Protokoll der Sitzung vom 27.11.2003

(Beifall bei allen Fraktionen)

Versetzen Sie sich in die persönliche Situation Ihrer Kunden, und verstehen Sie sich als Dienstleister im wahrsten Sinne des Wortes! Mit Sicherheit kommt dann ein Ergebnis zustande, das rechtlich unangreifbar ist und von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert wird. Wer nämlich sieht, dass man zu seinen Gunsten alle gesetzlichen Möglichkeiten auslotet, ist auch bereit, Kompromisse einzugehen.

Ein weiteres Phänomen, das ich heute ansprechen möchte, erlebe ich oft bei Ortsterminen. Wenn man fragt, was die bisherigen Gespräche erbracht hätten, erhält man als Antwort: Alles ist bisher nur schriftlich gelaufen. Hierbei stört mich die Tatsache, dass von keiner Seite ein persönliches Gespräch gesucht worden ist. Für diese Sprachlosigkeit habe ich kein Verständnis. Es muss doch jedermann klar sein, dass sich beispielsweise eine Baurechtsangelegenheit, eine Straßenplanung oder auch ein wasserrechtliches Verfahren leichter realisieren lässt, wenn alle Beteiligten an einem Tisch sitzen und zusammen eine Lösung suchen. Nach meiner Erfahrung gibt es bei der gemeinsamen Konsenssuche aber vielfach noch erhebliche Defizite. Auch hier möchte ich an die Behörden appellieren, den ersten Schritt zu tun und zu einer Besprechung einzuladen, um eine gütliche Einigung zu erzielen.

Noch ein kurzes Wort zu Zahl und Art der Fälle, die den Petitionsausschuss in der ersten Hälfte dieser Wahlperiode beschäftigt haben. Eingegangen sind bisher rund 3 400 Petitionen. Rechnet man diese Zahl auf die gesamte Wahlperiode hoch, ergibt sich ein Rückgang um rund 1 800 Petitionen gegenüber der letzten Wahlperiode.

Wir liegen damit in einem bundesweit zu beobachtenden Trend.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Da müssen wir noch et- was tun!)

Auch die Petitionsausschüsse des Bundestags und anderer Landesparlamente haben durchweg rückläufige Eingangszahlen. Eine nähere Ursachenforschung hat noch kein Parlament betrieben. Eine Erklärung ist aber darin zu sehen, dass die Zahl ausländerrechtlicher Petitionen stark rückläu

fig ist. In Baden-Württemberg gehen in dieser Wahlperiode voraussichtlich 1 000 Eingaben weniger von diesem Personenkreis ein.

Der übrige Rückgang betrifft gleichmäßig alle Sachgebiete, die an der Spitze der Skala liegen. Dies gilt also für Bausachen, Steuerangelegenheiten, Sozialhilfe- und Gnadensachen. Ein größerer Rückgang ist bei Rentenangelegenheiten zu verzeichnen. Aber auch bei Personalangelegenheiten von Lehrern gab es ein gravierendes Minus. Die Eingaben von Lehrern sind in der letzten Wahlperiode in erster Linie deshalb hochgeschnellt, weil die Ermäßigung des Regelstundenmaßes aus gesundheitlichen Gründen gestrichen worden ist. Landespolitische Entscheidungen wirken sich also sehr kurzfristig auf die Eingangszahlen des Petitionsausschusses aus.

Noch ein Wort zu den Ausländerpetitionen, die gut 20 % der Gesamteingänge ausmachen. Auffallend ist, dass in der vergangenen Wahlperiode Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina mit rund 650 Eingaben an der Spitze lagen, in dieser Wahlperiode hochgerechnet aus dieser Gruppe aber nur rund 85 Eingaben kommen werden. Dies ist ein Ergebnis der Friedensbemühungen im früheren Jugoslawien, über das wir uns freuen können.

Ich möchte es bei diesen statistischen Daten belassen. Weitere interessante Details können Sie aus den Unterlagen entnehmen, die Ihnen vorliegen.

Interessant ist aber noch ein Aspekt. Unser Landtag hat für das Petitionsverfahren ein elektronisches System mit Dokumentenverwaltung entwickelt, das bei den anderen Landesparlamenten große Beachtung findet. Fünf Landtage haben sich bei uns bereits informiert. Einige haben unsere Entwicklung auch übernommen. Erst gestern war eine größere Delegation aus Schleswig-Holstein zusammen mit der dortigen Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten bei uns. Ich freue mich ganz besonders, dass wir ein beispielhaftes EDV-System haben und unsere Erfahrungen in ganz Deutschland weitergeben können. Unseren Mitarbeitern sage ich für dieses zusätzliche Engagement meinen besonderen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte abschließend nochmals allen Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss für ihre hervorragende Arbeit danken. Erwähnen möchte ich hier ausdrücklich meinen Stellvertreter, den Kollegen Reinhold Gall. Unser Verhältnis – das darf ich sagen – zeichnet sich durch eine freundschaftliche Zusammenarbeit aus.

Mein Dank gilt auch den Ministerien für die Stellungnahmen zu den einzelnen Petitionen. Für uns ist es wichtig zu wissen, dass wir uns auf diese Grundlagenarbeit verlassen können.

Außerdem möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Petitionsbüro ganz herzlich für ihre umfassende und sorgfältige Zuarbeit danken. Es ist eine Freude, mit ihnen zusammenzuarbeiten.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Dies gilt selbstverständlich auch für den Juristischen Dienst, der meine und unsere Arbeit vielfältig unterstützt. Besten Dank dafür.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der FDP/DVP und der Grünen)

Schließen möchte ich mit der Aussage einer Kollegin aus dem Bundestag vom Sommer dieses Jahres: Jede Petition hat einen Namen, ein Geburtsdatum, einen Wohnort, eine Telefonnummer und in den meisten Fällen auch eine ganz lange Geschichte. Es ist unsere Aufgabe, so füge ich hinzu, die Menschen hinter jeder Petition zu sehen und uns für sie einzusetzen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, für die Aussprache über den Bericht des Vorsitzenden des Petitionsausschusses hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion bei gestaffelten Redezeiten festgelegt.

In der Aussprache erteile ich Herrn Abg. Behringer das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der vom Vorsitzenden Döpper vorgelegte Bericht hat uns allen einmal mehr gezeigt, wie vielseitig die Eingaben an den Petitionsausschuss sind. Es sind oftmals ganz persönliche Betroffenheiten, die daraus resultieren, wie die Parlamente als Gesetzgeber das gesellschaftliche Leben gestalten. Als Parlamentarier können wir an den Eingaben und Beschwerden ablesen, wie sich die von uns beschlossenen Gesetze auswirken. Zum Teil können wir daraus auch Lehren ziehen.

Ich möchte mich vorab bei dem Kollegen Döpper bedanken, der unsere Arbeit im Petitionsausschuss bereits sehr ausführlich dargestellt hat.

Meine Damen und Herren, natürlich kommen insbesondere im Asylrecht und im Ausländerrecht immer wieder besondere Fälle vor – Fälle, die einem unter die Haut gehen. Aber für den Petitionsausschuss gilt, dass die rechtlichen Grenzen, die vom Gesetzgeber aufgestellt worden sind, nicht überschritten werden dürfen, auch wenn wir das persönliche Schicksal der Menschen als schwerwiegend ansehen. Wir können daher nicht aus Mitleid oder aus besonderer Betroffenheit heraus Entscheidungen gegen geltendes Recht treffen, selbst wenn wir das in dem einen oder anderen Fall vielleicht gerne tun würden.

Der Ausschuss entscheidet selbstbewusst, selbstständig und nicht nur als verlängerter Arm der Regierung. An dieser Stelle möchte ich einmal betonen, dass Stellungnahmen der Regierung für den Petitionsausschuss und den jeweiligen Berichterstatter nicht immer gleich Gesetze sind. Auch die Regierung kann sich einmal irren.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Da sollte man ei- gentlich klatschen!)

Meine Damen und Herren, manche Kollegen haben hin und wieder Schwierigkeiten, ihre Petitionen zeitgerecht auf die Tagesordnung zu setzen. Ich möchte an diese appellieren,

schneller zu einer Entscheidung zu kommen, denn auch die Petenten haben ein Anrecht auf schnelle Bearbeitung.

Es ist auch nicht in Ordnung, wenn Berichterstatter die Umsetzung der im Petitionsausschuss getroffenen Entscheidungen – ob sie ihnen passen oder nicht – durch Liegenlassen des Vorgangs verzögern und somit die Petition nicht abschließen.

Der Petitionsausschuss muss auch in Zukunft ein ansprechbares Gremium für den Bürger sein. Er hat eine sehr wichtige Funktion für das ganze Parlament. Wir dürfen nie vergessen: Wenn sich ein Bürger hinsetzt und dem Petitionsausschuss seine Sorgen und Probleme schriftlich mitteilt, dann ist ihm das persönlich ein großes Herzensanliegen. Er glaubt und kann auch hoffen, dass sein Anliegen ernst genommen wird. Ich meine, durch die Petitionen wird unsere parlamentarische Arbeit mit Leben, mit der Lebendigkeit von Menschen erfüllt.

Nach wie vor sind insbesondere die Petitionen im Baubereich sehr vielfältig und müssen sehr sensibel behandelt werden. Gerade in Bausachen haben die Ortstermine des Petitionsausschusses häufig gute Wirkung gezeigt. Sie führen von den Kommissionen in vielen Fällen zu praktischen Lösungen. Es werden Kompromisse erzielt. Natürlich ist es nicht immer möglich, alle Erwartungen zu erfüllen. Schließlich können und wollen wir keine Superrevisionsinstanz sein.

Im Übrigen gibt es auch keinen Erfahrungssatz, dass Petitionen von Haus aus immer berechtigt sind. Wir haben also viele Bürgerinnen und Bürger enttäuschen müssen, weil wir ihrem Anliegen nicht zum gewünschten Erfolg verhelfen konnten. Die Gesetzeslage ließ uns dabei keinen Spielraum. Wichtig war aber, dass wir den Menschen, den Petenten das Gefühl vermittelt haben, ihre Anliegen ernsthaft geprüft zu haben. Dies wird auch in Zukunft so sein.

Meine Damen und Herren, mein Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Petitionsbüro und den Regierungsvertretern für die vertrauensvolle Arbeit und das gute Miteinander. Besonders dem Vorsitzenden Döpper, wenn er auch manchmal einknickt,

(Heiterkeit – Abg. Döpper CDU: Des einen Freud’ ist des anderen Leid! – Abg. Fischer SPD: Ein- knickt oder einnickt? – Erneute Heiterkeit)

und seinem Stellvertreter, Herrn Gall, sage ich ebenfalls ein herzliches Wort des Dankes. Ich danke aber auch den Petenten für das Vertrauen, das sie dem Parlament entgegenbringen, wenn sie sich mit einer Bitte, einer Beschwerde oder einer Anregung an uns wenden.

Nun wünsche ich uns allen, dass wir trotz aller politischer Gegensätze und aller Mühseligkeiten weiterhin ehrliche Makler zwischen Bürgern und Behörden bleiben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Gall.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Petitionsausschuss hat man gelegentlich auch schon als Strafbataillon tituliert, in dem sich die Neuen im Parlament zuerst einmal ihre Lorbeeren verdienen müssen; gemeint hat man damit allerdings: ihre Hörner abstoßen sollen.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Bei mir aber nicht!)

Dies liegt wohl auch daran, dass die Menge der Eingaben, die oft mühsame Kleinarbeit, so man sich eine solche Arbeit macht, und anfangs auch manchmal die mangelnde Erfahrung den Stellenwert für die Abgeordneten eher gering erscheinen lassen. Für meine Person will ich aber ausdrücklich sagen – ich denke, dies wird auch von einer ganzen Reihe der Mitglieder des Ausschusses geteilt –: In keinem anderen Ausschuss des Parlaments ist man näher bei den Bürgerinnen und Bürgern, denn die Themen unserer Gesellschaft spiegeln sich im Petitionswesen wider. Der Vorsitzende des Ausschusses hat sie aufgezählt. Das heißt, der Petitionsausschuss ist auch Seismograph der Sorgen und Nöte unserer Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg. Gerade deshalb ist die Tätigkeit im Petitionsausschuss zwar gelegentlich belastend und tatsächlich mit viel Arbeit verbunden, aber sie ist auch befriedigend, und zumindest gelegentlich macht sie auch Spaß. Zum anderen lernt man als Mitglied der Legislative auch etwas über die Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Gesetzen, über die Verwaltungen und die daraus resultierenden Verwaltungstätigkeiten sowie auch über die Probleme der Bürger im Umgang mit Bürokratie. Ein Beispiel hierfür aus der zurückliegenden Arbeit war zum Beispiel eine unsinnige Fristsetzung bei Vorruhestandsregelungen, wobei der Petitionsausschuss Lösungen zugunsten der Petenten erreichen konnte.

Meine Damen und Herren, Petitionen haben in nicht wenigen Fällen aber auch eine Initiativfunktion, weisen auf Lücken in Gesetzen oder Verordnungen hin. So haben wir zum Beispiel erst kürzlich eine Petition bezüglich Fristen zur Aufbewahrung von Gerichtsakten der Regierung zur Erwägung überwiesen.

In der letzten Sitzung konnten wir auch erfahren, was geschehen kann, wenn sich staatliche Organe und Behörden nicht einig sind, das heißt unterschiedliche Rechtsauffassungen haben, und dies dann auf dem Rücken eines Bürgers ausgetragen wird, und zwar bis hin zu Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung. Für solche Fälle ist der Petitionsausschuss tatsächlich auch eine Notrufsäule und hat die Pflicht, auf der Seite der Bürger zu stehen.

Ein Beispiel völlig übertriebenen Behördenhandelns war auch die Absicht, aus vermeintlichen Sicherheitsgründen an der Mainleite zig Hektar abzuholzen. Auch hier konnte der Petitionsausschuss helfen, eine vernünftige und von allen Beteiligten akzeptierte Lösung zu finden.

(Abg. Hauk CDU: Unter Hinzuziehung von Fach- leuten!)

Zwei Bitten möchte ich, meine Damen und Herren, hier im Parlament äußern; man darf sie aber auch als kritische Anmerkung verstehen.

Erstens: Das in unserer Landesverfassung verankerte Recht, dass sich jedermann an die Volksvertretung wenden kann, verpflichtet auch zur sachlichen Prüfung. Gelegentlich – ich sage ausdrücklich gelegentlich – kann man aber durchaus auch den Eindruck gewinnen, dass sich die mit der Klärung des Sachverhalts beauftragten Ministerien ausschließlich auf die Bestätigung richtiger Handlungsweisen der untergeordneten Behörden konzentrieren. Ziel sollte aber sein – das wurde schon angedeutet –, den untergeordneten Behörden auch die Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten aufzuzeigen oder sie auch selbst zu nutzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU)