Protokoll der Sitzung vom 30.10.2003

Für das nächste Mal können wir aus meiner Sicht darüber reden, aber im Moment, denke ich, würden wir es nicht für richtig halten, jetzt, nachdem das vorbei ist, einzusteigen.

(Abg. Fischer SPD: Wir nehmen Sie das nächste Mal beim Wort, Herr Heinz!)

Aus diesen Gründen lehnen wir den Gesetzentwurf ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Nachfrage des Herrn Abg. Birzele?

Herr Kollege Heinz, lassen Sie sich von dieser Erwägung „Der Zeitpunkt ist vorbei“ auch bei der Verwaltungsreform leiten,

(Heiterkeit bei der SPD)

durch die es beispielsweise bei den Landratsämtern eine ganze Reihe von leitenden Angestellten und Beamten geben wird, die gegenwärtig Gemeinderäte sind?

(Zuruf des Abg. Fischer SPD)

Darüber wird man dann auch noch reden müssen. Aber im Moment besteht da kein Zusammenhang.

(Lachen bei der SPD – Abg. Birzele SPD: Ich kann Ihnen die Leute persönlich schon aufführen! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das war eine Beerdigungs- rede erster Klasse!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Glück.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gemeindeordnung sieht eine Reihe von Hinderungsgründen für den Eintritt in den Gemeinderat vor, unter anderem für leitende Beamte und Angestellte einer Körperschaft öffentlichen Rechts, wenn die Gemeinde in einem beschließenden Kollegialorgan mehr als die Hälfte der Stimmen hat. Es ist zweifelsohne richtig, darüber nachzudenken, ob die jetzige Situation gerecht ist, wenn gleichzeitig bei privatrechtlichen Unternehmen, an denen eine Gemeinde über 50 % hält, kein Hindernis besteht.

Die Situation ist in den letzten Jahren vermutlich etwas verschärft worden, Kollege Heinz, weil eben doch viele Gemeinden Aufgaben nach außen verlagert haben

(Abg. Fischer SPD: Ausgliederungen!)

und privatrechtliche Organisationen mit deren Wahrnehmung beauftragt haben.

(Abg. Schmiedel SPD: Genau!)

Die konkreten Zahlen darüber liegen weder Ihnen noch uns vor,

(Abg. Fischer SPD: Gehen Sie doch mal in eine Stadt oder in eine andere Kommune, und schauen Sie, was ausgegliedert ist!)

aber man kann davon ausgehen, dass das ein gewisser Trend war. Das spielt aber im Prinzip keine Rolle.

Um das Problem anzugehen, hätte man zum einen die Möglichkeit, auch hier eine Inkompatibilität zwischen einer Gemeinderatstätigkeit einerseits und der Tätigkeit in einer solchen Organisation andererseits herzustellen.

Ich habe allerdings Bedenken, so zu verfahren; denn wir beschneiden in einem solchen Fall das passive Wahlrecht. Man schließt, wie ich meine, unnötigerweise Menschen aus der ehrenamtlichen Kommunalarbeit aus, obwohl die Befangenheit in nur ganz, ganz wenigen Punkten vorhanden ist. Hier hat die Gemeindeordnung eben auch eine Lösung, nämlich genau diese Befangenheit. Wenn ein Punkt öffentlich diskutiert wird und es ist Befangenheit gegeben, dann darf der Betreffende nicht mitdiskutieren, nicht mitberaten und natürlich auch nicht abstimmen, und bei Befangenheit in einer nichtöffentlichen Sitzung muss er den Raum verlassen. Das ist ein ganz normales Verfahren, das wir jetzt schon haben. Dazu kämen eben noch wenige Punkte hinzu.

Meine Damen und Herren, in Abwägung der gegebenen Möglichkeiten sind wir doch der Meinung, wir sollten es zunächst bei der geltenden Gemeindeordnung belassen und keinen neuen Hinderungsgrund aufnehmen.

Den letzten Punkt hat Herr Kollege Heinz schon angesprochen: Im Augenblick wäre die Zeit sowieso nicht richtig; denn die Aufstellung der Listen hat bereits begonnen.

(Abg. Gall SPD: Sie haben bestimmt keine einzige aufgestellt!)

Es wurde bereits damit begonnen, Listen aufzustellen, und möglicherweise würden wir da noch Probleme bekommen.

(Abg. Birzele SPD: Aber, Herr Glück, wie viele Leiter von unteren Sonderbehörden werden jetzt als leitende Beamte ins Landratsamt eingeglie- dert?)

Dann hätte man möglicherweise schon einen zu viel geworben, und man müsste ihn wieder ausladen.

(Abg. Dr. Schüle CDU: Herr Birzele, mehr Niveau! – Gegenruf des Abg. Birzele SPD – Abg. Pfister FDP/DVP: War das jetzt eine Drohung? – Abg. Birzele SPD: Er ist Leiter eines Forstamts!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oelmayer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf verfolgt die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses das Ziel, die so genannten Inkompatibilitätsvorschriften in der Gemeindeordnung – so würde ich sie einmal bezeichnen – auszuweiten. Es geht um Personen, die auf der einen Seite ein politisches Mandat, ein Gemeinderatsmandat oder ein Mandat in einem Kreistag, wahrnehmen und auf der anderen Seite gleichzeitig in einem kommunal beherrschten wirtschaftlichen Unternehmen an leitender Stelle tätig sind, weil in einem solchen Verhältnis von vornherein Konflikte angelegt sind.

Kollege Heinz, so einfach, wie Sie die Angelegenheit abgetan haben, würde ich sie nicht sehen. Ich habe mir einmal – gar nicht so sehr für den heutigen Anlass, sondern für eine Diskussion im Zusammenhang mit dem Gemeindewirtschaftsrecht – die Mühe gemacht, die Verhältnisse in der Stadt Ulm anzusehen. Dort ist die Summe der Etats der privatisierten Gesellschaften, an denen die Stadt mehr als 50 % hält, inzwischen doppelt so hoch wie der öffentliche Etat, über den der Gemeinderat entscheidet.

(Abg. Heinz CDU: Wie lange schon?)

Daran können Sie sehen, Herr Kollege Heinz, dass die praktische Relevanz dieser Gesetzesinitiative der SPD sehr wohl von Bedeutung ist.

In Anbetracht der Hinderungsgründe, die ansonsten in der Gemeindeordnung stehen, halte ich es einfach für angebracht, den im vorliegenden Gesetzentwurf angesprochenen Konflikt auszuräumen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ihre Argumente kommen uns allenthalben entgegen. Ich habe mich gestern gefreut, als mir der Finanzminister für meine Ausführungen zum Besoldungsrecht nahezu ein Lob ausgesprochen hat.

(Zuruf des Abg. Seimetz CDU)

Dann hat er sie allerdings als visionär, in die Zukunft gerichtet und derzeit nicht zur Debatte stehend dargestellt. Gleiches begegnet mir heute schon wieder.

Wenn Sie der Meinung sind, dass wir § 29 und andere Paragraphen der Gemeindeordnung auf den Prüfstand stellen müssen, erhebt sich für mich die Frage, warum Sie das dann nicht tun. Es gibt doch die Möglichkeit, den Gesetzentwurf

der SPD-Fraktion dieses Hauses zum Anlass zu nehmen, zu sagen: Es geht nicht nur um Hinderungsgründe, sondern es geht auch um das aktive und passive Wahlrecht

(Abg. Hauk CDU: Ein hohes Gut!)

und um andere Fragestellungen in der Gemeindeordnung, die auf den Prüfstand gehören. Wenn Sie dieser Meinung sind, lassen Sie es uns machen. Wir sind erst in der Halbzeit der Legislaturperiode angekommen, wie wir gestern vom Ministerpräsidenten gehört haben.

Ein weiteres Argument, das ich einbringen möchte, haben Sie, Kollege Heinz, durchaus zu Recht angesprochen. Man kann die Beteiligung wahrscheinlich nicht nur an einer 50-%-Marge festmachen. Es gibt in privatrechtlich organisierten Unternehmen – hier geht es ja um GmbHs und um Aktiengesellschaften – tatsächlich Sperrminoritäten von 25 %. Ich gehe aber davon aus, dass die SPD-Fraktion in diesem Haus bereit sein wird, bei den gemeinsamen Beratungen im Innenausschuss intelligente, gut ausformulierte und präzise Änderungsvorschläge in den Gesetzentwurf aufzunehmen.

Allein anhand der wenigen Beispiele bei der Stadt Ulm, die ich belegt habe – in anderen Gemeinden und in Stuttgart stellt es sich sicher nicht anders dar – und angesichts der praktischen Relevanz der notwendigen Inkompatibilitätsvorschriften in der Gemeindeordnung halte ich den Gesetzentwurf jedenfalls für gerechtfertigt.

Ein Letztes, das immer wieder angesprochen wird, möchte ich einmal ganz unabhängig und wertneutral betrachten. Angesichts der Tatsache, dass jetzt 350 Behörden in Landratsämter eingegliedert und in Zukunft viele Funktionen dort wahrgenommen werden sollen, es also gleichzeitig ein Mehrfaches an Inkompatibilitäten und an Interessenkonflikten geben wird, hat der Gesetzentwurf durch die Verwaltungsreform, mit der Sie jetzt begonnen haben und die Sie wohl auch umsetzen wollen – davon gehe ich nach dem Vortrag des Ministerpräsidenten aus –, erst recht seine Berechtigung.

Außerdem erinnere ich Sie, Herr Kollege Heinz, wenn Sie jetzt mit dem Zeitargument kommen, einmal daran, dass wir die Gemeindeordnung schon bezogen auf einzelne Stellen – quasi Lex specialis – geändert haben, zum Beispiel als es um die Frage ging, welche Qualifikation Finanzbürgermeister haben müssen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Da war es innerhalb von vier Wochen möglich, die Gemeindeordnung zu ändern. Deswegen ist dieses Argument sicher nicht bestechend. Ich würde Sie bitten, hier vielleicht doch sachbezogen mit in dieses Gesetzgebungsverfahren einzutreten und Erweiterungen vorzuschlagen. Das wäre eine konstruktive Politik einer Regierungsfraktion. Ich hoffe, dass Sie darauf einsteigen.