Protokoll der Sitzung vom 30.10.2003

Sie hätten gepoltert, wie man das Ansehen der deutschen Industrie mit einer solch haltlosen Kritik dermaßen beschädigen könne.

(Abg. Döpper CDU: Das ist hypothetisch!)

Sie hätten ausgeführt, dass selbstverständlich das Zutrauen in unsere hervorragenden Unternehmen vorhanden sei und dass man denen nur vertrauen müsse, dass die Maut bis in einem halben Jahr funktioniere und dass diese elende Krittelei aufhören müsse. Das wäre doch Ihre Argumentation gewesen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Pauli CDU: Jetzt zur Sache!)

Meine Damen und Herren, diese Debatte ist unehrlich von A bis Z.

(Lachen bei der CDU – Abg. Döpper CDU: Das ist der Höhepunkt!)

Lassen Sie uns einmal über die Sache reden. Die Debatte, die Sie führen, ist nichts anderes als das Schwarzer-PeterSpielchen: Irgendjemand muss da schuld sein, und im Zweifel ist es immer jemand von Rot oder Grün in Berlin.

(Abg. Hauk CDU: Wir haben doch ein Problem: Die Einnahmen sind einkalkuliert!)

Selbst dann, wenn die Industrie so offenkundig wie hier ihre Technik nicht beherrscht, ist ein Roter oder ein Grüner daran schuld! Das ist absurd, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Pauli CDU: Ihr habt auch Regierungs- verantwortung!)

Lassen Sie uns jetzt einmal über die Sache reden.

(Unruhe bei der CDU)

Der Herr Ministerpräsident – er ist ja ein Hochtechnologieministerpräsident – hat, wie es schon erwähnt wurde, gestern verkündet, dass die Probleme eigentlich darauf zurückgingen, dass die rot-grüne Regierung auf die falsche Technologie gesetzt habe, nämlich auf die Satellitentechnik statt auf Bäbber. Besser wäre es mit Bäbbern gewesen, und Vorbild seien Österreich und die Schweiz.

Da muss man den Ministerpräsidenten erstens darüber aufklären, dass auch die Österreicher und die Schweizer über

den Bäbber hinaus sind; denn auch die benutzen Mikrowellentechnik.

(Abg. Pauli CDU: Bei denen funktioniert es aber!)

Zweitens muss man ihm einmal erklären – das will ich jetzt versuchen –, warum man diese Technik gewählt hat. Das hat zwei Gründe. Der Hinweis auf die Schweiz ist nicht stichhaltig, weil die Schweiz nicht in der EU ist und die Mauterfassung an der Grenze einstellen kann. Das können wir nicht; das verbieten uns eine EU-Richtlinie und der freie Warenverkehr. Die Österreicher haben auf einem eng begrenzten Streckennetz – dort gibt es viel weniger Autobahnen als bei uns – eine Mauterfassung an Baken, und dann reicht es, wenn sie die Durchfahrt des Lkws an der Bake messen, um für einen bestimmten Streckenabschnitt eine Maut abzubuchen.

Warum machen wir das in Deutschland nicht? Das erkläre ich Ihnen jetzt einmal; denn das haben Sie offenbar noch nicht verstanden.

(Abg. Scheuermann CDU: Das ist doch gar nicht streitig!)

Das ist aber der Punkt.

(Abg. Scheuermann und Abg. Hauk CDU: Das ist doch gar nicht streitig!)

Wenn der Herr Ministerpräsident sagt, die Bäbberlösung hätte uns das Chaos, über das wir gerade diskutieren, erspart, dann muss ich Ihnen, Herr Scheuermann, sagen: Sagen Sie doch dem Ministerpräsidenten, dass er bei seiner nächsten Regierungserklärung auf diese unsinnige Polemik verzichten sollte.

Wir haben diese Technik aus zwei Gründen gewählt: Erstens erlaubt sie uns, in Zukunft zeitabhängig und streckenabhängig auf dem gesamten Straßennetz flexibel nach der Verkehrslage eine Maut zu erheben, die steuernd wirkt.

(Abg. Hauk CDU: Da sind wir uns doch einig!)

Da sind wir uns einig. Da haben wir also die richtige Technik gewählt – nicht den Bäbber. Sagen Sie das dem Ministerpräsidenten!

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Zum Thema!)

Zweitens haben wir damit die Chance, über die Mehrwertdienste riesige wirtschaftliche Vorteile auch im Export zu erzielen.

Wenn Rot-Grün einmal wirklich Wirtschaftspolitik betreibt, fällt Ihnen nichts anderes ein als das seltsame Genörgel, dass die Technik nicht funktioniert.

Jetzt frage ich Sie: Haben Sie damit eigentlich keine Erfahrungen? Es gab einmal einen Verkehrsminister Schaufler, der sich damit gebrüstet hat, dass er den Pendolino in Baden-Württemberg einführen werde. Haben Sie, weil das bis heute nicht funktioniert, den Rücktritt von Herrn Schaufler gefordert,

(Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

oder war das vielleicht doch ein Problem von Adtranz?

(Beifall bei den Grünen – Zurufe von der CDU)

Jetzt kommen wir auf die Frage: Haben Sie dafür bezahlt oder nicht?

(Abg. Hauk CDU: Wir haben ein Problem: Sie ha- ben Einnahmen einkalkuliert!)

In der Sache sind wir uns einig: Es ist die richtige Technik ausgewählt worden.

(Abg. Birzele SPD: Und die Verkehrsanlagen an der B 27!)

Versagt hat nicht die Bundesregierung, sondern leider haben die Unternehmen aufgrund eines überehrgeizigen Zeitplans ihre Vorgaben nicht einhalten können.

Jetzt geht es ausschließlich um die Fragen: Wie ist der Vertrag gestaltet? Was passiert im Zusammenhang mit den fehlenden Einnahmen? Welche Auswirkungen auf den Straßenbau in Baden-Württemberg gibt es? Da Sie dazu bisher nichts Qualifiziertes ausgeführt haben, warte ich einmal ab, ob der Minister zum Kern der Debatte irgendetwas zu sagen hat,

(Zurufe von der CDU: Oh ja!)

und werde im Anschluss daran berichten, was dazu von der anderen Seite her noch zu ergänzen ist.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Verkehrsminister Müller.

(Abg. Röhm CDU: Jetzt kommts! – Abg. Döpper CDU: Jetzt musst du aufpassen, Boris!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Maut ist ein einziges Trauerspiel –

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Abg. Döpper CDU: Sehr gut!)

ich glaube, das kann man so kurz und trocken sagen –, und es ist eine Blamage für die deutsche Industrie und für die deutsche Politik in gleichem Maße.

Nachdem ich die Debatte bisher verfolgt habe, meine Damen und Herren von der Opposition, möchte ich Ihnen wenigstens jenes Maß an Selbstkritik empfehlen, das Ihre eigenen Kollegen in Berlin mittlerweile an den Tag legen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Pfister FDP/DVP)

Es ist schon toll, wie Sie versuchen, all die Fehlleistungen bei wem auch immer – bis hin zu Herrn Wissmann – abzuladen.

(Heiterkeit des Abg. Döpper CDU)

Jeden Tag gibt es neue Katastrophenmeldungen, sei es von Toll Collect