Protokoll der Sitzung vom 17.07.2003

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Hier und heute ist klar, dass es dazu kommen wird, dass die Milchquote ab 2015 noch erhöht wird und der Milchpreis wegen der Erhöhung der Milchquote weiter sinkt. Das möchte ich ganz klar sagen.

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE – Abg. Teßmer SPD: Aber das entscheiden wir beide nicht mehr!)

Ich komme zur Modulation, zu Cross Compliance und zur Entkoppelung.

(Abg. Walter GRÜNE: Gutes Stichwort!)

Man muss sehen, dass hier – das zum Thema Bürokratieabbau – ein neuer Moloch aufgebaut wird. Bei der Modulation bleibt, so gut das gemeint ist, um die Gelder anderweitig zu verwenden, viel Geld in der Verwaltung stecken, weil für diesen Bereich neue Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden müssen. Das Geld kommt im Endeffekt nicht mehr unseren Landwirten zugute. Denn zum Beispiel wird die Verlockung groß sein, den neuen Dorfbrunnen aus diesem Topf zu zahlen, sodass das Geld nicht der Landwirtschaft zugute kommt.

Das Allerwichtigste in der europäischen Agrarpolitik ist mir – ich wiederhole mich hier –, dass wir auf gleiche Standards kommen. Im Tierarzneimittelbereich und im Pflanzenschutzbereich müssen wir europaweit auf gleiche Standards kommen. Minister Stächele hat gerade vorhin erklärt, dass die Standards, die wir bei Cross Compliance haben, angenommen werden – nicht der Durchschnittsstandard der EU, sondern der Standard, den wir in Deutschland haben. Das bedeutet wiederum eine Benachteiligung unserer Bauern.

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Meine Sprechzeit ist zu Ende. Ich danke Ihnen und freue mich auf neue Agrardebatten, auch wenn derartige Probleme anstehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem die Debatte ziemlich sachlich angefangen hatte, konnte Herr Kollege Hauk leider der Versuchung

nicht widerstehen, sich wieder einmal als Retter der Landwirtschaft aufzuspielen, ohne zu sagen, was er im Einzelnen machen möchte. Er konnte auch nicht aufzeigen, was man in Brüssel oder in Luxemburg eigentlich alternativ hätte aushandeln sollen.

Ich kann Ihnen nur sagen, ich habe den Eindruck: Sie wissen gar nicht, was da verhandelt wurde, und wenn Sie dabeigesessen wären, wäre vielleicht dasselbe herausgekommen wie das, was Herr Borchert ausgehandelt hat.

(Abg. Teßmer SPD: Nämlich gar nichts!)

Mit dem, was Frau Künast ausgehandelt hat, sind unsere Bauern und Bäuerinnen wesentlich besser bedient.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Teßmer SPD: Sehr richtig!)

Beispielsweise sagen Sie, Herr Kollege Hauk: Wir wissen gar nicht, wie es mit unseren Agrarumweltprogrammen weitergeht. Ein Punkt der Agrarreform, die jetzt in Luxemburg beschlossen wurde, ist, dass die Kofinanzierung der EU in Ziel-1-Gebieten auf 85 % und in den übrigen Gebieten – da sind wir betroffen – auf 60 % erhöht wurde. Das heißt, wir können, um die gleiche Förderung zu betreiben, bei MEKA entweder Geld streichen – dadurch sparen wir etwas –, oder wir sagen: Wir wollen bei MEKA erhöhen und nutzen den Spielraum, den uns die EU dazu gibt. Das ist die Realität. Das hat Frau Künast ausgehandelt. Das dürfen Sie doch nicht alles immer vergessen. Wahrscheinlich haben Sie es aber gar nicht mitbekommen. Das heißt, Sie können auch gar nichts vergessen.

Herr Kollege Hauk, jetzt geht es doch nicht um ideologischen oder parteipolitischen Streit, sondern es geht um die Frage: Was können wir tun, um bei dem Spielraum, den uns die Agrarreform gibt, das Optimale herausholen? Da frage ich Sie:

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Was ist zu tun?

Erstens: Wir brauchen eine Grünlandprämie. Das haben wir immer gefordert. Teile Ihrer Partei haben das auch gefordert. Was ist daran schlecht, dass es jetzt eine Grünlandprämie gibt? Das müssen Sie mir einmal erklären. Das ist doch ein großer Fortschritt.

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Ja, warum haben Sie es dann nicht ausgehandelt?

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Wo waren Sie denn, als die CDU regiert hat? Von der Grünlandprämie hat man damals ja nicht einmal richtig geredet.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE zur CDU: Wo waren Sie denn da?)

Natürlich muss man zur Kenntnis nehmen – das ist mir auch klar, Herr Kollege Hauk –, dass bei flächenarmen Betrieben eine Grünlandprämie nicht das ausgleichen wird, was an an

derer Stelle gekürzt wird. Allerdings können Sie doch 10 % des Volumens der Direktzahlungen nutzen, um bestimmte Produktionsformen zu fördern. Warum machen wir das für die Milch dann nicht? Wahrscheinlich würden in diesem Fall sogar weniger als 10 % reichen.

Jetzt muss man hier doch auch einmal Klartext reden, und das heißt: Mit der einseitigen Bevorzugung des Ackerlandes gegenüber dem Grünland hat der Bauernverband bisher doch gut gelebt. Wo war denn der Protest? Wo ist denn das Geld innerhalb des Systems verteilt worden? Das ist doch gar nicht angestrebt worden. Bisher war die Bevorzugung des Ackerlandes die Politik des Bauernverbands und die Politik der Bundes-CDU. Deswegen: Vergießen Sie hier doch keine Krokodilstränen. Sie hätten längst Zeit gehabt, hier einen Systemwechsel vorzunehmen.

Jetzt kommt der dritte Punkt, die von Ihnen so oft gescholtene Modulation. Wenn Sie den Milchbauern etwas Gutes tun wollen, dann nehmen Sie doch Gelder aus der Modulation für eine Weideprämie. Warum machen Sie das nicht?

(Abg. Teßmer SPD: Das darf man, ja!)

Wenn Sie die drei Punkte, die ich jetzt genannt habe, zusammennehmen, dann kommen Sie zu einem ganz anderem Ergebnis als das, was der Kollege Kiefl als Worst Case zusammengerechnet hat. Man muss doch ehrlich mit den Leuten umgehen. Sie machen ihnen Angst, Sie machen den Bauern Zukunftsängste, anstatt das Positive aufzugreifen und zu versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Herr Kollege Hauk, wir sind uns doch darüber einig: Es gibt keine Alternative zu der Reform. Sie wissen genau: Es gibt nur einen Kuchen, aber demnächst sitzen mehr Esser am Tisch. Sie sagen nicht: „Okay, dann müssen wir eben das, was wir haben, möglichst gerecht verteilen.“ Vielmehr sagen Sie: „Dann soll der Bäcker eben einen größeren Kuchen backen“, obwohl Sie wissen, dass er gar nicht die Zutaten dazu hat.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Hauk CDU: Nein, überhaupt nicht! Aber um eine gerechtere Verteilung geht es! – Zu- ruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Herr Kollege Hauk, noch eines: Wenn Sie all das, was jetzt kommt, all das, was auf den Weg gebracht wird – Cross Compliance, Entkoppelung; ich kann nur wiederholen, was ich schon am Anfang gesagt habe –, nicht durchziehen, werden Sie keine gesellschaftliche Akzeptanz dafür erreichen, dass so viel Geld – das ist ja praktisch 50 % des EUHaushalts – in einen einzigen Bereich fließt. Sie werden diese Akzeptanz nicht erreichen. Deswegen sind Sie gut beraten, weniger laut zu schreien und statt dessen Alternativen zu entwickeln, wie den Bauern mit dem jetzt vorgelegten Modell am besten geholfen werden kann.

Ich kann Ihnen nur eines sagen, nachdem auch Herr Stächele von „keiner gleichen Augenhöhe mit Herrn Chirac“ gesprochen hat: Frau Künast ist körperlich tatsächlich etwas kleiner. Aber an einem Tisch sitzt man. Ich kann Ihnen,

Herr Minister Stächele, versichern: Nach all dem, was ich bisher gehört habe – lassen Sie mich das noch sagen –, wundern mich immer Ihre Reden hier. Wenn ich mit Frau Künast, Herrn Berninger oder anderen Vertretern der Ministeriumsspitze in Berlin spreche, heißt es immer: „Sehr konstruktive Gespräche mit Baden-Württemberg. BadenWürttemberg ist oft mit uns auf einer Linie.“ Dann verhalten Sie sich auch hier einmal entsprechend.

Deswegen, Herr Stächele: Wenn Sie in Luxemburg dabei gewesen wären und diese Ergebnisse erreicht hätten,

(Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

wäre Ihre Brust so geschwellt, dass Sie nicht einmal mehr durch das größte Scheunentor Ihres Wahlkreises kommen würden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Minister Stächele.

(Abg. Teßmer SPD: Der kommt noch durch das Scheunentor! Der war ja auch nicht in Luxemburg!)

Bevor hier der Eindruck einer wunderbaren Geldvermehrung durch die Fee Künast entsteht, schlage ich vor, dass wir im Ausschuss ganz konkret die Einzelfälle anschauen,

(Abg. Walter GRÜNE: Das machen wir gern! – Abg. Teßmer SPD: Vielleicht machen wir das beim nächsten Mal vor der Debatte!)

und zwar sauber anhand eines Betriebs aus dem Allgäu oder dem Schwarzwald. Dann kann man sich nicht mit irgendwelchen angeblichen Förderungen, die es gibt, davonstehlen. Die Grünlandprämie haben Sie, glaube ich, dreioder viermal am heutigen Nachmittag verteilt.

(Abg. Teßmer SPD: Nein!)

Der entscheidende Punkt, Herr Walter: In der Tat hat sich da viel an Kooperation entwickeln lassen, und wir haben hier aus Baden-Württemberg heraus entwickelt, was viele an sich in dieser Form nicht erwartet haben: die differenzierte Prämie Grünland/Ackerland. In dem Punkt kritisiere ich nachhaltig, dass diese Brüssel nicht ohne die Handelbarkeit überstanden hat. Damit ist die Qualität des Ganzen natürlich erheblich geschwächt. Also man ist mit dem, was wir in den Rucksack gegeben haben, nach Brüssel gegangen, aber die Handelbarkeit macht uns Probleme.

Nur, auch wenn diese Geschichte vielleicht eine Kooperation erfahren hat und erfahren könnte, hilft uns das natürlich nicht über das hinweg, was die Milchwirtschaft zu erleiden hat. Das heißt, die ganze Flächenprämie für Grünland und Ackerland ersetzt nicht das, was der Milchwirtschaft droht. Deshalb müssen wir dort ansetzen. Es sind eben nicht 80 %, sondern man muss im Grunde die Agenda 2000 einrechnen, und dann sind es ganz konkret nur 56 % Ausgleich. Deswegen kommt das zustande, was ich vorhin mit einem Einkommensverlust von 30 bis 40 % angesprochen habe.