Protokoll der Sitzung vom 27.06.2001

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Schmid SPD)

Lassen Sie mich noch ganz kurz etwas zur Steuerreform sagen.

Klar ist, dass der Steuersatz für Personengesellschaften 2005 auf 19 % sinkt. Wir sind da mit an der untersten

Grenze in Europa. Deswegen ist die Steuerreform nicht mittelstandsfeindlich, sondern sie bringt für den privaten Bereich und den Mittelstand eine erhebliche Verbesserung. Deswegen: Hören Sie auf, die Steuerreform dauernd als mittelstandsfeindlich zu bezeichnen. 19 % ist ein Steuersatz – –

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Wollen Sie für die Personengesellschaften denn noch weniger? Hören Sie doch auf! Das ist doch ein Steuersatz, den Sie eigentlich mit vertreten müssten.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Lassen Sie mich noch etwas zum Ausstieg aus der Atomenergie sagen. Herr Ministerpräsident, der Ausstieg ist doch nicht nur ideologisch zustande gebracht worden. Vielmehr erzeugt in der Zwischenzeit jedes vernünftige neue Gasturbinenkraftwerk Strom billiger, als dies durch Atomenergie der Fall ist. Das wissen wir in der Zwischenzeit alle. Wir haben kein gesichertes Atomendlager, nichts ist geregelt, und Sie wollen weiter an der Atomenergie festhalten.

Aber der große Spruch von Ihnen kam ja, als Sie dann gesagt haben, die Bundesregierung solle jetzt Programme machen, welche Firmen als Ersatz für die wegfallenden Atomkraftwerksstandorte in Baden-Württemberg angesiedelt werden sollen. Gestern oder vorgestern oder letzte Woche haben Sie noch eine Riesenrede über Föderalismus gehalten und gefordert, mehr aufzuteilen. Was wollen Sie denn eigentlich? Wollen Sie jetzt, dass die Bundesregierung sagt, was in Obrigheim angesiedelt wird? Oder wollen Sie das selber machen? Wir sind der Auffassung: Das ist eine Aufgabe des Landes Baden-Württemberg und der Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Deswegen: Setzen Sie sich hin, und machen Sie Ihre Hausaufgaben.

Zum Schluss noch zu Ihnen, Herr Oettinger: Wenn Sie sagen, man könnte das beim Familiengeld auch mit Gutscheinen und nicht durch Auszahlung von Geldern machen, dann dürfen das natürlich nur Gutscheine für Leistungen sein, die angeboten werden. Die gibt es im Land aber gar nicht. Sie müssen erst einmal diesen Rahmenbereich aufbauen, bevor Sie im Grunde genommen zu Gutscheinen kommen können.

Herr Ministerpräsident, eines werfe ich Ihnen schon vor: Es ist purer Populismus, zu fordern, die Ökosteuer zu senken, die Renten heraufzusetzen, die Beitragssätze zu verringern, die Krankenkassenbeiträge zu verringern – alles wollen Sie verringern –, und gleichzeitig höhere Ausgaben zu fordern. Wie wollen Sie denn das finanzieren?

Ich habe es Ihnen vorhin schon gesagt: Sie haben keinen Ansatz vorgestellt, wie Sie Ihr Familiengeld finanzieren wollen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

60 Milliarden DM für die Bundesrepublik Deutschland, und da sagen Sie als Ministerpräsident: Interessiert mich überhaupt nicht; das muss passieren! Und die 2 Milliarden DM im Landeshaushalt sehe ich auch nicht, weder in der mittelfristigen Finanzplanung noch sonst wo.

Also, Sie vertreten hier, wie es Ihnen passt, eine Politik, die Sie nicht beweisen können. Sie können auch nicht sagen, wie Sie sie finanzieren wollen. Ich finde, das ist des Ministerpräsidenten eines Landes wie Baden-Württemberg eigentlich unwürdig.

(Widerspruch bei der CDU)

Sie haben heute nicht als Generalsekretär der CDU, sondern als Ministerpräsident gesprochen, und von einem Ministerpräsidenten erwarte ich eigentlich, dass er im Grunde genommen auch sagt, wie er etwas finanziert.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Da muss ich schon sagen: Wenn Sie in Zukunft Ihren eigenen Haushalt so unseriös aufstellen,

(Ministerpräsident Teufel: Primitiv!)

werden Sie nie zu einer Nullverschuldung kommen.

Ich höre jetzt auf zu reden,

(Demonstrativer Beifall bei der CDU und Abge- ordneten der FDP/DVP)

weil die Kolleginnen und Kollegen zum Mittagessen wollen. Wir haben ja im Gegensatz zu anderen, die schon gegangen sind, noch nicht gegessen. Wenn Sie darauf erpicht sind, können wir aber auch noch eine nächste Runde machen. Wir haben noch viel auf der Pfanne.

(Lachen bei der CDU – Abg. Hillebrand CDU: Aber nichts Gescheites!)

Nachdem die CDU verlangt hat, keine Mittagspause zu machen, damit der Herr Ministerpräsident reden kann, sind wir davon ausgegangen, dass er sich auch kurz hält. Wenn wir gewusst hätten, dass er anderthalb Stunden redet, wären wir vielleicht für eine Sitzungsunterbrechung gewesen.

(Zuruf des Abg. Döpper CDU)

Ja, natürlich. – Von daher gesehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, warte ich jetzt ab. Wir können auch noch eine zweite Runde machen, aber es ist vielleicht vernünftig, vorher eine Pause zu machen. Das wäre vielleicht für die Debatte insgesamt gut, und dann könnte sich der Herr Ministerpräsident auch abreagieren. Das wäre für die ganze Debatte besser.

(Beifall bei der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Maurer war um Längen besser!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Salomon.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hunger haben wir alle, und ich will es nicht arg lang machen. Ich hätte auch gar nichts mehr gesagt, wenn der Herr Ministerpräsident hier nicht zur Hochform aufgelaufen wäre.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU)

Also, wenn es um Sport ginge, würde ich sagen: Er muss dringend zur Dopingprobe; irgendetwas kann da nicht stimmen.

(Lachen bei der CDU)

Sie, Herr Ministerpräsident, haben Winfried Kretschmann mit dem Satz vom Wochenende zitiert, man könne doch nach der Wahl nicht die gleichen Reden halten wie vor der Wahl.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wenn man sie verloren hat!)

Aber ich muss sagen: Sepp Herberger hat gesagt: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“. Ich habe das Gefühl, Sie haben heute den Bundestagswahlkampf eröffnet, und insofern ist für Sie wahrscheinlich nach der Wahl vor der Wahl.

(Ministerpräsident Teufel: Aber nur mit Daten nach der Wahl habe ich heute operiert!)

Sie waren in dem Teil Ihrer Rede zum Länderfinanzausgleich analytisch; da haben Sie nämlich genau erklärt, was Ihr Verhandlungsspielraum war und warum Sie meines Erachtens bei einem relativ guten Ergebnis gelandet sind. Dann wurde es aber sehr polemisch.

Zum Länderfinanzausgleich muss man noch etwas sagen: Sie haben ja, wenn ich es noch richtig im Kopf habe, zusammen mit Bayern und Hessen, damals noch mit dem Ministerpräsidenten Eichel, gegen einen Länderfinanzausgleich geklagt, der 1993 im Rahmen der Solidarpaktverhandlungen beschlossen wurde, bei denen sich die Länder insgesamt gegenüber dem Bund – damals gegenüber der Regierung Kohl – sehr schadlos gehalten haben und eigentlich ziemlich gut gefahren sind. Das haben Sie als großen Sieg der Länder verkauft, und in den damaligen Kommentaren hat es geheißen, Kohl habe den Solidarpakt teuer erkaufen müssen. Das war für die Vereinigung natürlich von großer Bedeutung. Aber beim Länderfinanzausgleich musste er auch einstecken. Das heißt, die Länder sind damit gut gefahren.

Wenige Jahre später haben Sie gegen diesen Länderfinanzausgleich, den Sie als Erfolg gefeiert haben, geklagt und gesagt, das ganze System sei ungerecht.

(Abg. Drexler SPD: Sie haben auch unterschrie- ben!)

Das Ergebnis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts war, dass alle gesagt haben: Das ist aber ein tolles Urteil; jetzt müssen wir erst einmal ein Maßstäbegesetz machen, was sehr vernünftig ist, weil tatsächlich sehr viele Maßstäbe seit der Einführung des Länderfinanzausgleichs überholt

waren, und dann muss man schauen, was das für die Einzelnen heißt. Da haben viele gesagt: Das ist natürlich blauäugig vom Gericht; man kann nicht Maßstäbe machen, ohne dass die Länder wissen, was hinterher dabei herauskommt.

Es war aber schon klar, dass der Grundsatz der Solidarität zwischen den 16 Ländern nicht aufgegeben wird. Es war ebenfalls klar, dass viele Mechanismen keine Anreizsysteme schaffen und dass deshalb zum einen Anreizsysteme geschaffen werden müssen, wie geschehen, zum anderen aber wahrscheinlich, da die Verteilungsmasse insgesamt gleich bleibt und man schlechterdings keine Mehrheit findet, wenn die einen große Verlierer sind und die anderen große Gewinner, auch für diejenigen, die dann Recht behalten, im Endeffekt nicht viel herauskommt. Das habe ich kritisiert.

Für das Ergebnis habe ich Sie gelobt. Die 64 % halte ich aus baden-württembergischer Sicht für ein gutes Verhandlungsergebnis. Das Entscheidende für mich ist tatsächlich auch, dass jetzt ein Anreizsystem geschaffen worden ist, bei dem man sagen kann: Die eigenen Anstrengungen werden mehr honoriert als vorher.

Ich habe lediglich Ihre Haltung kritisiert. Sie haben immer so getan, als wollten Sie von den 4 Milliarden DM 2 Milliarden DM zurück. Jetzt muss man sich natürlich schon sagen lassen: Im Vergleich dazu ist das, was an reiner Umschichtung beim Finanzausgleich herauskommt, relativ wenig.

Die entscheidenderen Fragen müssen wir in der Föderalismusdebatte klären. Die entscheidenderen Fragen betreffen zum Beispiel die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau. Gutes und glückliches Baden-Württemberg, kann man sagen. Baden-Württemberg hat in den Neunzigerjahren hier zugegriffen wie kein anderes Land, aber nur, weil die anderen Länder gar nicht mehr in der Lage waren, ihre 50-prozentige Kofinanzierung zu stemmen. Das war unser Vorteil. Auch da profitieren wir als starkes Bundesland natürlich ganz stark davon, dass die anderen nicht in der Lage sind, selber zuzugreifen. Wir haben unsere Hochschullandschaft aufgebaut. Das ist gut für uns, muss man aber natürlich in einem gerechten System auch immer mit bedenken.