Protokoll der Sitzung vom 17.07.2003

um das Freihalten von hochwassergefährdeten Flächen und um aktive Maßnahmen wie die verstärkte Schaffung von Retentionsflächen, auch weit weg von den Flüssen.

(Abg. Birzele SPD: Das ist doch Überregulierung, wenn da der Bund politisch tätig werden soll! Das kann doch das Land machen!)

Nein. Das muss man ja gar nicht regulieren. Da kann man vieles auch freiwillig machen, wie zum Beispiel beim Bau der neuen Messe, bei dem, wie heute Morgen schon erwähnt wurde, zu einem großen Teil begrünte Dächer vorgesehen sind.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Die sind doch trotzdem versiegelt!)

Mit der neuen Technik, mit der dies inzwischen ausgeführt wird, wird eine enorme Rückhaltefähigkeit für Niederschlagswasser erreicht.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Fazit: Das Land wird sich auch in Zukunft verstärkt um Belange des Hochwasserschutzes kümmern. Technischer Hochwasserschutz hat aber – auch das muss man wissen – seine Grenzen. Hochwasser wird es immer geben; man kann das nicht grundsätzlich verhindern.

Die Menschen, die an Flüssen leben, an denen häufig Hochwasser vorkommen, haben auch gelernt, damit umzugehen. Wir werden dort, wo es technisch möglich ist, dafür sorgen, dass Maßnahmen ergriffen werden. Ansonsten muss man dafür sorgen, dass die Situation dergestalt ist, dass man noch damit umgehen kann.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Walter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als wir im letzten Jahr das Hochwasser an der Elbe hatten, überboten sich die Politiker geradezu mit Aussagen dazu, was nun alles getan werden müsse. Einig war man sich darüber, dass die Zahl der so genannten Jahrhunderthochwasser ständig zunimmt. Teilweise treten sie jedes Jahr oder alle zwei Jahre auf.

Deswegen war es auch Konsens, die Flussauen und Feuchtgebiete besser zu schützen. Es war Konsens, gefährdete Gebiete nicht weiter zu überbauen. Es war auch Konsens, dass wir in diesen gefährdeten Gebieten keine intensive landwirtschaftliche Nutzung haben wollen.

Deswegen enthält das neue Bundesnaturschutzgesetz einen guten Grundsatz. Es sagt aus: kein Umbruch von Grünland. Außerdem ist darin ein guter Punkt enthalten, den man im Zusammenhang mit Hochwasser umsetzen kann, nämlich die Schaffung eines Biotopverbunds von mindestens 10 % der Landesfläche. Dazu eignet sich natürlich ganz besonders die Ausweisung von Flussauen.

Deshalb muss die Novelle des Landeswassergesetzes, Herr Minister, all diese Aspekte, die damals Konsens waren, ent

halten. Wenn man wirklich ernsthaft Politik betreibt, soll man den Konsens ja nicht nur während eines Hochwassers haben, sondern auch in Zeiten, in denen es nicht mehr regnet – wie Frau Kollegin Haußmann festgestellt hat.

In der Presse haben Sie Ende April verkündet, Herr Minister, dass das Bauen in all diesen gefährdeten Gebieten, in Flussauen usw. untersagt werde. Allerdings haben Sie – wie ein Straßenverkäufer – das Kleingedruckte unterschlagen. Ich habe mir Ihre Novelle daraufhin einmal näher angeschaut. Die darin genannten Ausnahmen lassen befürchten, dass es gerade so weitergehen wird wie bisher.

Zunächst einmal muss ich Ihnen die Frage stellen, weshalb es im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht für jedes Überschwemmungsgebiet eine separate Rechtsverordnung gibt. Baden-Württemberg geht hier den Weg der pauschalen Ausweisung – mit Ausnahmen.

Jetzt aber zu den Ausnahmen, die Sie zulassen. Aus meiner Sicht ist das ein richtiger Gummiparagraph. Da heißt es, dass eine Bebauung eben doch zulässig sei, wenn keine anderen zumutbaren Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung bestünden oder geschaffen werden könnten, wenn kein Verlust an Retentionsflächen erfolgen würde oder wenn ein umfangreicher oder funktionsgleicher Ausgleich durchgeführt würde.

Dies bedeutet, dass in den pauschal festgelegten Überschwemmungsgebieten weiter gebaut werden kann, wenn andernorts am betreffenden Gewässer ein entsprechender Ausgleich geschaffen wird. Mit solchen Vorschriften, Herr Minister, werden bauwillige – teilweise sind es auch bauwütige – Bürgermeister sicherlich nicht abgeschreckt werden. Da muss nachgebessert werden, wenn Ihr Versprechen, das Sie Ende April gegeben haben, tatsächlich in die Tat umgesetzt werden soll.

Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Minister: Ihr Entwurf gilt bei Umweltschützern bereits als Negativbeispiel dafür, wie man nach diesen Hochwassererfahrungen ein Landeswassergesetz novellieren kann.

Auch haben Sie, Herr Minister, kein Konzept zur Eindämmung des Flächenverbrauchs. Im Gegenteil: Diese Regierung tut alles, um möglichst viel Fläche zu versiegeln. Heute Morgen hatten wir das Beispiel der Messe; bei der letzten Plenardebatte gab es das Beispiel Sasbachwalden. Denken wir nur daran, wie viele Straßen Sie gerne noch bauen wollen und vieles mehr.

Jetzt haben Sie – Frau Kollegin Berroth hat darauf hingewiesen – in den Haushalt mehr Geld für den Hochwasserschutz eingestellt. Das ist prinzipiell zu loben, das ist richtig. Das finden wir auch gut. Aber dann kürzen Sie bei den GVFG-Mitteln, wobei Sie nur beim ÖPNV kürzen, was wiederum nicht gerade klimafreundlich ist, und geben 7 Millionen € davon in den Hochwasserschutz. Sie tun etwas Gutes für die Umwelt – mit Geldern, durch deren Fehlen in anderen Gebieten Sie die Umwelt gleichzeitig wieder belasten. So kann man eine wirklich integrierte Umweltpolitik schlichtweg nicht betreiben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Unmöglich!)

Ich gebe Ihnen einmal ein Beispiel dafür, was diese Versiegelungen an einem Neckarzufluss, nämlich der Körsch, bewirken. Innerhalb von 20 Jahren gab es einen Zuwachs versiegelter Gebiete in unmittelbarer Nähe von 7 auf 20 %. Die Folge war eine Verfünffachung der Spitzenabflüsse. Nach einem gleich starken Niederschlag hatten wir vor den Versiegelungen einen maximalen Abfluss von 2,2 Kubikmeter pro Sekunde und nach den Versiegelungen von 10,2 Kubikmeter pro Sekunde. An diesem Beispiel sieht man, was es bedeutet, wenn wir ständig weiter versiegeln. Wir haben es heute Morgen schon gehört: mehr als 12 Hektar pro Tag in Baden-Württemberg. Eine Studie der Universität Karlsruhe hat ergeben: Allein durch die Versiegelung steigen die Hochwasserstände am Rhein um 15 bis 20 Zentimeter.

Deswegen, Herr Minister, müssen Sie bei Ihrer Novellierung des Wassergesetzes nachbessern. Sie müssen mehr tun, um den Flächenverbrauch zu reduzieren, und wir müssen beim Klimaschutz weitere Anstrengungen unternehmen. Wir haben vor vier Wochen darüber diskutiert: Der CO2Ausstoß in Baden-Württemberg nimmt weiterhin zu. Da kann man sich nicht damit herausreden, dass wir pro Kopf besser dastehen als andere. Das liegt ja auch an der Struktur der Industrie.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Walter, bitte kommen Sie zum Ende.

Ja, das mache ich gerade.

Deswegen sind wir gefordert, beim Klimaschutz und bei der CO2-Reduktion endlich ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, und zwar auch von Landesseite.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Kaufmann.

(Abg. Schebesta CDU: Man muss nicht reden, wenn man aufgerufen wird! – Abg. Kaufmann SPD: Ich möchte nach dem Minister sprechen!)

Gut. Dann erteile ich das Wort Herrn Minister Müller.

(Abg. Birzele SPD: Er stellt heute einen Rekord nach dem anderen auf!)

Ich unternehme den dritten Versuch, es kurz zu machen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich will vorab einfach einmal unterstreichen: Die Aufgabe Hochwasserschutz habe ich mir zu einem persönlichen Ziel gesetzt, und ich versuche, ein Markenzeichen daraus zu machen. Es ist mir ein Anliegen, weil ich glaube, dass die typischen Staatsaufgaben, nämlich langfristiges Denken, das Notwendige tun, Solidarität üben, Bürger schützen – alles klassische Staatsaufgaben –, sich im Hochwasserschutz konzentrieren und wir da schon noch einen Nachholbedarf

(Minister Müller)

haben. Deswegen hätte ich es gerne, wenn man am Ende meiner Amtszeit sagen würde: „Er hat zwar sonst nichts zustande gebracht, aber im Hochwasserschutz war er ganz gut.“ Das mag eine leichte Übertreibung sein.

Deswegen haben wir im Jahr 2002 eine Offensive im Hochwasserschutz gemacht, aufbauend auf vielem, was es im Land schon gegeben hat. Wir sind schon immer gut in der Forschung gewesen, wir sind gut in der Vorhersage, wir sind gut in den Konzepten. Bei dem, was beispielsweise im Gefolge des Elbehochwassers vonseiten der Bundesregierung und von anderen Bundesländern gesagt worden ist, was jetzt konzeptionell geschehen müsste, bin ich mir immer vorgekommen wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel: Das haben wir im Prinzip alles schon oder sind dabei, es zu tun. Da war nichts Neues dabei. Insofern musste man sich über Bemühungen der Bundesregierung gar nicht sonderlich aufregen. Das machen wir alles schon.

Was haben wir im letzten Jahr alles angestoßen? Eine massive Öffentlichkeitsarbeit, eine Verfeinerung der Konzepte. Natürlich hat das Elbehochwasser dabei geholfen. Das kam, so gesehen, geschickt –

(Heiterkeit des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

nicht für die Betroffenen, keine Frage. Aber für diese Offensive, die wir schon im Januar begonnen hatten, war es natürlich ein Rückenwind. Wir betreiben die Planungen im Rahmen des Integrierten Rheinprogramms mit erhöhter Schlagzahl massiv weiter. Wir haben uns eine Novellierung des Wassergesetzes vorgenommen, und dazu will ich doch etwas sagen.

Herr Kollege Walter, da haben Sie mehreres missverstanden. Erstens: Eine Ausweisung von Überschwemmungsgebieten durch eigene Rechtsverfahren ist genau das, was wir abschaffen wollen. In der Zukunft soll es heißen: Ein Überschwemmungsgebiet ist jenes Gebiet, in dem es 100-jährliches Hochwasser gibt – ex lege, durch das Gesetz, ohne Rechtsverfahren. Damit bekommen wir die entsprechenden Ausweisungen sehr viel schneller zustande.

Zweitens: die Bebauungsverbote. Übrigens, ein Umbruchverbot – dazu hat sich jetzt Herr Trittin unter Widerstand von Frau Künast geäußert – ist bei uns vorgesehen, wenn auch nicht zu 100 %. Aber was jetzt die Bebauungsverbote in Hochwasserschutzgebieten anbelangt, so ist das Neue an der Geschichte – abgesehen davon, dass man immer Ausnahmen haben muss; man kann das im Interesse der Kommunen und auch im Interesse des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht konsequent durchsetzen –, dass wir vorsehen, dass es nur im Einvernehmen mit der Wasserwirtschaft Ausnahmen geben kann. Wissen Sie, was „im Einvernehmen“ heißt? Das ist bekanntlich eine Blockademöglichkeit; die haben wir bisher nicht, und das ist schon eine erhebliche Verschärfung. Also Wassergesetznovelle.

Das Kabinett hat sich mit den Leitlinien für den Hochwasserschutz befasst. Das ist ein Konzept, das wir zusammen mit den kommunalen Landesverbänden gemacht haben. Da sind andere Aspekte, strategische Elemente des Hochwasserschutzes enthalten wie beispielsweise das Element des Katastrophenschutzes, das Element der Raumplanung und anderes.

Wir haben uns vorgenommen und sind jetzt Stück für Stück dabei, die Hochwassergefahrenkarten zu installieren. Das ist ein langjähriger Prozess, der ganz schön viel Geld kostet, aber für die Bürger und Kommunen sehr wichtig ist, damit sie genau wissen, wo das Wasser steht, wenn es an irgendeinem Pegel so oder so hoch steht. Wir installieren die Hochwasserpartnerschaften, und – in der Tat – wir geben Geld aus, und zwar mittlerweile deutlich mehr, als es in der Vergangenheit der Fall war. Wenn Sie es nicht weitersagen: In diesen traurigen Zeiten, in denen überall gespart wird, ist es mir im Laufe meiner Amtszeit in zwei Bereichen gelungen, die Mittel zu verdoppeln. Der eine Bereich war der Landesstraßenbau, und der zweite war der Hochwasserschutz. „Zu Verdoppeln“ heißt in diesen Zeiten schon etwas.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das stimmt! – Zurufe der Abg. Walter GRÜNE und Birzele SPD)

Aber Herr Kollege Birzele, in der Zeit, in der wir schon erhöht haben, haben Sie noch Kürzungsvorschläge gemacht. Das will ich schon einmal sagen.

(Beifall der Abg. Hauk und Seimetz CDU – Abg. Drexler SPD: Wo denn?)

Beim Straßenbau.

(Unruhe bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Nein! Wir nicht!)