Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung – Sicherheit im Straßenverkehr – Drucksache 13/1173
Das Präsidium hat eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion für die Aussprache und von fünf Minuten für das Schlusswort festgelegt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Ministerium für Umwelt und Verkehr hat unsere Fragen ausführlich, sehr informativ und mit Engagement beantwortet. Dafür bedanken wir uns. Es wird offenkundig, dass die Landesregierung auf dem Feld der Verkehrssicherheit sehr aktiv ist, wobei die Erfolge der Aktion „Gib Acht im Verkehr“ besonders hervorzuheben sind.
Gleichwohl gibt es weiteren Handlungsbedarf. Laufende Maßnahmen bedürfen da und dort einer Intensivierung oder einer Auffrischung, und auch bei engem Finanzrahmen muss überlegt werden, wo neue Aktivitäten notwendig sind.
Grundlegend wichtig ist die Erkenntnis, dass Defizite bei verantwortungsbewusster Teilnahme am Straßenverkehr, also da, wo Fehler gemacht werden, in der Regel nicht davon abhängig sind, ob jemand das Wissen über richtiges Verhalten hat und ob er die Verkehrsregeln kennt. Nein, wir kennen das alle aus der täglichen Erfahrung: Ausschlaggebend ist vielmehr die Einsicht in die Regelung und damit auch die Akzeptanz. Insoweit haben Menschen, die zum Beispiel Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Überholverbote anordnen, eine gewisse Verpflichtung, damit nicht durch überzogene oder zu häufige Einschränkungen und Vorschriften die Akzeptanz sinkt oder der Reiz zum Übertreten größer wird.
Hinzu kommt, dass sich in den letzten 50 Jahren eine generelle Änderung der Haltung gegenüber obrigkeitlichen Anordnungen entwickelt hat. Einerseits ist es natürlich richtig, wenn wir junge Menschen dazu erziehen, dass sie nicht einfach etwas tun, nur weil andere das mit entsprechendem Nachdruck von ihnen verlangen. Es muss aber auch eine Aufgabe der Wertevermittlung sein, dass unsere Gesellschaft ohne einen gewissen Grundbestand an Regeln für das Zusammenleben nicht funktionieren kann und dass gerade im Bereich des Straßenverkehrs die Nichteinhaltung von Regeln tödlich sein kann, eine letztlich für Täter wie für Opfer nicht akzeptable Situation.
Insoweit kommt gerade der Verkehrserziehung durch unsere Polizei, durch Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer und einer Stärkung des Verantwortungsbewusstseins von uns allen eine besondere Bedeutung zu.
Ich will Ihnen und mir zu dieser späten Stunde eine Einzelanalyse der in der Drucksache ausführlich dargestellten Trends und Entwicklungen ersparen. Wer sich dafür interessiert, kann das selber nachlesen.
Aber einige wenige Bereiche will ich doch herausgreifen, zum Beispiel den Bereich Lastkraftwagen. Es geht hier zum einen um die Verkehrssicherheit der Fahrzeuge, insbesondere von im Ausland zugelassenen Fahrzeugen, und um die Einhaltung von Lenkzeiten. Und immer mehr haben wir in
letzter Zeit auch Probleme – man hört es ja in den Verkehrsnachrichten – mit ungesicherter Ladung, damit, dass plötzlich irgendwelche Teile auf der Fahrbahn liegen, was, wie wir alle wissen, sehr gefährlich werden kann.
Das nächste Stichwort heißt „rasende Kurier- und Kleintransporter“. Der generelle Zeitdruck durch wirtschaftliche Zwänge führt viel zu oft dazu, dass diese Fahrzeuge im Mittelbereich zwischen Pkw und Lkw, die eigentlich sehr wendig sind, aber halt doch nicht so schnell abgebremst werden können, unverantwortlich genutzt werden.
Nur am Rande: Auch Straßenbau zur Vermeidung der dichtesten Stauräume könnte ein wichtiger Schritt sein, damit solcher Zeitdruck nicht allzu oft entsteht.
Ein weiterer Punkt sind die sich in letzter Zeit häufenden Busunfälle, wobei alle Statistiken deutlich belegen, auch wenn es im Moment so aussieht, als ob Busfahren gefährlicher geworden sei: Der Bus ist nach wie vor das bei weitem sicherste Verkehrsmittel.
Wir sollten aber die Hinweise, wie sie zum Beispiel der WBO vorbringt, beachten und strengere Anforderungen an die Ausbildung der Busfahrer stellen sowie ein regelmäßiges Sicherheitstraining anregen, wie es auch der ADAC vorschlägt.
Als ordnungsrechtliche Maßnahmen sind zu erwähnen: die Gurtpflicht für Busfahrgäste in Reisebussen – die muss so selbstverständlich werden wie im Flugzeug –, die Überprüfung bestehender Sicherheitsvorschriften,
was Lenkzeiten und Wartungsfristen für die Fahrzeuge betrifft – es gibt ja eine WBO-Forderung nach einem freiwilligen Sicherheitszertifikat –, aber auch verschärfte Kontrollen, wie sie in Hessen und Brandenburg erfolgreich durchgeführt werden, vor allem bezüglich Lenkzeiten und Geschwindigkeit. Das ist, da es von der Polizei durchzuführen ist, Ländersache; dafür sind wir zuständig.
An die Technik geht die Frage: Inwieweit kann man, wie beim Pkw, zum Beispiel auch elektronische Stabilisatoren einbauen, um Schleudern zu vermeiden? Das ist eine Problematik, die insbesondere bei Doppelstockbussen in letzter Zeit deutlich wird, die offensichtlich sehr viel schwerer zu handhaben sind.
Zu Ersterem frage ich das Ministerium: Wie ist denn nun der Stand zum begleiteten Fahren? Begleitetes Fahren heißt, dass man schon mit 17 Jahren fahren darf, wie es in der Schweiz und in den USA seit vielen Jahren üblich ist.
Man hat eine Kennzeichnung am Fahrzeug – zum Beispiel ein „L“ –, und es muss ein erfahrener Fahrer den jungen Fahrer begleiten.
Wie steht es mit dem Modellversuch „Zweite Fahrschulausbildung“ und der Möglichkeit, hierdurch die Probezeit zu verkürzen? Die FDP hält beide Möglichkeiten für geeignet, aber es sollte sich endlich etwas bewegen.
Zur zweiten Thematik, die ich gerade angesprochen habe: Ich will eine Lanze für ältere Fahrer brechen. Sie sind relativ selten an schweren Unfällen beteiligt. Vor allem fahren sie in der Regel sehr verantwortungsbewusst und kennen ihre Grenzen. Das Abgeben des Führerscheins hat allerdings etwas mit Menschenwürde zu tun. Ich kenne viele Menschen, die zwar nicht mehr fahren, weil sie wissen, dass sie nicht mehr unbedingt fahrtüchtig sind, die sich aber schwer gekränkt fühlen würden, wenn man sie auffordern würde, ihren Führerschein abzugeben. Das sollte von all denen bedacht werden, die hier zum Teil rigorose Forderungen aufstellen.
Dass auch Straßeninfrastruktur und Verkehrstechnik einen Einfluss auf die Verkehrssicherheit haben, soll nicht unerwähnt bleiben. Ein besonderes Thema sind die Straßentunnel. Bei der aktuellen Debatte zum neuen Bundesverkehrswegeplan gibt es hier noch einiges zu tun.
Ebenso sind Fahrzeugtechnik und Verkehrsmanagement zu nennen. Da erbitte ich vom Ministerium noch eine Antwort auf den zweiten Teil unserer Frage zum Stand der Entwicklung bei der Fahrerassistenz, nämlich was das Land zur Beschleunigung der technischen Entwicklung auf diesem Gebiet tun kann.
Zum Schluss meines ersten Teils habe ich noch eine weitere Frage: Warum wurde denn erst für 2006 eine Streckenbeeinflussungsanlage auf der A 8 zwischen dem Leonberger Dreieck und der Anschlussstelle Esslingen beim Bund angemeldet? Das ist doch wirklich ein ganz stark frequentierter BAB-Abschnitt, auf dem man eine solche Anlage so schnell wie möglich bräuchte.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP – Abg. Nagel SPD zu CDU und FDP/DVP: Seid nicht so laut, ihr weckt sonst das ganze Parlament auf!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als ich das Thema gelesen und mich damit befasst habe, habe ich zunächst einmal an die Kolleginnen und Kollegen unseres Sozialausschusses gedacht. Wir wurden nämlich kürzlich in der deutschen Botschaft in Ungarn empfangen, und dort hat uns der Gesandte von der Abwicklung des scheußlichen Busunfalls in Ungarn erzählt. Als ich wieder nach Hause kam und die Zeitung aufgeschlagen habe, las ich darin von einem Busunglück in Frankreich und von einem Bericht der Stuttgarter Polizei, in dem stand:
sechs Busse kontrolliert, sechs Busse beanstandet – gravierende Mängel. Nun hat die Kollegin Berroth zu Recht gesagt, die Busse seien nach wie vor das sicherste Verkehrsmittel. Was mich in diesem Zusammenhang viel mehr erschüttert, ist die Tatsache, meine Damen und Herren, dass tagtäglich in all unseren Wahlkreisen in jeder Zeitung und in jedem Polizeibericht von Unfällen mit Verletzten berichtet wird und das keinen Menschen mehr interessiert.
Deshalb meine ich: Wir müssen umdenken. Auch ich finde die Anfrage der FDP/DVP-Fraktion zu diesem Thema gut. Wir begrüßen sie, auch wenn Sie in der Begründung geschrieben haben, Frau Berroth, der FDP/DVP liege die größtmögliche Sicherheit am Herzen. Ein kleines bisschen müssen wir bei diesem Thema auch über die Finanzen nachdenken.
Was mich aber bewegt, meine Damen und Herren, ist: Das Klima auf unseren Straßen muss verbessert werden. Es ist manchmal schon erschreckend, mit welcher Aggressivität Verkehrsteilnehmer miteinander umgehen. Stellen Sie sich nur einmal an eine Kreuzung, und warten Sie, bis bei einem Auto der Motor abstirbt. Bruchteile von Sekunden später kommt es zu einem Hupkonzert und erleben Sie Aggressivität hinter dem Lenkrad. Und dann wundern wir uns noch, wenn immer mehr Unfälle passieren.
Tatsache ist aber auch: Die Mobilität nimmt zu. Es ist ein Irrglaube, dass sie zurückgehen wird. Schauen wir uns nur die demographische Entwicklung an. Wir werden alle älter, und wir wollen natürlich auch alle so lange wie möglich mobil sein und fahren. Darauf komme ich noch zu sprechen.
Erstens: Notwendig ist der Bau von Ortsumgehungen. Sie dienen der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in unseren Ortschaften und damit auch dem Schutz der Fußgänger, nicht zuletzt der Schüler auf ihren Schulwegen. Die Zahl der tödlichen Unfälle mit Beteiligung von Fußgängern hat immerhin um 5,6 % zugenommen.
Notwendig ist aber auch der Bau von Radwegen. Zwar ärgere auch ich mich manchmal furchtbar über die Radfahrer, Kollege Palmer. Das tue ich aber nicht deswegen, weil sie Rad fahren – das ist ja begrüßenswert –, sondern weil wir für viel Geld Radwege bauen und manche Radfahrer auch dann auf der Straße fahren, wenn daneben ein Radweg verläuft.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Weil der immer im Nichts endet! – Gegenruf der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP: Stimmt doch nicht! – Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Oder weil er dann zugeparkt ist! – Unruhe)
Wir brauchen weiter einen konsequenten Ausbau von Straßen, und zwar angepasst an das Straßennetz und an die Anforderungen zur Vermeidung von Staus auf unseren Straßen. Staus sind nämlich mit ein Faktor, der zu Aggressivität führt.
Wir brauchen einen den heutigen Fahrzeugen angepassten Ausbau unserer Autobahnen. Sie wissen ja alle, wie alt unsere Autobahnen sind, in welchem Zustand sie sich zum Teil befinden und in welcher Zeit sie gebaut wurden. Damals haben sich noch andere Fahrzeuge darauf bewegt als heute.