Protokoll der Sitzung vom 16.07.2003

Von den bislang 94 meisterpflichtigen Berufen sollen noch ganze 32 in Anlage A verbleiben.

(Abg. Capezzuto SPD: Das reicht! – Abg. Schmie- del SPD: Das reicht völlig!)

Dies ist ein massiver Kahlschlag beim Meisterbrief, und diesen Kahlschlag, Herr Capezzuto, lehnen wir ab.

Das Problem des Handwerks – das muss deutlich gesagt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren – ist nicht der Meisterbrief, sondern eine falsche Wirtschaftspolitik von Rot-Grün.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Minis- ter Dr. Döring: Genau! – Widerspruch bei der SPD – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das hat aber lange gedauert!)

Dass Ihnen von Rot-Grün das unangenehm ist, ist mir klar. Aber das ist die Realität.

(Minister Dr. Döring: So ist es!)

Die Einsortierung allein nach dem Kriterium der Gefahrengeneigtheit greift entschieden zu kurz. Sie ist zum einen teilweise nicht nachvollziehbar, ja geradezu willkürlich. Vor allem aber lässt sie die große Ausbildungsleistung des deutschen Handwerks außer Betracht. Wer in 65 Berufsbildern den Meisterbrief als Zugangsvoraussetzung für die selbstständige Betriebsführung abschafft, der muss wissen – und jetzt folgt die Antwort auf das gerade geäußerte Warum –, dass er damit auch die Zahl derjenigen, die in diesem Berufsbild ausbilden dürfen, drastisch reduziert.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, keine Zwischenfrage. Die Zeit reicht mir sonst nicht.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Herr Fleischer, das hätte ich nicht von Ihnen erwartet!)

Bislang war mit dem Meisterbrief automatisch die Ausbildungsberechtigung verbunden. Macht sich künftig jemand in einem dieser Gewerbe selbstständig, ohne Meister zu sein, so muss er, um ausbilden zu können, eine zusätzliche Prüfung ablegen. Wer wird diese Hürde freiwillig, meine sehr verehrten Damen und Herren, überspringen,

(Abg. Schmiedel SPD: Österreich liefert das Ge- genbeispiel!)

wenn es ihm darauf ankommt, sich möglichst rasch und ohne großen Befähigungsnachweis selbstständig zu machen?

(Abg. Nagel SPD: Er liest wörtlich ab!)

Die neuesten Zahlen des Handwerks in Baden-Württemberg beweisen, dass bereits die Art der Diskussion dazu geführt hat, dass die Bereitschaft zur Ausbildung um 7 bis 8 % zurückgegangen ist. Das sollte selbst Sie zum Nachdenken bringen.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Also ich bitte Sie! Wie können Sie denn das belegen, Herr Fleischer?)

Das Handwerk, besser gesagt, die Handwerksmeister bilden bisher weit über den eigenen Bedarf bei uns aus

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Lassen Sie doch meine Frage zu?)

und leisten damit einen wichtigen Beitrag für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie können doch nach der Frage weiterreden!)

Aber wer wird, frage ich, noch über Bedarf ausbilden, wenn der „frisch gebackene“ Geselle zukünftig jederzeit und ohne Meisterbrief einen Konkurrenzbetrieb an der nächsten Ecke eröffnen darf?

(Abg. Capezzuto SPD: Nach fünf Jahren und zehn Jahren!)

Nein, nein, das ist ein anderes Thema.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Eine Abschaffung der Meisterpflicht in den Berufen, die in hohem Maße zur Ausbildung unserer jungen Menschen beitragen, ist daher abzulehnen. Die zusätzlichen Vorschläge der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wonach der Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter wie zum Beispiel der Umweltschutz und der Verbraucherschutz als weitere Kriterien zur Gefahrengeneigtheit herangezogen werden sollten, sind erörterungswürdig. Dies sollte bei den weiteren Diskussionen auch im Bundesrat beachtet werden.

Der zweite – damit komme ich zum Schluss – herausragende Baustein der rot-grünen Reformschläge

(Abg. Capezzuto SPD: Na, na!)

ja, es sind auch Schläge –,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Freud lässt grüßen!)

Reformvorschläge ist die so genannte kleine Handwerksnovelle, die in einem gesonderten Gesetzentwurf vorsieht, eine gesetzliche Definition einfacher Tätigkeiten einzuführen,

(Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut!)

nämlich dann, wenn sie in einem Zeitraum von zwei bis drei Monaten erlernbar sind. Es gibt nichts, was, wenn es entsprechend aufgeteilt wird, im Handwerk nicht in zwei bis drei Monaten erlernbar wäre. Also wäre das eine Atomisierung und eine Unterhöhlung des Meisterbriefs, ein Unterlaufen à la longue gesehen, und muss deshalb von uns abgelehnt werden.

Zusammenfassend: Es sind einige richtige Ansätze vorhanden, die man auch weiterverfolgen sollte. Aber bei den entscheidenden tragenden Bausteinen dieser rot-grünen Vorschläge finden Sie unsere erklärte Gegnerschaft und unsere erklärte Ablehnung.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Schmiedel SPD: Nicht regie- rungsfähig, die CDU!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Capezzuto.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Fleischer, ich habe natürlich Verständnis für Ihre Haltung, aber wenn Sie mir

nun wenigstens ein Ohr leihen, dann werde ich versuchen, Sie vom Gegenteil zu überzeugen.

(Abg. Fleischer CDU: Sie können wählen!)

Das linke wäre mir lieber.

(Abg. Seimetz CDU: Da wäre Herr Fleischer schön dumm, wenn er dir ein Ohr leihen würde!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir müssen in der Tat feststellen, dass eine Reform des Handwerks – das haben Sie selbst gesagt, Herr Kollege Fleischer – aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit und im Hinblick auf eine zunehmende Öffnung des Europäischen Binnenmarkts notwendig ist. Das bestreitet inzwischen auch aus Ihren Reihen kaum mehr jemand. Denn nur durch eine wirkungsvolle Reform, wie wir sie vorschlagen,

(Abg. Fleischer CDU: Nicht Reform, Ergänzung!)

werden wir mehr Existenzgründer bekommen und Arbeitsplätze sichern und auch neue Arbeitsplätze schaffen können.

(Beifall der Abg. Schmiedel und Wintruff SPD – Abg. Fleischer CDU: Sie müssen mehr Arbeit schaffen! Das ist der Drehflügeleffekt!)

Herr Kollege Fleischer, Gott sei Dank ist das nicht nur die Meinung der Sozialdemokraten. Zum Beispiel sagt der Leiter des Bereichs Industrieökonomik am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Georg Licht – ich zitiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin –

(Abg. Döpper CDU: Wie heißt der?)

hören Sie doch zu, dann lernen Sie etwas –:

Es entstehen mit Sicherheit Arbeitsplätze durch das Abschaffen der Meisterprüfung für Betriebsgründungen.