Zu unserem Abstimmungsverhalten: Wenn Sie heute Morgen die Zeitung gelesen haben, dann wissen Sie ja zumindest, wie der Kollege Herrmann abstimmen will. Dem einen oder anderen Kollegen wird es auch so gehen. Wir tragen den Gesetzentwurf aber unter dem Strich halt mit.
(Abg. Fischer SPD: Ich schließe mich dem Kolle- gen Heinz an! – Unruhe – Abg. Pfister FDP/DVP: Jetzt seid einmal ruhig!)
Dieser Gesetzentwurf bringt eine kleine, aber aus unserer Sicht wichtige Änderung des Kreistagswahlrechts.
Wir haben bereits beim geltenden Kreistagswahlrecht eine Kombination von Listenwahlrecht und Persönlichkeitswahlrecht. Dabei entscheiden über die Sitzvergabe bei der Kreistagswahl die für die gesamte Liste abgegebenen Stimmen. Insofern ist es in der Tat heute eine leichte Beeinträchtigung der Chancengleichheit beim Start, wenn es in bestimmten Landkreisen einer Gruppierung, einer Wählergruppierung, einer Wählervereinigung oder einer Partei aus unterschiedlichsten Gründen nicht oder nicht mehr gelingt, in allen Wahlkreisen eine Liste aufzustellen. Dies bedeutet, dass dann die Wählerinnen und Wähler in diesem Wahlkreis,
obwohl sie in diesem Wahlkreis diese Wählergruppierung wählen wollen, diese nicht wählen dürfen oder können.
(Abg. Drexler SPD: Die wollen doch die Personen wählen! Das ist ja das Letzte! – Abg. Capezzuto SPD: Ihr müsst euch halt klonen!)
Auch nach der Änderung des Kreistagswahlrechts in dem beantragten Sinne bleibt die letztendliche Entscheidung beim Wähler vor Ort, und – das ist das Entscheidende – diese Chancengleichheit ist auch ein Thema beim Landtagswahlrecht. Hier gibt es eine analoge Regelung.
Um die Chancengleichheit beim Start sicherzustellen, wurde den kleineren Gruppierungen die Möglichkeit eingeräumt, dass sich Bewerber in zwei Wahlkreisen bewerben können.
(Abg. Birzele SPD: Aber die müssen überhaupt nicht im Wahlkreis wohnen, weder da noch dort! Herr Erbe hat weder in Stuttgart noch in Göp- pingen gewohnt!)
Entschuldigung, das ist richtig, aber nach dem Landtagswahlrecht sollten sie im Land Baden-Württemberg wohnen.
Die Bewerber müssen im Landkreis wohnen. Deshalb funktioniert es natürlich schon wieder. Dann können sie sich in zwei Wahlkreisen bewerben oder auch nur in einem anderen als in dem, in dem sie wohnen, weil viele Menschen heute ihren Lebensschwerpunkt ganz woanders haben, nämlich da, wo sie arbeiten, obwohl sie vielleicht in einer anderen Kreisgemeinde wohnen.
Abschließend zur Begründung, meine Damen und Herren. Die Wählerinnen und Wähler haben ja auch nach dieser Änderung des Kreistagswahlrechts das Wort. Ich sage nur süffisant: Entweder ist es eine Kleinigkeit, die ein Stück weit Chancengleichheit herbeiführt,
wie wir es sehen – wir sind auch dankbar, dass uns der Koalitionspartner in dieser Frage unterstützt –, oder aber es ist doch keine solche Kleinigkeit.
(Lachen bei der SPD – Abg. Fischer SPD: Das hat aber Herr Heinz nicht so arg gesagt! – Abg. Drex- ler SPD: Man biegt ein Wahlrecht zugunsten der FDP/DVP! – Weitere Zurufe und große Unruhe)
Herr Präsident, wenn die Kolleginnen und Kollegen zur Ruhe kommen, bin ich gerne bereit, diesen Punkt zu erklären; aber sie sind wohl nicht bereit, das Argument zu hören und sachlich über diese Frage zu diskutieren.
Wenn aber diese lautstarke Kritik darauf hindeutet, dass es doch eine stärkere Veränderung der Wahlchancen ist, dann wäre die Änderung umso mehr ein Argument für mehr Chancengleichheit;
denn die Chancengleichheit muss am Start gewährleistet werden. Hinterher entscheidet doch der Wähler. Der kann dann sagen, ob er den Bewerber in dem Wahlkreis wählen möchte oder nicht.
Ich habe Vertrauen in die Wählerinnen und Wähler. Sie werden anschließend entscheiden, ob sie einen Bewerber aus einem anderen Wahlbezirk wählen wollen oder nicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf von CDU und FDP/ DVP zur Änderung des Kreistagswahlrechts ist schlicht ein Ärgernis.
Einmal mehr müssen wir uns mit den Auswirkungen eines Kuhhandels zwischen den Regierungsfraktionen befassen.
Diese Geschäfte auf Gegenseitigkeit machen jetzt auch vor bestehenden sinnvollen Gesetzen nicht mehr Halt; sie werden zurechtgebogen.
Vor wenigen Wochen haben wir im Rahmen der Zusammenlegung der Kommunalwahlen mit den Europawahlen und der damit verbundenen parlamentarischen Beratung überfallartig eine Veränderung der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg von der CDU präsentiert bekommen: die „Lex Föll“. Damit wurde der Weg dafür frei gemacht, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU im Stuttgarter Gemeinderat, Herr Föll, Finanzbürgermeister werden kann.
Nun haben wir die Gegenrechnung der FDP/DVP vorliegen, die zukünftig von einer Änderung des Kreistagswahlrechts profitieren will.
Es soll nun möglich werden, dass ein Kandidat bzw. eine Kandidatin in zwei Wahlkreisen eines Landkreises kandidiert. Neben der Ärgerlichkeit dieses Vorhabens kommt nun auch noch ein gerüttelt Maß an Peinlichkeit hinzu. Es gab nämlich zunächst einen Gesetzentwurf der Fraktion der FDP/DVP, in dessen Begründung – wohl in einem Anfall von Ehrlichkeit – die Nachteile der gewollten Veränderung aufgezeigt wurden und das Eigeninteresse der FDP/DVP dargestellt wurde.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Wieser CDU: Gell, Sie fühlen sich jetzt richtig wohl!)
Diese Nachteile und die Durchbrechung der Wahlsystematik sollen jedoch hingenommen werden, um zu erreichen, dass insbesondere kleinere Parteien und Wählervereinigungen mit geringeren Bewerberzahlen größere Stimmenzahlen und damit größere Sitzanteile erreichen können.