Protokoll der Sitzung vom 25.06.2003

Ein Parteibuch ist das eine. Wissenschaftliche Fakten können dadurch nicht aufgehoben werden, vor allem nicht von denen, die unter Kanzler Helmut Schmidt in den Achtzigerjahren die Atomenergie begeistert als neue Energieform eingeführt haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Kiefl CDU: Sehr gut! – Abg. Teßmer SPD: Das streiten wir doch gar nicht ab!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofer.

Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren! Im Antrag der SPD heißt es, der mit der Energiewirtschaft beschlossene und gesetzlich fixierte Atomausstieg sollte nicht länger ignoriert werden.

(Abg. Teßmer SPD: Ja, stimmt doch!)

Ich wiederhole und sage hier noch einmal: Das tut auch niemand. Das ist ein Faktum – übrigens eine olle Kamelle. Das wissen wir schon seit einiger Zeit.

(Abg. Teßmer SPD: Sie machen aber nichts!)

Aber Fakt ist auch, dass wir nach wie vor die Art und Weise dieses Ausstiegs für falsch halten, und diese Meinung erlauben wir uns auch zu artikulieren.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Wir haben hier schon mehrfach ausgiebig darüber diskutiert. Vor einigen Wochen hat hier im Plenum des Landtags ein Liberaler Jugendtag mit jungen Liberalen zum Thema „Neue Wege in der Energiepolitik: Atomkonsens – Atomnonsens?“ stattgefunden. Wir hatten im Gegensatz zu jetzt – das ist auch begreiflich – ein volles Haus. Renommierte Fachleute haben referiert. Dabei wurde deutlich – nun muss ich einfach wiederholen, was meine Vorrednerin gesagt hat –: Die Nutzung der Kernenergie ist weltweit keineswegs out. Weltweit wird gegenwärtig eine Vielzahl von Kernkraftwerken gebaut.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Und nirgend- wo ist die Endlagerung gesichert!)

Allein in China ist für die nächste Zeit der Bau von 100 neuen Kernkraftwerken avisiert.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch kein Vorbild! – Gegenruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Es ist kein Vorbild, aber es ist gefährlich!)

Auch in benachbarten Ländern Europas – Sie haben das ausgeführt – werden Kernkraftwerke gebaut. In Finnland, wo Sie ja neulich in Sachen PISA waren, wird gegenwärtig wieder ein neues Kernkraftwerk geplant.

Neue Technologien – Stichwort Transmutation – sollen die Strahlungsdauer von Atommüll von derzeit rund 100 000 Jahren auf 300 Jahre reduzieren. Ich weiß, das ist wissenschaftlich noch nicht belastbar, aber daran wird geforscht. Neue Sicherheitstechniken sollen selbst den Super-GAU

beherrschen. Stromerzeugung durch Kernfusion zeichnet sich als zukunftweisende Alternative ab.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Frühestens in 50 Jah- ren!)

Auch wenn es noch in der Zukunft liegt: Auch wir denken, dass sich Deutschland im Bereich der Spitzentechnologie – ich hätte beinahe Spitzentheologie gesagt –

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Das ist aber sehr nah am Thema! – Abg. Theurer FDP/DVP: Das ist aber auch wichtig!)

das ist nicht das Thema – als Standort für Wissenschaft und Forschung präsentieren sollte und sich nicht einfach von der Weltbühne verabschieden kann. Wir brauchen auf diesem Gebiet auch weiterhin eine Grundlagenforschung, und dazu gehört auch die Nutzung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Theurer FDP/DVP)

Außerdem wiederhole ich hier: Eine Untersuchung des rotgrün geführten Bundeswirtschaftsministeriums – mehr rot geführt – hat ergeben, dass ohne Kernkraft und bei Beibehaltung des Ziels der Enquetekommission einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 40 % bis zum Jahr 2020 die Importabhängigkeit gewaltig zunehmen wird – wahrscheinlich wird zum Teil Atomstrom importiert; das wurde ausgeführt – und dass vor allem erhebliche Kosten für die Gesamtwirtschaft und für die privaten Haushalte entstehen, also erhebliche gesamtwirtschaftliche Risiken. Das steht in einer Stellungnahme des von einem Mitglied Ihrer Partei geführten Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin.

Ich denke, wir ignorieren den Ausstieg nicht, aber wir erlauben uns, auf dessen Konsequenzen hinzuweisen.

(Beifall der Abg. Theurer FDP/DVP und Seimetz CDU – Abg. Seimetz CDU: Sehr gut!)

Ungeachtet dieser Kritik wollen wir uns natürlich ideologiefrei und ohne Scheuklappen um die erneuerbaren Energien kümmern. Das gilt für alle erneuerbaren Energien. Vor knapp zwei Wochen – Sie haben es vielleicht der Presse entnommen – hatten wir Liberale uns auf unserem kleinen Parteitag in Freiburg ausschließlich diesem Thema gewidmet. Gerade der Veranstaltungsort Freiburg hat uns schon vor Augen geführt – ich sage das durchaus auch mit einer gewissen Selbstkritik –, dass wir uns in einem Thema, in dem wir Liberale einmal federführend waren, in Zukunft wieder verstärkt engagieren wollen und müssen.

Deshalb setzt sich auch unsere Fraktion mit Nachdruck für einen konsequenten Ausbau ressourcenschonender Energien ein; das gilt für alle Energien. Wichtig ist für uns, dass sich, auch im Interesse einer funktionierenden Marktwirtschaft, der Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastung nach dem Verbraucherprinzip in umweltehrlichen Preisen niederschlagen – Stichwort „Internalisierung von externen Kosten“. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt ja auch die Mehrbelastung durch die Zuzahlung über das ErneuerbareEnergien-Gesetz.

Ich stehe nicht an – ich habe das immer gesagt – zu sagen, dass dieses Gesetz der Einführung erneuerbarer Energien in unserem Land zum Durchbruch verholfen hat, weil es im Bereich des Einsatzes erneuerbarer Energien Konstanz und kostendeckende Planung über einen Abschreibungszeitraum hinweg ermöglicht hat.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Theurer FDP/ DVP)

Markteinführungshilfen – ich sehe, meine Redezeit geht zu Ende – für umweltfreundliche Energietechnologien und auch das EEG müssen aber zeitlich begrenzte Hilfen bleiben;

(Abg. Theurer FDP/DVP: Genau!)

denn es wird darum gehen müssen, wenn wir wirklich etwas für die erneuerbaren Energien tun wollen, eine wirklich eigenständige Marktteilnahme zu ermöglichen. Wir sind überzeugt – übrigens in Übereinstimmung mit unseren europäischen Nachbarn –,

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

dass eine marktwirtschaftliche Nutzung, etwa durch Zertifikatehandel, die Erreichung der umweltpolitischen Ziele am besten garantiert. Wir begrüßen, dass es auf EU-Ebene einen Durchbruch gegeben hat. Wir sollten in Deutschland hier nicht wieder der Letzte sein, sondern sollten das tun, was unsere europäischen Nachbarn im Interesse der Umwelt tun.

(Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP)

Ich möchte zum Schluss kommen und nur noch darauf hinweisen, dass erwähnt wird, dass wir mehr Geld brauchen. Natürlich brauchen wir mehr Geld. Dazu gibt es ja die Studie des Wirtschaftsministeriums: 38 Millionen € jährlich, gestaffelt 18 Millionen €, 36 Millionen €, 83 Millionen €, je nach Jahresbelastung. Aber die Frage, wie wir es denn rechtfertigen, dieses Geld nicht zur Verfügung zu stellen, ist schlicht und einfach eine Preisfrage, weil das Geld nicht da ist.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, darf ich Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Jawohl, ich komme zum Schluss.

Wenn wir uns dann erlauben, zaghaft darauf hinzuweisen, dass das ja wohl auch ein bisschen mit Konjunktur und Steuerpolitik zu tun hat und dass Sie doch wohl dort in Berlin wenigstens ein ganz klein bisschen auch mitstricken und ja dort auch das Sparen gewohnt sind – wir hören das ja immer –, dann sollten Sie demjenigen, dem man die Nahrung vorenthält, nicht auch noch den Hunger vorwerfen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Witzel.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen, meine Herren! Frau Brenner hat uns vorgeworfen, wir wären nur aus ideologischen Gründen gegen die Atomenergie.

(Abg. Seimetz CDU: Recht hat sie!)

Frau Brenner, das muss ich klar bestreiten. Ich möchte ein Beispiel bringen: Ich erhalte in diesen Wochen immer wieder besorgte Briefe vom Hochrhein. Da schreiben sogar CDU-Landräte

(Abg. Capezzuto SPD: Ah ja!)

und sorgen sich, weil auf der anderen Seite des Rheins bei Benken ein Endlager geplant ist. Das passt doch irgendwie nicht zusammen. Hier halten Sie Lobreden auf die Atomenergie, und wenn es um die schmutzige Hinterlassenschaft dieser Energieform geht, wenn es darum geht, Endlager zu finden, dann steigen die CDU-Lokalpolitiker auf die Barrikaden und sagen: Das wollen wir nicht. Aber Atomenergie ohne Endlagerung kriegen Sie einfach nicht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Deshalb müssen wir das zusammen sehen. Das ist einer der ganz starken Gründe gegen die Atomenergie.

(Abg. Hauk CDU: Herr Kollege Witzel, was ma- chen Sie denn mit den Endlagern?)