Protokoll der Sitzung vom 25.06.2003

Das werden wir aber nicht von heute auf morgen erreichen. Bisher haben wir mehr ein Absurdistan. Wir haben seit vielen Jahrzehnten in diesem Bereich das Gegenteil von Marktwirtschaft aufgebaut. Es wäre trügerisch, den Leuten vorzumachen, dass wir dies bald ändern könnten.

(Abg. Teßmer SPD: Man muss es aber wollen!)

Noch eines, Kollege Teßmer: Dieses Papier, das Herr Golter zu seinem Abschied verfasst hat, ist bisher weder beim Landesbauernverband Programm

(Abg. Teßmer SPD: Leider!)

noch beim Bundesbauernverband.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Noch bei der SPD!)

Und bei der FDP auch nicht unbedingt. Man kann nicht für Marktwirtschaft sein und dann, wenn dahin gehend beim Agrardiesel etwas gemacht werden soll, heulen. Da muss man sich dann schon einmal entscheiden.

(Widerspruch des Abg. Drautz FDP/DVP)

Außerdem ist es so, Kollege Drautz – jetzt lassen Sie mich einmal reden! –, dass wir – –

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Walter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Drautz?

Vom Kollegen Drautz erlaube ich immer sehr gerne eine Zwischenfrage.

Bitte sehr, Herr Abg. Drautz.

Herr Walter, ich glaube, ich weiß selbst – da ich einen Betrieb habe –, was Marktwirtschaft ist.

(Abg. Teßmer und Abg. Birgit Kipfer SPD: Frage!)

Die kommt doch gleich. Seien Sie nicht so ungeduldig! Sie verzögern!

(Abg. Dr. Birk CDU: Du musst anders einleiten!)

Aber jetzt die Frage!

(Unruhe)

Das Wort hat Herr Abg. Drautz!

Herr Walter, ich frage Sie: Sind Sie mit mir der Meinung,

(Zuruf: Nein!)

dass es wettbewerbsverzerrend ist, wenn in anderen EUStaaten Diesel steuerfrei ist und hier die Bundesregierung praktisch den Zuschuss zur Steuer ganz abschaffen will? Schon bei einer aufgrund des Zuschusses geringeren Besteuerung, wie es jetzt der Fall ist, besteht eine totale Wettbewerbsverzerrung. Diese Wettbewerbsverzerrung beim Diesel macht bei einem Getreidebauern über 100 DM pro Hektar aus, und die von Ihrer Partei getragene Bundesregierung will die Kluft zwischen Frankreich und Deutschland noch größer machen.

Kollege Drautz, dazu zwei Anmerkungen, und zwar kurz, damit die Antwort kürzer ist als Ihre Frage.

Erstens: Schon unter Herrn Borchert gab es fast eine halbe Bibliothek von Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU. Das werden Sie nicht wegbekommen. Das ist das Erste.

Das Zweite ist: Die anderen Länder jammern beispielsweise über das, was wir im Sozialbereich haben und was wir in anderen Bereichen haben, beispielsweise über unsere Umweltprogramme, die sie nicht haben.

(Abg. Teßmer SPD: MEKA, Bauernrente!)

Man kann das nie richtig miteinander vergleichen. So hat halt jedes Land andere Standards. Dass es da in einzelnen Bereichen Wettbewerbsverzerrungen gibt, werden Sie nie ganz wegbekommen.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Machen Sie sie größer oder kleiner?)

Jetzt, Kollege Drautz, kommen wir doch einmal zu dem, was derzeit wirklich ansteht. Das ist nicht das Papier, das Herr Golter verfasst hat, sondern das, was heute in Luxemburg weiterverhandelt wird. Ich möchte jetzt wirklich davor warnen, wie Herr Minister Stächele – das hat mir nicht gefallen – wieder so eine Art Schatten- oder Schauboxen zu betreiben, was in anderen Kulturen durchaus irgendwie einen Sinn haben mag – –

(Abg. Teßmer SPD: In China, das verstehen ja die CDU-Leute gut!)

Beispielsweise in China. Vielleicht hat die China-Reise abgefärbt. – Ich denke, wir sollten uns im Landtag sachlich darüber unterhalten, was das Beste für unsere Landwirtschaft ist und worum es bei dieser Agrarreform überhaupt geht. Wichtig ist doch, dass wir in einem vielstimmigen Chor, den Europa nun einmal darstellt, versuchen müssen, im Interesse unserer Landwirtschaft, so wie sie nun einmal in Baden-Württemberg strukturiert ist, möglichst viel herauszuholen.

Worum geht es eigentlich bei der Agrarreform? Erstens um die Entkopplung der Prämien von der konkreten Produktion. Wir sind uns ja einig, dass das richtig ist. Jeder weiß, dass das bisherige System nach den Vorgaben der WTO nicht mehr zu halten ist. Überhaupt bietet die Entkopplung die Chance, zumindest einmal tendenziell von den Überschüssen und davon wegzukommen, die intensive Produktion zu fördern. Das halten wir einmal fest. Das ist ein guter Schritt.

Jetzt hat Frau Künast, Herr Kollege Drautz, die auch von Ihnen, Herr Kollege Kiefl, so gescholten wurde, ein Modell vorgelegt, das die verschiedenen Marktfruchtprämien zu einer Ackerflächenprämie zusammenfasst und damit die Benachteiligung von Kleegras gegenüber dem Mais aufhebt. Das ist doch im Interesse der baden-württembergischen Landwirtschaft, und da wäre es auch einmal gut, der Herr Minister würde das unterstützen und nicht immer nur kritisieren. Das ist das Erste.

Bei der Tierhaltung sollen schrittweise einzelne Prämien ganz und andere – wie die Sonderprämie – zunächst teilweise entkoppelt werden, um die Umverteilungseffekte zu begrenzen. Dadurch kann eine Grünlandprämie geschaffen werden. Ich hoffe, auch da habe ich Sie auf unserer Seite. Alles andere wäre ja auch absurd, haben wir doch in Baden-Württemberg sehr viele dieser benachteiligten Grünlandstandorte. Ich muss sie hier im Einzelnen gar nicht alle aufzählen.

Langfristig, meine Damen und Herren, kann so die Prämienlandschaft vereinfacht und die Bürokratie abgebaut werden. In zehn Jahren, Herr Minister Stächele – ich denke, das muss unser Ziel sein –, könnten wir so zu einer einheitlichen Flächenprämie kommen. Dann könnten wir eine tatsächliche Marktorientierung der Produktion erreichen. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.

(Abg. Teßmer SPD: Dann macht es aber nicht mehr Herr Stächele!)

Der bisherige Verhandlungsverlauf zeigt, meine Damen und Herren, dass es in Richtung Entkopplung geht, und die Bundesrepublik Deutschland hat inzwischen den Freiraum erreicht, die Prämien, an die Fläche gebunden, nach eigenen Kriterien zu verteilen. Auch das ist ein voller Erfolg für Frau Künast.

Des Weiteren, meine Damen und Herren, geht es darum, die gesellschaftliche Akzeptanz von Agrarsubventionen zu erhöhen, sprich mehr Geld in Umweltprogramme zu geben und mehr Geld für die Landschaftspflege bereitzustellen. Auch da sind wir mit der Modulation einverstanden. Das ist der richtige Weg. Das sichert, dass die Menschen mehr Vertrauen haben, dass erstens gute und sichere Lebensmit

tel produziert werden und dass zweitens die Landschaft, das wichtigste Kapital, das wir in diesem Zusammenhang haben, auch entsprechend gepflegt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Meine Damen und Herren, die Modulation ist aus badenwürttembergischer Sicht der richtige Weg, und ein Widerstand dagegen ist ein Widerstand gegen die Interessen der baden-württembergischen Landwirtschaft.

(Abg. Teßmer SPD: Ideologie!)

Deswegen erwarten wir von Ihnen, dass Sie Frau Künast hier ebenfalls unterstützen.

(Beifall bei den Grünen)

Ein letzter Satz, Frau Präsidentin: Die Bindung der Prämien an die Einhaltung der Standards guter fachlicher Praxis haben wir – das kann ich Ihnen sagen – in der Zwischenzeit so verändert, dass daraus kein bürokratisches Monster entsteht, wie es am Anfang nach dem, was Herr Fischler vorgeschlagen hat, der Fall war. Das ist mittlerweile abgebaut worden. Das ist bei den Verhandlungen erreicht worden. Auch bei diesem Punkt hat die Bundesregierung einen effektiven Beitrag geleistet. Deswegen, Herr Minister, nehmen Sie zur Kenntnis, dass Frau Künast hier auf dem richtigen Weg ist.

Ich kann Ihnen nur sagen: Die dreifache Zerstückelung von Prämien, die Sie in Brüssel vorgeschlagen haben, wird in Brüssel als ein Weg gesehen, noch mehr Bürokratie zu schaffen. Das wäre sicherlich der falsche Weg.

Danke.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Stächele.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Frau Künast ist auf dem richtigen Weg“,