Zu Abschnitt II liegt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/2187, vor.
Ich lasse zuerst über diesen Änderungsantrag abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mehrheitlich angenommen.
Dann lasse ich über Abschnitt II dieses Antrags abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Abschnitt II des Antrags ist mehrheitlich abgelehnt.
Große Anfrage der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung – Gesundheitliche Situation von Frauen in Baden-Württemberg – Drucksache 13/1123
Das Präsidium hat für die Besprechung eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt, und für das Schlusswort eine Redezeit von fünf Minuten festgelegt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gesundheitspolitik ist im Moment ein Dauerbrenner in der politischen Diskussion. Lösungen stehen seit Jahren aus. Es geht dabei vor allem um das Problem, wie wir in Deutschland Gesundheit noch für alle finanzierbar gestalten. In der aktuellen Diskussion geht es um eine Kostendämpfung und darum, welche Standards wir uns leisten können.
Ich habe bei dieser Diskussion zwei Hoffnungen. Die eine besteht darin, dass im Interesse aller, die das Gesundheitssystem in Anspruch nehmen müssen, in Berlin eine Einigung zustande kommt, damit dieses Land wenigstens beim Thema „Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems“ weiterkommt und wir vor größerem Murks bewahrt bleiben.
Ich habe eine zweite Hoffnung zum Gesundheitsmodernisierungsgesetz, das im Moment zur Diskussion steht. Ich hoffe nämlich, dass es so ausgestaltet wird, dass die Frauen nicht auf der Verliererseite stehen, wie wir es ja bei der Rentendiskussion erlebt haben. Die Frauen müssen ja ihre Einbußen bei der Rente mit höheren Beiträgen bezahlen als die Männer, weil sie nach der Berechnung eine höhere Lebenserwartung haben.
Meine Damen und Herren, heute geht es nicht direkt um eine Kostendämpfungsdiskussion, sondern um eine Quali
tätsdiskussion. Wir brauchen eine Gesundheitspolitik mit zielgerichtetem Handeln; denn nur zielgerichtetes Handeln verspricht auch Effizienz. Dazu brauchen wir Wissen. Mittlerweile ist es wissenschaftlich unumstritten, dass Ursache, Gestaltung, Ausprägung und Therapie von Krankheiten geschlechtsspezifisch unterschiedlich sind. Nicht nur die andere biologische Konstitution der Frauen, die unbestritten ist, sondern auch ihre unterschiedlichen Lebenssituationen machen eine unterschiedliche Betrachtung von Krankheitsursachen und -verläufen notwendig. Die Untersuchungen zeigen, dass das medizinische Leitbild immer noch männlich ist. Das ist nicht falsch, hat aber eine gravierende Schlagseite.
Allmählich setzt sich die Einsicht durch, dass wir eine geschlechtsspezifische Gesundheitsforschung brauchen. Wir brauchen nur in die heutigen „Stuttgarter Nachrichten“ hineinzuschauen. Darin findet sich ein großer Artikel, der die Notwendigkeit dieser Gesundheitsforschung unterstreicht. Denn es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass zum Beispiel die Versorgung der Frauen, die einen akuten Herzinfarkt erlitten haben, deswegen nicht so schnell und auch nicht richtig erfolgt, weil sich die Symptome beispielsweise einer koronaren Herzerkrankung bei Frauen zum größten Teil anders gestalten als bei Männern. Auch Medikamente werden zum größten Teil bei Männern ausprobiert, was zur Folge hat, dass die Frauen, die in überwiegendem Maß Medikamente einnehmen, über die Nebenwirkungen dieser Medikamente klagen.
Wie die Bundesregierung im Jahr 2000 hat Baden-Württemberg schon frühzeitig einen Gesundheitsbericht für Frauen erstellt, und das macht Sinn. Dieser Bericht und auch die Antwort auf unsere Große Anfrage, die ja nur auf einige Aspekte der Frauengesundheit eingehen kann, zeigen eine wesentliche Notwendigkeit auf. Daten und Wissen über geschlechtsspezifische Unterschiede sind sehr unvollständig. Viele Fragen können heute noch nicht beantwortet werden. Das heißt, geschlechtsspezifische Forschung muss weiterentwickelt werden, und vorhandene Daten müssen entsprechend aufgearbeitet werden.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass wir natürlich auch Informationen zum Auftreten von Krebserkrankungen brauchen. Brustkrebserkrankungen und Gebärmutterhalskrebserkrankungen sind immerhin die zweithäufigsten Todesursachen bei Frauen.
Natürlich brauchen wir in diesem Zusammenhang, wenn es um Daten geht, ein Krebsregister. Dieses sollte aber aussagekräftig sein. Auch wir bedauern, dass das Register, das aufgebaut werden sollte, so, wie es angedacht war, nicht zum erwünschten Erfolg in der Sache geführt hat. Wir hoffen aber, dass die klinische Tumordokumentation eine bessere Basis abgibt, eine breitere Datengrundlage liefert und vor allen Dingen, was ja dann auch wichtig ist, wissenschaftlich aussagekräftiger ausgestaltet werden kann als das derzeitige Krebsregister, das sich eben nicht bewährt hat.
Das Problem der Daten, gerade im Gesundheitsbereich, ist ein allgemeines Problem. Auf der einen Seite müssen wir uns durch das Problem des Datenschutzes durchlavieren,
und auf der anderen Seite reden wir in vielen Bereichen von Abbau von Statistik, von Abbau von Bürokratie. Wir reden davon, dass Ärzte und Pflegekräfte zu sehr mit der Erstellung von Statistiken und dem Ausfüllen von Formularen beschäftigt sind. Wir werden diese Quadratur des Kreises nicht auflösen können. Wir werden immer die eine gegen die andere Seite abwägen müssen. Aber fest steht: Für eine sinnvolle Gesundheitspolitik brauchen wir weiter gut fundierte Daten.
Insofern begrüßen wir die Beobachtungsgesundheitsämter, die in diesem Land über einen längeren Zeitraum Kinder beobachten. Wir hoffen, dass daraus entsprechende Daten gewonnen werden können.
Was war uns wichtig bei dieser Anfrage? Welche Ergebnisse gilt es zu erwähnen? Zunächst einmal wird festgestellt, dass Frauen und Männer in Baden-Württemberg eine höhere Lebenserwartung als im übrigen Deutschland haben. Ich verkneife mir jetzt, zu sagen, das sei das Verdienst der Landesregierung,
weil ich auch weiß, dass zu viel Lob die Demut nicht fördert. Aber es ist schön festzustellen. Allerdings schneidet die Bundesrepublik insgesamt im OECD-Vergleich, was die Lebenserwartung betrifft, nicht so gut ab. Wir stehen an sechster bzw. siebter Stelle, obwohl wir bei den Ausgaben für das Gesundheitswesen an dritter Stelle der OECD-Länder stehen.
Die Antwort auf die Große Anfrage gibt uns weiterhin Auskunft darüber, dass die Bereitschaft bei den Frauen, an Vorsorgeuntersuchungen, insbesondere an der Schwangerenvorsorgeuntersuchung, teilzunehmen, in den letzten Jahren gestiegen ist. Das heißt, Frauen sind gesundheitsbewusster als Männer. Sie gehen zu Vorsorgeuntersuchungen, achten auf Signale ihres Körpers, sie sind der Prävention gegenüber aufgeschlossen.
Gesundheitspolitik der Zukunft muss schwerpunktmäßig Prävention beinhalten. Darüber sind wir uns einig. Zumindest bei den Frauen kann hier viel Effizienz erreicht werden. Sie können ja auch den Männern ein Beispiel geben, die dann dem guten Weg folgen können.
Allerdings sollte dieser Bereich auch nicht einer Zentralität des Bundes unterworfen werden – ich spreche hier vom geplanten Präventionsfonds –, sondern sollte Prävention vor Ort gestaltet, das heißt den Ländern überlassen werden. Vor Ort kennt man die Leute immer besser und weiß, wie man sie ansprechen kann.
Der dritte Punkt, der uns bei dieser Anfrage wichtig war: dass Schwangerenvorsorgeuntersuchungen zwar häufiger wahrgenommen werden und die Kinder in Baden-Württemberg relativ gesund auf die Welt kommen, dass aber die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zunimmt und diese vor
allem bei Frauen durchgeführt werden, die schon mehrere Kinder haben und sich ein weiteres Kind nicht zutrauen.
Wir werden auch darüber informiert, dass Einweisungsindikationen bei Einrichtungen des Müttergenesungswerks zu 74 % als Erschöpfungssyndrome dargestellt werden. Wir sollten ein besonderes Augenmerk unserer Politik hierauf richten. Denn die Lebensumstände bestimmen im Wesentlichen, wie die Frauen Familie, Kindererziehung und Beruf leisten können und ob sie sich in diesen Lebensumständen Kinder zutrauen.
Die Ergebnisse einer Studie über die Lebenserwartung erwerbstätiger Frauen bestätigen, dass der Erwerbsstatus der Frauen, die damit verbundenen Lebensumstände und die Gesundheit eng zusammenhängen. In diesem Zusammenhang ist die Politik gefordert. Wir müssen Rahmenbedingungen für Frauen, die Kinder haben wollen und haben, schaffen mit dem Konzept „Kinderfreundliches Ulm“
„Kinderfreundliches Baden-Württemberg“. Ulm ist halt die Perle Baden-Württembergs. Entschuldigen Sie bitte diesen Lapsus.
Was die Krebserkrankungen betrifft, sinkt die Sterblichkeit. Die Sterblichkeitsquote aufgrund von Brustkrebs liegt in Baden-Württemberg unterhalb der anderer westdeutscher Länder. Hier war Baden-Württemberg wegweisend mit einer Bundesratsinitiative und sind wir auf einem guten Weg, den Frauen auch die Mammographie flächendeckend anzubieten.
Besonders aufhorchen lässt uns die neue Meldung von heute, dass der Suchtmittelgebrauch besonders bei jungen Frauen steigt. Wir haben auch eine erschreckende Zunahme von Essstörungen festzustellen. Die betreffenden Personen müssen dann in die Drogenberatung aufgenommen werden. Als Hinweis auch für die Politik: Wir müssen uns um die jungen Frauen besonders kümmern.
Meine Damen und Herren, es steht fest, dass in vielen Bereichen eine geschlechtsspezifische Forschung fehlt, dass wir Daten brauchen. Es steht aber auch fest, dass es Ansätze einer zunehmenden geschlechtsdifferenzierten Betrachtung von Vorsorge und Krankheit gibt und diese zunehmend Beachtung findet. Die Maßstäbe einer guten Versorgung sind zwar nicht an das Geschlecht gebunden, aber die Effizienz der Versorgung kann durch geschlechtsspezifische Betrachtungsweisen gesteigert werden.
Diese Ansätze gilt es fortzuführen. Wir sind hier zwar nicht am Anfang, stehen aber doch vor einem langen Lernprozess, der von der Politik gefördert werden muss. Dies wird umso einfacher gelingen, je schneller die Fragen der Finanzierung unseres Gesundheitssystems tragfähig beantwortet werden, und es wird umso schneller durch eine vernünftige Politik des Wachstums und der Beschäftigung in Berlin gelingen, eine Politik, die uns wieder finanzielle Grundlagen bieten sollte, die manches Sinnvolle und Wünschenswerte wieder finanzierbar und durchsetzbar macht und uns auch
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine wissenschaftlich viel belegte Tatsache, dass es in der Wahrnehmung und im Umgang mit Krankheiten ganz erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede gibt – Frau Stolz hat es schon angedeutet – und dass solche Unterschiede keinesfalls nur Schwangerschaft, Geburt usw. betreffen, sondern eben auch Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und des Skelettsystems. Aber auch psychische Erkrankungen sind bei Frauen anders und häufiger anzutreffen als bei Männern. Dass Frauen mit einem Herzinfarkt häufiger sterben, bevor sie in eine Klinik eingeliefert werden, muss uns alle nachdenklich machen. Wir müssen uns sehr schnell etwas überlegen, damit solche Fakten auch in der Öffentlichkeit bekannt werden.
Die Gesundheit von Frauen wird in vielfältiger Weise aber auch durch Gewalt und Misshandlungen beeinträchtigt. Das reicht von akuten Verletzungen bis hin zu aus Gewalterfahrungen resultierenden chronischen körperlichen und psychischen Beschwerden.