diese Debatte letztlich auch einen Sinn gehabt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Zu zwei Punkten möchte ich gern noch einmal Stellung nehmen.

Der eine Punkt bezieht sich auf Ihr Lavieren vorhin, Herr Minister Frankenberg, als es um die Frage ging, was der Unterschied zwischen einem Bericht und dem Berichten sei. Uns allen ist natürlich klar – Sie wissen das selbst sehr genau, weil Sie Mitglied im Wissenschaftsrat sind –: Bis ein Wissenschaftsrat eine Stellungnahme veröffentlicht, passiert sehr viel. Da gibt es zunächst eine Gutachtergruppe, die einen Bericht erstellt; es gibt sozusagen interne Teilberichte. Und offensichtlich gibt es irgendetwas, auf das sich soeben auch Herr Pfister wieder bezogen hat, wenn er

über die „guten Argumente“ spricht, die der Wissenschaftsrat vorgebracht habe, um das Akkreditierungsverfahren auszusetzen. Offensichtlich gibt es irgendetwas, wie immer man es auch nennen mag, das Sie kennen, das Herr Pfister kennt, das Herr Vetter kennt, das aber nicht die Opposition kennt. Dazu kann ich nur sagen: So etwas nennt man Herrschaftswissen, und so etwas ist kein Beitrag dazu, dass wir uns an einer gemeinsamen Rettungsaktion für Bruchsal beteiligen können.

(Beifall bei den Grünen)

Zweitens: Worin besteht jetzt eigentlich das Problem, und worüber sollten wir heute sinnvollerweise diskutieren?

(Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

Wir können und wir sollen nicht darüber diskutieren, ob private Hochschulen im Land Baden-Württemberg legitim und sinnvoll sind.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das tut auch keiner!)

Das Ob ist nicht die Frage – das haben Sie eingangs auch gesagt –, sondern es ist die Frage, wie die Landesregierung mit einer solchen privaten Hochschule umgeht und wie die Landesregierung insbesondere damit umgeht, dass die private Hochschule in Bruchsal in ein schwieriges Fahrwasser geraten ist. Die Landesregierung hat das Projekt finanziell subventioniert, und sie hat es politisch protegiert.

Ich möchte in meiner letzten Bemerkung gar nicht mehr über das Geld reden. Ich finde, der politische Teil ist der gravierendere. Sie haben meines Erachtens einen ganz gravierenden Fehler begangen, indem Sie aktiv unterstützt haben, dass das eingeleitete Akkreditierungsverfahren ausgesetzt wurde. Das muss man sich einmal vorstellen. Da deutet sich also in den Vorarbeiten an – Gutachter begeben sich vor Ort, schauen sich die Situation der Hochschule an –: Das Ergebnis, zu dem es da kommen wird, wird kritisch und schwierig ausfallen. Dann zieht man sich schnell zurück und setzt das Verfahren aus, weil man sich davor fürchtet, dass das Ergebnis unangenehm sein könnte. So etwas – das kann ich Ihnen versprechen – wird Schule machen. Ich glaube, wir müssen nicht lange warten, bis die nächste Hochschule sagt: „In unserem Fall sind leider auch ungünstige Umstände eingetreten. Wir wollen aus dem Verfahren heraus.“

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das entscheidet der Wis- senschaftsrat, nicht die Landesregierung!)

Aber Herr Frankenberg hat daran seinen Anteil gehabt. Das hat er im Wissenschaftsausschuss doch auch gesagt. Sie waren doch dabei.

(Zurufe der Abg. Carla Bregenzer SPD und Pfister FDP/DVP)

Die aktive Beteiligung der Landesregierung dabei, ein eingeleitetes Akkreditierungsverfahren auszusetzen, ist ein Signal, das in die Öffentlichkeit hineinwirkt, das auf die anderen Hochschulen wirkt und das einen massiven Flurschaden anrichtet. Ein solches Qualitätssicherungsinstrument wie Evaluation und Akkreditierung ist noch gar nicht etabliert,

da machen Sie es schon kaputt, um die Privatinitiative in Bruchsal zu schützen. Ich glaube, diesen Preis ist es nicht wert.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Wissenschaftsminister Professor Dr. Frankenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zu einigen jetzt aufgeworfenen Fragen und Bemerkungen noch Stellung nehmen.

Das Erste ist, Frau Bregenzer: Ich war ja damals Rektor einer baden-württembergischen Universität und habe die Gründung der Universität Bruchsal aus der Nähe, von Mannheim aus, sorgfältig mitverfolgt. Ich kann Ihnen sagen: Eine Euphorie gab es weder bei der Landesregierung

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Oh doch!)

noch bei den Gründern. Wir alle wussten vielmehr – auch die Landesrektorenkonferenz ist ja damals gefragt worden –, dass es schwierig sein würde, in Deutschland erfolgreich private Hochschulgründungen durchzuführen, dass es aber sinnvoll sein würde, dieses unternehmerische Wagnis einzugehen. Denn wenn wir keine unternehmerischen Wagnisse mehr eingingen, würde dieses Land nicht mehr existieren können.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Ich habe Ihnen ja auch gesagt, warum dies in Deutschland schwierig ist. In einem studiengebührenfreien Land ist es schwierig, private Hochschulen, die sich im Wesentlichen durch Studiengebühren finanzieren müssen, aufzubauen und zu halten.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Es gibt viele, die her- vorragend funktionieren!)

Man wollte sich im Wesentlichen stützen – das tut man ja auch – auf Spenden aus der Wirtschaft.

Dass es gelungen ist, die Universität Bruchsal so weit zu bringen, dass sie existiert, dass sie in großen Teilen eine gute Lehre leistet, dass die Internationalisierung gelungen ist, muss man auch der Gründerin, der Gründungsrektorin Frau Professorin Ziegler, positiv anrechnen. Man muss auch den Mut zu einem solchen unternehmerischen Schritt einmal belohnen. Wenn Sie sagen – wenn ich Sie richtig verstanden habe, Frau Bregenzer, haben Sie dies ausgedrückt –, dass Sie gegen den Wettbewerb von Hochschulen sind,

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Gegen die Illusion!)

dann muss man sagen: Es gibt natürlich nicht nur einen Wettbewerb privater gegen staatliche Hochschulen, sondern es gibt auch einen Wettbewerb der staatlichen Hochschulen untereinander um Mittel.

Wenn Sie sagen, wir sollten mehr Geld für die staatlichen Hochschulen ausgeben,

(Minister Dr. Frankenberg)

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Da müssen wir den Finanzminister einladen!)

dann frage ich zurück: Wie sollen wir bei sinkenden Steuereinnahmen mehr Geld ausgeben? An dieser Quadratur des Kreises versucht man sich ja in Berlin schon seit Jahren vergeblich. Wir tun aber gut daran, die staatliche Verschuldung in Grenzen zu halten.

(Lachen der Abg. Carla Bregenzer SPD – Abg. Pfister FDP/DVP: Wir tun gut daran! – Gegenruf der Abg. Carla Bregenzer SPD: Wir täten gut da- ran!)

Ich betone noch einmal: Die Entscheidung, die wir gefällt haben, ist eine sachlich völlig stringente Entscheidung im Hinblick auf die Anerkennung der Hochschule, im Hinblick auf die gegebenen Zusagen auf staatliche Finanzierung. Wir haben die beiden letzten Raten konditioniert. Das ist ein verantwortliches Umgehen mit öffentlichen Geldern.

Was die Rolle des Wissenschaftsrats betrifft, Frau Bauer, haben Sie ja richtigerweise gesagt, dass der Wissenschaftsrat erstmalig solche Akkreditierungsverfahren durchführt. Man muss ja schlichtweg sagen, dass wir in Deutschland kein von staatlichen Einrichtungen unabhängiges Qualitätssicherungssystem für Hochschulen haben. Wir haben als Landesregierung einen Grundsatzbeschluss gefasst, erstens in Zukunft private Hochschulen auch nur noch privat finanzieren zu lassen. Es wird keine neuen Fälle staatlicher Zuschüsse geben,

(Beifall des Abg. Seltenreich SPD)

weil wir sagen: Die derzeitige Lage der öffentlichen Haushalte ist nicht dazu angetan, noch weitere Initiativen zu fördern. Das Zweite ist, dass wir von allen privaten Hochschulen die Akkreditierung verlangen, um einen unabhängigen Qualitätsnachweis zu haben.

Der Wissenschaftsrat ist die erste, hoch renommierte Einrichtung, die jetzt solche Akkreditierungsverfahren, und zwar institutionelle Akkreditierungsverfahren, anbietet. Das Verfahren für die IU Bruchsal war eines der ersten Verfahren, die der Wissenschaftsrat selber durchgeführt hat. Das heißt, auch der Wissenschaftsrat ist in einer, wenn man so will, Lernphase, was die Akkreditierungsverfahren betrifft.

Die Aussetzung des Verfahrens ist im Plenum mit sehr großer Mehrheit beschlossen worden. Alle Länder haben dieser Aussetzung auch zugestimmt, weil man selber weiß, dass man bei den ersten Fällen – ich weiß jetzt nicht genau, ob Bruchsal nicht sogar der allererste Fall war – auch mit dem Instrumentarium der Akkreditierung, von der ja sehr viel abhängt, sehr sorgfältig umgehen muss. Wir alle sind der Überzeugung, dass sich der Wissenschaftsrat noch wesentlich mehr in diese Rolle hineinfindet. Ich halte das für eine ganz wesentliche Aufgabe des Wissenschaftsrats. Wir werden auch bei den staatlichen Hochschulen wesentlich mehr Qualitätssicherungssysteme wie Evaluation und Akkreditierung haben, als dies bislang der Fall ist.