Protokoll der Sitzung vom 02.10.2003

Matthias und Kirsten Weis schreiben hier:

Ob die Mittel bald aufgebraucht sind, kann man doch schon vorher abschätzen und nicht von einer Stunde auf die andere. Das ist doch unglaublich und nicht nachvollziehbar. Wenigstens eine Übergangsfrist hätte eingeräumt werden müssen. Dann wären von den Landratsämtern möglicherweise Anträge nicht wegen Urlaub einfach liegen geblieben.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Da geht es aber um die Eigenheimzulage! – Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Nein, nein. Das ist genau das, was Sie sagen.

Und weiter heißt es in dem Brief:

Der kleine Antragsteller, der das Pech hatte, dass sein Bearbeiter gerade im Urlaub war, als das Fax des Wirtschaftsministeriums wie eine Bombe eintraf, der hat eben Pech gehabt.

Das ist der Ärger, den nicht nur diese Familie hatte, sondern diesen Ärger hatten auch viele andere Familien. Das hätte man durch ein geschicktes Handling dieser ganzen Sache vermeiden können. Das müssen Sie sich anheften.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Fleischer CDU: Hättet ihr nicht die Eigenheimzulagendiskussion geführt, wäre die Unsicherheit gar nicht entstan- den!)

Herr Fleischer, ich gebe zu: Das Ministerium hat sich beeilt; die 9 Millionen € wurden nachgeschoben. Damit ist dieser Punkt abgeräumt. Aber es muss einmal gesagt werden, dass es so, wie Sie es gemacht haben, unprofessionell war.

(Abg. Fleischer CDU: Aber die Ursache war Ihre Eigenheimzulagendiskussion! – Abg. Drexler SPD: Jetzt sagen Sie mal, wie Sie Ihr Programm finan- zieren wollen!)

Meine Damen und Herren, werden Sie wieder ruhig! – Jetzt geht es um das Thema Eigenheimzulage. Herr Fleischer hat ja das Stichwort gegeben. Dazu müssen wir eines klar und deutlich sagen: Wir haben sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene knappe Kassen, und wir müssen auf Landes- und Bundesebene Subventionsabbau betreiben. Wir müssen vor allem diejenigen Subventionen kürzen, die falsche politische Signale setzen.

(Zuruf von der CDU: Welche?)

Wir Grünen sagen – und dazu stehe ich, auch wenn es von verschiedenen Seiten Kritik gibt –, dass man bei der Eigenheimzulage kürzen muss, und zwar dort, wo sie falsche Signale aussendet.

(Abg. Drexler SPD: Welche sind es denn? – Zuruf des Abg. Mack CDU)

Sachte, sachte! – Zum Ersten: Derzeit wird mit der Eigenheimzulage der Neubau stärker gefördert als der Erwerb aus dem Bestand.

(Abg. Mack CDU: Das stimmt doch nicht! Exakt fifty-fifty! – Weitere Zurufe)

Natürlich! So ist es! Herr Mack, natürlich sind die Volumina für beide Bereiche gleich. Aber bei einem konkreten Förderfall bekommen Sie, wenn Sie einen Neubau erstellen, mehr Eigenheimzulage, als wenn Sie einen Altbau erwerben. Das ist Fakt.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Wenn man die Fördersätze für Neubaumaßnahmen auf das niedrigere Niveau für den Wohnungsbestand absenkt, leistet man einen wichtigen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Man sendet aber auch ein wichtiges politisches Signal, dass nämlich nicht der Neubau auf der grünen Wiese das einzig Erstrebenswerte ist, sondern der Erwerb einer Wohnung aus dem Bestand und deren Renovierung gleichwertig ist. Dies ist auch ökologisch sinnvoll, weil es sich um einen Beitrag zur Senkung des Flächenverbrauchs handelt.

Somit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir können den Haushalt konsolidieren, und wir können zusätzlich den Flächenverbrauch eindämmen, wenn auch nur in kleinem Umfang.

(Abg. Fleischer CDU: Aber nein! Der Bebauungs- plan ist doch ausgewiesen! Das sollten Sie aber als Gemeinderat besser wissen!)

Wir senden zumindest die richtigen Signale, Herr Fleischer.

Wir müssen fragen: Wo wollen wir fördern, und wo können wir Förderungen zurücknehmen?

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Zimmer- mann CDU)

Jetzt muss ich noch auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen: Es lag ja ein Vorschlag zur Kürzung der Eigenheimzulage auf dem Tisch, der beinhaltete, dass wir dort, wo Familien mit Kindern leben – Kinder, die unsere Renten sicherer machen und für den Fortbestand der Gesellschaft sorgen –, Geld hineingeben. Das ist familienpolitisch wünschenswert. Allein stehende Menschen, die deshalb, weil sie keine Kinder haben, geringeren finanziellen Belastungen ausgesetzt sind, brauchen keine Eigenheimzulage. Ich meine, man kann auch politisch vertreten, zu sagen: Aus familienpolitischen Gründen wollen wir diejenigen, die Kinder haben, mit der Eigenheimzulage fördern, und anderswo muss halt gestrichen werden.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Drexler SPD: Und wenn sie später Kinder kriegen? – Gegenruf des Abg. Mack CDU: Die Frage konnte schon Eichel nicht beantworten!)

Herr Drexler, es gibt doch die Möglichkeit, eine Übergangsfrist festzulegen. Man kann doch sagen: Wenn sie innerhalb der nächsten zwei Jahre ein Kind bekommen, dann bekommen sie die Eigenheimzulage rückwirkend ausgezahlt. Das ist doch kein Problem.

(Abg. Drexler SPD: Und wenn sie es drei Jahre später kriegen? – Unruhe)

Also, Herr Drexler, wenn sie das Kind 20 Jahre später kriegen, dann gibt es nichts mehr!

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen – Abg. Drexler SPD: Eine tolle Steuerung! – Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen hoffentlich verdeutlicht:

(Unruhe)

Wir leben in einer Zeit, in der mit Haushaltsmitteln wirklich sparsam umgegangen werden muss und in der wir auch Subventionen kürzen müssen. Wir wollen nicht beim sozialen Wohnungsbau kürzen – da wären die Bedürftigsten betroffen; da wollen wir nichts senken –, aber bei der Eigenheimzulage, die breit gestreut ist und den Neubau besonders fördert, können wir, meine ich, kürzen. Dadurch senden wir auch gute politische Signale, familienpolitische und auch ökologische Signale. Dafür treten wir Grünen ein.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Gaßmann.

(Unruhe und Zurufe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte angekündigt, in der zweiten Runde den Programmvorschlag der SPD zu begründen, und möchte dies jetzt in aller Ruhe tun.

Zunächst einmal gehe ich wieder von den Erfordernissen aus. Die Kommission sprach vor drei Jahren von 50 000 Wohnungen pro Jahr. Langfristig sind in Baden-Württemberg 20 % des Wohnungsbaus öffentlich gefördert worden – man muss sagen: gefördert w o r d e n –, bis es diese Regierung anders gemacht hat. 20 % von 50 000 wären 10 000 öffentlich geförderte Wohneinheiten pro Jahr im Lande. Dafür brauchen Sie einen Finanzierungsbetrag von ca. 200 Millionen € zusätzlich zur Bundesförderung.

Die 200 Millionen € sind übrigens nicht aus der Luft gegriffen. Herr Hofer hat den Betrag vorhin bestritten. Aber lassen Sie sich die Zahlen aus Bayern kommen! Bayern gibt seit vielen Jahren und langfristig ca. 200 Millionen € für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus aus, und dies mit einem gewissen Erfolg.

Wohnungsbau braucht – das ist der dritte Grund für unsere Initiative – Kontinuität. Es macht keinen Sinn, ein Pro

gramm für ein Jahr laufen zu lassen und dann die Arbeitsplätze in diesem Bereich wieder absacken zu lassen. Wir haben das Programm auf fünf Jahre ausgerichtet, damit sich die Bauwirtschaft und die Investoren darauf mittelfristig einstellen können. Ich will dazu sagen: Das daniederliegende Bauhandwerk hätte dies dringend nötig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dadurch würden für die nächsten fünf Jahre im Bauhandwerk 20 000 Arbeitsplätze zusätzlich gesichert.

Nun zur Finanzierung. Unser Programm belastet den Haushalt nicht, weil es durch Forderungsverkauf finanziert wird. Nun sagen Sie: Das sind Gelder, die wir vielleicht in der Zukunft brauchen. Aber, meine Damen und Herren, die Wohnungsnot in den Städten ist heute groß, und alle Prognosen lassen darauf schließen, dass sich die Zahl der Einwohner in den nächsten Jahren nicht mehr stark erhöhen wird. Es wird vielmehr eine Stagnation geben, sodass wir in den nächsten Jahren einen geringeren Wohnungsbau brauchen werden. Daher ist der Vorgriff auf die Zukunft sachlich gerechtfertigt.

Ihren Einwand, dass die Abzinsung nicht über Bundesmittel finanziert werden könnte, kann man widerlegen. Die Abzinsung kann man selbstverständlich über Landesmittel tragen. Ich füge hinzu: Wir haben natürlich im Bundesbauministerium vorgesprochen und angefragt, und dort hat man uns die Bereitschaft signalisiert, darüber zu verhandeln. Aber Sie wollen das nicht. Sie haben noch nicht einmal in Berlin gefragt, ob das möglich ist. Sie wollen den Wohnungsbau in Baden-Württemberg auf dem niedrigen Stand belassen, weil er Ihnen nicht am Herzen liegt.

Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zur Eigenheimzulage machen. Zunächst einmal sollte man sie ein bisschen entideologisieren und nicht so tun, als sei sie die einzige Rettung im Wohnungsbau. Sie wissen, die Eigenheimzulage gibt es erst seit 1996, und seit 1996 gibt es überall – auch und gerade in Baden-Württemberg – einen dramatischen Rückgang des Wohnungsbaus.

Wir sind der Auffassung, dass aus der Frage, ob die Eigenheimzulage beibehalten oder gestrichen werden soll, inzwischen die Luft heraus ist. Der Vorschlag, der jetzt von Koch und Steinbrück gemacht worden ist, die Zulage um 12 % abzuschmelzen, ist tragbar und realisierbar. Er wird wahrscheinlich auch durchgesetzt werden. Damit können auch die Häuslebauer leben.

Ich sage offen, uns wäre es lieber gewesen, bei der Eigenheimzulage eine regionale Komponente zu bekommen, weil wir eigentlich nicht einsehen, warum in Zwickau oder in Bremerhaven der Neubau eines Einfamilienhäuschens mit 26 000 € und nebenan der Abriss eines Wohnblocks mit genauso viel Geld gefördert wird. Das darf nicht sein. Die Eigenheimförderung müsste auf die Gebiete konzentriert werden, in denen tatsächlich Wohnungen fehlen.

Noch eine Anmerkung zu Herrn Witzel. Die von ihm geforderte Gleichstellung von Altbau und Neubau wird dem Problem auch nicht gerecht. Es ist nun einfach so: Auch dies sollte regionalisiert werden, weil wir zum Beispiel auch hier im mittleren Neckarraum Wohnungsneubau brauchen –

in Freiburg übrigens auch. Wenn Sie den Altbau mit dem Neubau gleichstellen, werden Sie das Kapital in die Gebrauchtwohnungen lenken und nicht mehr in den Neubau.

Die Erklärungen der Landesregierung zur Eigenheimzulage