Protokoll der Sitzung vom 02.10.2003

Zusammenfassend komme ich zu dem Ergebnis: BadenWürttemberg hat eine Vorreiterrolle in Sachen Autonomie der Hochschulen. Das wurde durch diese Studie eindeutig attestiert. Wir haben bereits ein Höchstmaß an Autonomie und damit an Wettbewerbsfähigkeit, auch an internationaler Wettbewerbsfähigkeit, und somit auch an Qualität. Wir haben unsere Hochschulen in der Vergangenheit weit vorangebracht. Wir haben auch den Reformprozess weit vorangebracht.

Aber nichts ist so gut, als dass es nicht noch besser werden könnte. Ich bitte darum, diese Vorschläge jetzt in den nächsten Wochen und Monaten aufzunehmen. Bitte betrachten Sie diese Debatte heute als das Startsignal für ein 15-monatiges ausgiebiges Gesetzgebungsverfahren; denn bereits am 1. Januar 2005 soll in Baden-Württemberg ein neues Hochschulgesetz in Kraft treten.

Noch einmal: Wir sind auf einem hervorragenden Weg, und ich bitte darum, dass alle mithelfen, dass dieses Thema Autonomie auch in Zukunft einen besonderen Stellenwert hat. Wir müssen alle daran interessiert sein, dass Baden-Württemberg auch in der Zukunft in Sachen Hochschulpolitik die Nummer 1 in der Bundesrepublik Deutschland bleibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Schüle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir führen heute die Debatte zu einer der Kernkompetenzen unseres Landes, nämlich zu der Frage, wie wir die Weiterentwicklung der Hochschulen in unserem Land strategisch vorantreiben. Zum 1. Januar 2005 wollen wir das weiterentwickelte Hochschulrecht in Kraft setzen. Wir werden die Zeit bis dahin sorgfältig zur Beratung nutzen. Dazu dient auch die heutige Debatte, deren Ausgangspunkt – Herr Pfister hat es erwähnt – die Studie des Stifterverbands ist.

Die Ausgangslage in unserem Land ist gut. Unsere Hochschulen liegen im nationalen Vergleich in der Spitzengruppe. Das bestätigt auch die Studie des Stifterverbands, die Anlass der heutigen Debatte ist. Die Studie ist von der Grundausrichtung her sehr gut, wenn sie auch nicht unerhebliche Einseitigkeiten enthält.

Das wird beispielsweise deutlich bei der Idee einer Stiftungsuniversität. Die Grundsatzidee einer Stiftungsuniversität ist gut. Da wir in unserem System aber auf absehbare Zeit auf öffentliche Mittel für die Universitäten angewiesen sind, brauchen wir ein Mindestmaß an öffentlicher Kontrolle. Wir haben das Kapazitätsrecht, und wir haben das Dienstrecht. Das kann durch eine Änderung der Rechtsform nicht verändert werden. Nicht geklärt ist auch die Frage des Stiftungskapitals. Wir werden, Herr Pfister, die Idee nicht aus dem Auge verlieren; aber ich glaube nicht, dass wir sie im Augenblick vorrangig aufgreifen werden.

Wir müssen stattdessen tiefer und sorgfältiger von bereits erreichten Ansätzen ausgehen, Verbesserungen erarbeiten und dabei das Ziel der Hochschulpolitik in unserem Lande klar im Auge behalten.

Unser Grundsatzziel – das ist wichtig – ist: Spitzenposition in Forschung und Entwicklung und Ausbau der Lehre, wobei gleichzeitig dafür Sorge zu tragen ist, dass die Breite der Studierenden an den Hochschulen eine gute Qualität der Leistungen erhält.

Die wesentlichen Methoden sind: mehr Wettbewerb, mehr Eigenständigkeit, mehr Flexibilität und mehr Autonomie für die Hochschulen. Daran haben sich die weiteren Schritte zu orientieren. Vier Kernprobleme will ich nennen.

Erstens: Wir müssen den Universitäten mehr Freiheit geben, damit Lehrstühle, Institute und Fakultäten nicht länger Hemmnisse für die fächerübergreifende Zusammenarbeit in Forschung und Lehre bilden. Dem integrierten Ansatz muss auch hier zum Durchbruch verholfen werden. Um das zu erreichen, müssen wir bei der Neugestaltung der Modalitäten, der Struktur- und Entwicklungspläne und der Zielvereinbarungen neue Freiräume schaffen. Das können wir im Land gemeinsam umsetzen.

Zweitens: Das Auswahlrecht der Studierenden durch die Universitäten ist ein wichtiger Punkt in der Studie des Stifterverbands. Wir wollen, dass die Hochschulen ihre Studierenden möglichst umfangreich selbst auswählen können. Das haben wir auch schon ein gutes Stück weit vorangebracht. Aber wir sind noch nicht weit genug.

Stichwort ZVS. Es ist unverständlich, dass nicht schon längst alle Fraktionen dieses Hauses die volle Auswahlfreiheit für alle Fächer und damit konkret auch die Abschaffung der ZVS fordern. Die ZVS verursacht Kosten und hindert uns an der Weiterentwicklung der Autonomie der Hochschulen in unserem Land.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Reinhart CDU: Das trifft den Punkt!)

Drittens: Studiengebühren. Die Universitäten brauchen – dies kommt in der Studie des Stifterverbands klar zum Ausdruck – dringend verlässliche Rahmenbedingungen auch und gerade in finanzieller Hinsicht. Vor diesem Hintergrund – nicht nur deshalb, aber vor allem auch vor diesem Hintergrund – kommt dem Modell der sozialverträglichen nachlaufenden Studiengebühren eine zentrale Rolle zu.

Diese Debatte müssen wir ideologiefrei führen. Auch in der CDU und der CSU hat es hierzu ausführliche Diskussionen gegeben, die nicht einfach waren. Aber in der gestrigen Debatte im Bundestag haben sich CDU und CSU erstmals klar für sozialverträgliche Studiengebühren ausgesprochen. Es hat lange Diskussionen gegeben; aber jetzt gibt es ein klares Ergebnis, und wir ziehen an einem Strang.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, unserem Wissenschaftsminister, Professor Frankenberg, zu danken, weil er der Motor bei der Frage sozialverträglicher Studiengebühren ist. Teilweise im Vordergrund, vor allem aber im Hintergrund hat er ganz entscheidend dafür gesorgt, dass wir auf CDU- und CSU-Linie auf nationaler Ebene jetzt eine genauso klare Sprache sprechen, wie wir es im Land BadenWürttemberg tun.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Pfister FDP/ DVP – Abg. Pfisterer CDU: Guter Mann!)

Meine Damen und Herren, die Grünen sind hier konstruktiv, auch wenn die Vorschläge von Ihnen, Frau Bauer, etwas kompliziert wirken. Sie werden in der Debatte sicherlich etwas dazu sagen.

Anders die SPD, die auf Bundesebene mithilfe des Hochschulrahmengesetzes ein Studiengebührenverbot durchgesetzt hat. Das ist nicht nur ein Verstoß gegen die Länderhoheit, sondern verhindert auch eine bessere Ausstattung der Universitäten mit finanziellen Mitteln.

(Abg. Pfisterer CDU: Wissenschaftsbremser!)

Wir würden uns sehr freuen, wenn es nicht beim gegenwärtigen Zustand bliebe, dass die Hochschulminister hinter vorgehaltener Hand sagen: „Frankenberg, Baden-Württemberg, geh du voran.

(Abg. Pfisterer CDU: So ist es!)

Dann können wir es in unseren Ländern auch unseren Leuten verkaufen.“ Nicht so wie bei den Langzeitstudiengebühren – erst Nein sagen und dann doch Ja sagen –, sondern mitmachen bei den Reformen!

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Pfisterer CDU: Trittbrettfahrer! – Abg. Carla Bregenzer SPD: So ein Quatsch!)

Meine Damen und Herren, Sie können sich heute ja klar dazu positionieren. Wir erwarten das auch von Ihnen.

Viertens: Um die Tendenzen zur Abwanderung hoch talentierter junger Wissenschaftler ins Ausland zu stoppen – eines unserer größten Probleme, die wir nach wie vor haben –, benötigen wir neben vielem anderen ein Weg von den starren Zwängen des BAT hin zu einem flexiblen Wissenschaftstarif. Nun wissen wir, dass wir das im Land BadenWürttemberg allein nicht umsetzen können. Aber ich denke, wenn wir eine grundlegende Debatte zur Hochschulreform führen, stellt sich auch die Frage, ob wir als Land BadenWürttemberg die Kraft haben – zusammen mit anderen Ländern –, von uns aus den Anstoß zu geben, eine Lösung zu finden. Ich werbe mit Nachdruck dafür, meine Damen und Herren.

Ich möchte zusammenfassen: Unser Ziel ist es, den Wettbewerb und die Autonomie der Hochschulen weiter zu stärken. Wir zählen dabei auf die konstruktive Mithilfe aller Fraktionen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Fleischer CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bregenzer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwischen den Landtagsfraktionen ist unbestritten, dass unsere Hochschulen die Aufgabe, Menschen exzellent auszubilden, zukunftsgestaltende Erkenntnisse zu gewinnen und insgesamt eine Wissenschaft zu betreiben, die im Weltmaßstab konkurrenzfähig ist, in hervorragender Weise wahrnehmen. Wir sind mit Recht stolz darauf, dass sie im nationalen und im internationalen Ranking häufig an vorderer Stelle zu finden sind.

(Abg. Rückert CDU: Gut so!)

Das ist gut so. Da hätten Sie eigentlich auch klatschen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE – Abg. Pfisterer CDU: Jetzt kommt aber gleich das Aber!)

Es kommt kein Aber. Herr Pfisterer, hören Sie mir einfach einmal unvoreingenommen zu.

(Abg. Pfisterer CDU: Mache ich gern!)

Dann merken Sie, wie viel Einigkeit heute hier herrscht.

Die Studie des Stifterverbands für die Deutsche Wirtschaft

(Abg. Pfister FDP/DVP: Wissenschaft!)

bescheinigt den baden-württembergischen Hochschulgesetzen eine hohe Qualität, zeigt aber auch auf, wo andere Bundesländer besser sind, und macht Vorschläge für die Weiterentwicklung, wenngleich sicher nicht alle im Verhältnis 1 : 1 übernommen werden können. Schließlich sind Hochschulen keine Wirtschaftsunternehmen, die sich frei auf dem Markt bewegen.

Wir finden viele Argumente wieder, die wir bereits 1999 in die Debatte eingebracht hatten, die damals aber ungehört blieben. Ich habe mit Freude gehört, Herr Pfister, was Sie heute zur Weiterentwicklung der Hochschulgesetze in Baden-Württemberg gesagt haben. Wenn Sie Ihre Kollegen von der CDU-Fraktion dazu bewegen können, dies umzusetzen,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Längst überzeugt, Frau Kollegin!)

dann gibt es zu den neuen Gesetzen, die ab 2005 Geltung haben, sicher eine große Zustimmung in diesem Haus.

Sie selbst haben gesagt: „Kein Gesetz ist so gut, als dass es nicht noch besser werden könnte.“ Nach einer Phase der Realisierung und der Bewährung in der Realität hat sich dann aber vielfach gezeigt, dass der in Teilen ohnehin schon geringe Mut zur langen Leine das Ministerium im Alltagsgeschäft häufig ganz verlassen hat.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, zu dem Phantom der sozial gerechten Studiengebühren, die es nirgendwo auf der Welt gibt, und zu dem Traum, dass diese Studiengebühren nicht von den Finanzministern kassiert werden, möchte ich jetzt lieber nichts sagen. Das gibt eine eigene Debatte.

(Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

Ich will die heutige Debatte dazu nutzen, Ihnen unsere Vorstellungen zu präsentieren, nach denen sich die Hochschulgesetzgebung in unserem Land weiterentwickeln sollte, um unsere Hochschulen für das erfolgreiche Bestehen im europäischen Raum fit zu machen.

Die Eckpunkte, an denen sich unserer Meinung nach die Gesetzgebung orientieren muss, sind: ein Hochschulgesetz für alle Hochschularten, ein europataugliches Hochschulgesetz, Autonomie, die diesen Namen auch verdient, Rückzug des Ministeriums aus der Detailsteuerung und damit auch der entsprechende Personalabbau, Weiterentwicklung der Finanzverantwortung und leistungsbezogene Mittelvergabe, eine höhere Durchlässigkeit zwischen den Hochschularten und die Öffnung unserer Hochschulen.