Protokoll der Sitzung vom 17.07.2003

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 49. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Krank sind heute gemeldet die Herren Abg. Rudolf Hausmann, Jürgen Hofer und Wolfgang Staiger.

Dienstlich verhindert sind Herr Minister Dr. Repnik und – heute Vormittag – Herr Minister Müller sowie Herr Minister Professor Dr. Frankenberg.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Regierungserklärung – Landesmesse Baden-Württemberg – und Aussprache

Für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von zehn Minuten festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort zur Regierungserklärung erteile ich Herrn Minister Dr. Döring.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen mit der heutigen Erklärung zur Landesmesse Baden-Württemberg eine Zwischenbilanz ziehen. Wir wollen deutlich machen, wo wir stehen, wo wir bezüglich der Messe hinwollen, warum die Landesmesse BadenWürttemberg für das Land, für den Wirtschaftsstandort, für die Menschen in der Region und im ganzen Land von herausragender Bedeutung ist.

Es ist überhaupt keine Frage, dass es richtig war, dass dieses hohe Haus am 10. Dezember 1998 das Landesmessegesetz beschlossen hat.

Wir wollen mit dem Bau der Landesmesse erreichen, dass wir im internationalen Messe- und Ausstellungswesen sowie im Kongress- und Tagungswesen mithalten können. Wir wollen die Wirtschaftskraft des Landes Baden-Württemberg zum Ausdruck bringen. Wir wollen ein Schaufenster in die Welt schaffen.

Der Export ist das Rückgrat der baden-württembergischen Wirtschaft. Mit ihm steht und fällt unser Wohlstand. Wenn die Exporte der deutschen Wirtschaft, wie im April dieses Jahres, um 3,5 % unter dem Vorjahresniveau liegen, ist dies für uns ein Warnsignal. Wir brauchen in Baden-Württemberg ohne jede Frage einen international ausgerichteten, einen leistungsfähigen Messeplatz. Wir wollen diese Zielsetzung weiterhin positiv begleiten und realisieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt ja bis in die jüngste Zeit hinein verschiedene Äußerungen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob dieser Messeplatz notwendig sei und ob es nicht schon zu viele Messeplätze gebe. Wenn wir uns die Zahlen anschauen, dann sehen wir, dass die Messekapazitäten im Land Baden-Württemberg unzureichend sind. Unser Land verfügt nur über Bruttohallenflächen von rund 200 000 Quadratmetern, Bayern hat nahezu 400 000 Quadratmeter, Hessen 400 000 Quadratmeter, Niedersachsen 500 000 Quadratmeter und Nordrhein-Westfalen nahezu 700 000 Quadratmeter.

Meine Damen und Herren, es kann nicht sein, dass das exportstärkste Land, dass dieses wirtschaftsstarke Land Baden-Württemberg bezüglich der zur Verfügung stehenden Kapazitäten bei den Messeplätzen so weit hinten rangiert. Wir brauchen diese neue Landesmesse.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir haben andere Vergleichszahlen, die das ebenfalls unterstreichen: Auf 1 Milliarde € Bruttoinlandsprodukt kommen in Niedersachsen 2 800 Quadratmeter, in Hessen 1 800 Quadratmeter, in Nordrhein-Westfalen 1 500 Quadratmeter, in Bayern 1 100 Quadratmeter und bei uns 674 Quadratmeter Hallenfläche. Dies ist für Baden-Württemberg zu wenig. Wir sind es auch der Wirtschaft unseres Landes schuldig, einen international tauglichen, einen international präsentablen und wettbewerbsfähigen Messestandort zu präsentieren.

Natürlich haben wir unser Augenmerk nicht ausschließlich auf die Landesmesse Stuttgart fokussiert. Sie wissen, dass wir in den vergangenen Jahren mit breiter Unterstützung in Friedrichshafen, in Karlsruhe, wie wir meinen, ausgesprochen gelungene Messeplätze vorangebracht haben,

(Abg. Fischer SPD: Na ja! EnBW, was jetzt nicht mehr funktioniert!)

sodass wir mit Sicherheit regional, national und in Teilen auch international wettbewerbsfähige Standorte haben und die Standorte in Friedrichshafen und Karlsruhe auch genutzt werden. Deswegen ist klar, dass die Landesmesse eine komplementäre, keinesfalls aber eine substituierende Funktion zu den bestehenden Messen in Friedrichshafen und Karlsruhe einnehmen soll.

Entscheidend wichtig ist, wenn wir uns mit dem Standort in Stuttgart befassen, dass der Killesberg – das ist die Realität – seit Jahren zu klein ist. Er hat eine nicht erweiterungsfähige innerstädtische Lage, unmittelbar angrenzende Wohnbe

(Minister Dr. Döring)

bauung und völlig unzureichende Verkehrserschließungsmöglichkeiten. Deswegen ist er für eine international ausgerichtete Messe nicht geeignet.

Wir haben, meine Damen und Herren – das ist mit das Entscheidende –, die Verpflichtung, etwas zu tun im Zusammenhang mit der Messe, mit dem Messestandort BadenWürttemberg, weil wir nicht tatenlos zusehen dürfen, wie wir ständig länger werdende Wartelisten haben, wie wir Aussteller, die gerne zu uns kommen wollen, abweisen müssen.

Ich will Ihnen einige Beispiele nennen: Gerade vor dem Hintergrund, dass wir bei der AMB 200 Aussteller, bei R+T 130 Aussteller, bei der CMT – eine ausgesprochen wichtige, bedeutende Messe – 300 Aussteller, bei der INTERVITIS/ INTERFRUCTA 100 Aussteller, bei der INTERGASTRA 50 Aussteller nicht bei uns ausstellen lassen können, ist es unabdingbar, die notwendigen Kapazitäten zu schaffen, damit diejenigen, die die Messe bei uns beschicken wollen, dies auch tatsächlich können.

Es wäre fahrlässig, es wäre verantwortungslos, hier tatenlos zuzusehen. Die Landesregierung schaut nicht tatenlos zu, sondern sie handelt. Sie ist sich darüber im Klaren, dass wir mit dem Killesberg nicht zu einem gerade mal regionalen Messestandort absteigen dürfen. Wir wollen international aufsteigen, wir wollen diejenigen, die hier als Aussteller auftreten wollen, willkommen heißen. Dafür müssen wir Platz schaffen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Es ist auch so, dass wir auf der einen Seite diese mittlerweile große Zahl von Ausstellern haben, denen wir keinen Platz anbieten können, und daneben bereits feststellen müssen, dass wir Messen verlieren. Es kann doch nicht wahr sein, dass wir zuschauen, wie wir auf der einen Seite – um es noch einmal zu sagen – einer Vielzahl von Ausstellern gar keinen Platz geben können, auf der anderen Seite aber auch Ausstellungen haben – Wandermessen, DACH+WAND, Bildungsmesse Interschul/Didacta, InterShow, IDS, DIMA, viele andere mehr –, die wir bei uns nicht annehmen können, die aufgrund von räumlichen oder terminlichen Engpässen abgewandert sind.

Es ist in diesem Zusammenhang auch mit ein Beleg für den Bedarf, wenn wir feststellen, dass die Stuttgarter, gemessen am Umsatz, den siebten Platz im nationalen Ranking an Nürnberg abgeben mussten und auf Platz acht abgerutscht sind. Da schauen wir nicht tatenlos zu.

Ich bin sehr froh darüber, dass wir bis in diese Tage hinein Unterstützung aus der Wirtschaft bekommen. Ich zitiere den Präsidenten der IHK Region Stuttgart, Dr. Günter Baumann:

Die Landesmesse am Stuttgarter Flughafen wird die Position des Landes Baden-Württemberg und der Region Stuttgart, die Identifikation mit unserem Standort und die überregionale Wahrnehmung der Landeshauptstadt, der Region und des Landes weit verbessern. Im internationalen Wettbewerb der Regionen ist die neue Messe deshalb für Baden-Württemberg unverzichtbar.

Ich bin dem Präsidenten der IHK dankbar für dieses klare Bekenntnis.

Ich zitiere Professor Würth:

Das exportorientierteste Bundesland ist auf Dauer ohne repräsentatives Messegelände in der Landeshauptstadt einfach undenkbar, alles andere wäre kleinkarierter Provinzialismus.

Ich zitiere Professor Artur Fischer:

Messen öffnen das Tor zur Welt. Nur die attraktivsten sind heute dazu in der Lage.

Deshalb sind wir auf dem richtigen Weg. Wir befinden uns in Übereinstimmung mit der Wirtschaft des Landes und wollen den Notwendigkeiten und den zwingenden Gegebenheiten, wie sie sich für eine Verbesserung als notwendig darstellen, stattgeben.

Meine Damen und Herren, wir haben, spätestens beginnend mit dem Jahr 1997, Verhandlungen geführt; ich gehe aber davon aus, dass mein Vorgänger, Herr Spöri, sowie Herr Brechtken sicherlich auch in den Jahren davor bereits Verhandlungen mit Leinfelden-Echterdingen aufgenommen haben, erste Vorgespräche geführt haben.

All denen, die uns kritisieren und sagen, wir hätten nicht ausreichend das Gespräch mit denen gesucht, die dort wohnen und deshalb natürlich eine ganz andere Betroffenheit haben und Wert darauf legen, dass ihre Lebensbedingungen nur so gering wir irgend möglich beeinträchtigt werden, was Lärm, Verkehr und anderes angeht, können wir entgegnen: Wir haben selbstverständlich von Anfang an das Gespräch gesucht. Ich weise in aller Entschiedenheit die Behauptung zurück, die Landesregierung und auch herausragende Vertreter der regierungstragenden Fraktionen hätten nicht ständig das Gespräch gesucht. Wir haben es gesucht. Wir werden es auch weiter suchen. Ich selbst war im Juni 1998 bei einer Veranstaltung in der Filderhalle in Leinfelden. Wir hatten Lokaltermine mit den Medien und Rundfunkanstalten, bei denen die Öffentlichkeit beteiligt war. Die Staatssekretäre Dr. Mehrländer und Rückert, der Geschäftsführer, Herr Bauer, und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen in ständigem Dialog. Denjenigen, die dieses Geschäft machen und sich dort oft auch harter Kritik ausgesetzt sehen, gilt Dank, Anerkennung und Respekt für ihre Arbeit. Sie leisten eine wertvolle und wichtige Arbeit für unser Land, für die Landesmesse. Ich bedanke mich bei den Genannten sehr herzlich dafür.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Es ist auch überhaupt keine Frage, dass der Dialog ganz selbstverständlich aufrechterhalten bleibt. Er ist schriftlich angeboten worden – das hätte man hier ebenfalls ausreichend darstellen können –, er wird jetzt nochmals sehr deutlich angeboten. Wir werden den Gesprächsfaden selbstverständlich auf gar keinen Fall abreißen lassen, sondern öffnen im Gegenteil unsere Türen für all diejenigen, die bereit sind, nach einem Konsens zu suchen – an dem auch wir ein großes Interesse haben. Wir wollen diese Landesmesse im Konsens, im größtmöglichen Miteinander, und nicht im

(Minister Dr. Döring)

Dissens, im Gegeneinander erreichen. Wir fordern deswegen alle dazu auf, sich daran zu beteiligen und die Gesprächsangebote anzunehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben über all die Jahre hinweg – das lässt sich punktgenau nach Datum erfassen – eine Vielzahl von ganz konkreten Auseinandersetzungen geführt, natürlich auch im juristischen Bereich. Wir haben bisher in allen Bereichen Recht bekommen. Unter dem Strich ermutigt uns dies, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Bei der Betrachtung einer Vielzahl von aus unserer Sicht für unsere Vorhaben positiven Gerichtsurteilen sage ich aber auch: Es besteht kein Anlass zu Triumphgeschrei. Um es einmal sehr deutlich zu machen: Es gibt kein Triumphgeschrei in dem Sinne, dass wir sagen würden: „Das haben wir immer gewusst! Das setzen wir durch!“, sondern wir wollen versuchen, den Argumenten der Messegegner Rechnung zu tragen und im Gespräch zu bleiben. Wir halten dies auch in Zukunft so.

Ich möchte auch darauf hinweisen: Es ist nicht fair, wenn man sagt, dass der Erörterungstermin des Regierungspräsidiums vom 15. bis 23. Juli 2002 mehr oder weniger eine Alibiveranstaltung ohne Konsequenzen gewesen sei. Das war ein Erörterungstermin, der ernst genommen wurde und ernst genommen wird. Es gab Veränderungen nach dem Erörterungstermin, weil wir die Argumente ernst nehmen und aufgreifen. Da war die Verbesserung der von vielen gewünschten Fußgänger- und Radfahrerverbindung zwischen Stuttgart-Plieningen über das Parkhaus zur Messe und zum Flughafen. Da ist die Reduzierung des Westeingangs; sie führt zu einer bedeutenden Verringerung des Bauvolumens in der Nachbarschaft zu Echterdingen. Da sind die Tieferlegung und die Verlegungen der westlichen Messeumfahrung; dies wird den Verkehrslärm verringern. Und da ist die Anhebung des Messeniveaus um etwa einen Meter, um möglichst große Erdmassen auf dem Messegelände belassen zu können; dadurch wird der Erdaushub um über 500 000 Kubikmeter verringert.

Die Veränderungen nach der Anhörung machen deutlich, dass die Einwendungen ernst genommen wurden und dass sie zu spürbaren Resultaten im Rahmen der Planfeststellung geführt haben. Man kann nur all denen danken, die sich an diesen Terminen beteiligt haben und die auch konkrete Ergebnisse umsetzen. Ich bitte darum, dass man dies auch ernst nimmt und damit zeigt und anerkennt, dass wir das, was vorgetragen wird, so weit wie möglich berücksichtigen und umsetzen. Auch dies bitte ich als ein Bemühen um Konsens zu werten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir haben jetzt eine Situation, in der wir uns mit dem einen oder anderen Argument der Messegegner – damaliger und heutiger – auseinander setzen müssen. Wir stellen auch unterschiedliche Bewertungen und Betrachtungen fest, wenn wir die einzelnen Parteien anschauen. Die Landes-SPD greift nicht das Ob einer neuen Messe, sondern das Wie an – Stichwort Messegesetz und weitere Themen mehr. Die Regional-SPD ist uneingeschränkt für die Landesmesse; sie

hat ihren Bau auch im Parlament in den unterschiedlichen Anhörungen unterstützt. Die kommunale SPD in Leinfelden-Echterdingen ist dagegen, teilweise mit Argumenten, bei denen man sich schon schwer tut, sie noch nachzuvollziehen, und bei denen man sich auch fragt: Wird denn nicht angenommen und aufgenommen, was man detailliert vorträgt? Die Grünen scheinen in weiten Teilen geschlossen dagegen zu sein. Ich will deswegen bei dieser Zwischenbilanz auf dem Weg zur Realisierung und bei der Suche und dem Werben und Streiten um einen Konsens auch noch einmal auf die Argumente der Gegner und der Ablehnenden eingehen.

Das Landesmessegesetz sei ein verdecktes Maßnahmegesetz. Diesen Mythos hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus der Welt geschafft. Man sollte in einem Rechtsstaat auch annehmen, was ein Gericht spricht.

Es liege ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung vor. Dies wird durch das letztinstanzliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts klar verneint.