Protokoll der Sitzung vom 27.11.2003

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU)

Zweite Bitte: Petitionen – auch dies wurde gesagt – beinhalten vielfach Einzelschicksale. Unser Kollege Döpper hat darauf hingewiesen, dass die betroffenen Personen einen Anspruch darauf haben, dass wir sie ernst nehmen, und zwar auch dann, wenn sich ein 70-Jähriger darüber beschwert, dass ihm die Krankenkasse keine Erektionshilfe bezahlt.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Auch wenn wir häufig nicht helfen können – in diesem Fall war es so –,

(Vereinzelt Heiterkeit)

sollten wir zumindest die menschliche Tragik sehen und das jeweilige Anliegen mit dem entsprechenden Respekt behandeln.

Was Sie, Herr Kollege Döpper, von den Behörden zu Recht verlangt haben, nämlich Spielräume zu nutzen und, wo immer es geht, zugunsten der Menschen zu entscheiden, das sollten wir auch unserer eigenen Arbeit im Ausschuss als Maßstab zugrunde legen.

Mein Dank und der Dank meiner Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion gilt dem Vorsitzenden unseres Ausschusses, dem Kollegen Jörg Döpper,

(Beifall bei allen Fraktionen)

dem ich hier gern bescheinige, dass er eine hervorragende Arbeit leistet und seine Tätigkeit in Verantwortung gegenüber dem verfassungsrechtlichen Auftrag des Ausschusses sowie auch in kollegialer und fairer Weise ausführt. Herr Kollege Behringer, da knickte er ja so gut wie nie ein; er gibt im Zweifel den richtigen Argumenten den richtigen Stellenwert.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und der FDP/ DVP sowie Abgeordneten der Grünen und des Abg. Döpper CDU)

Danken will ich aber gern auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsbüros mit Fritz Mümmler an der Spitze und dem Juristischen Dienst, ohne deren zuverlässige Vor- und auch Zuarbeit wir unsere Arbeit tatsächlich nicht leisten könnten. Auch Sie, meine Damen und Herren, haben Ihren Anteil daran, wenn wir unter eine Petition schreiben können: Die Petition wird für erledigt erklärt, nachdem ihr abgeholfen wurde.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abge- ordneten der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Fauser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Gall hat ja gerade noch einmal breit dargestellt, worum es im Petitionsausschuss geht. Auch ich möchte Ihnen ganz kurz sagen, dass der Petitionsausschuss quasi der Ausschuss ist, an den sich die Bürger wenden, wenn sie sonst keine Chance hatten, ihr Recht zu erhalten. Auch für unseren Ausschuss gilt analog zu dem, was Max Weber einmal sagte: „Der Petitionsausschuss ist der Ausschuss, wo sich die von der Bürokratie geknechteten Bürger um Hilfe hinwenden.“

(Abg. Hillebrand CDU: „Geknechtet“! Oh wei, oh wei!)

Meine Damen und Herren, der Ausschuss – das wurde auch schon gesagt – beschäftigt sich nicht mit Gesetzen, mit Entwürfen, mit theoretischen Gegebenheiten, sondern damit, wie der Bürger die Gesetze am Ende zu verarbeiten hat, wie er Recht bekommt und welche Probleme dabei auftauchen.

Meine Damen und Herren, die ausländerrechtlichen Fragen – unser Vorsitzender, Herr Döpper, hat das angeführt – bilden einen Großteil der Fälle. Ich möchte hier wirklich einmal ganz deutlich sagen, dass diese oft schwierigen menschlichen Schicksale für uns alle im Petitionsausschuss fast nicht zu verkraften sind. Man kann sich nicht daran gewöhnen, und man ist immer wieder betroffen, wenn Familien auseinander gerissen werden oder es zu Abschiebungen kommt, die die Familien und die einzelnen Menschen wirklich sehr schwer treffen. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht auch wichtig, einmal zu betonen, dass in BadenWürttemberg tatsächlich kein Asylbewerber, kein Flüchtling zu viel im Land ist, wie es an manchen Stellen vielleicht gedacht wird, sondern dass das Innenministerium eine äußerst strikte Haltung beibehält und sich der Petitionsausschuss oft außerstande fühlt, von dieser strikten Haltung abzuweichen.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus ist festzuhalten, dass der Petitionsausschuss – das ist einfach so – mehr oder weniger nur Empfehlungen abgeben kann. Die kommunale Selbstverwaltung ist ein sehr starkes Recht. Wir sind froh, dass viele Gemeinden und Landkreise bereit sind, auf unsere Anliegen zu reagieren und gemeinsam mit dem Petitionsausschuss nach Lösungen zu suchen. Denn ohne diese gemeinsame Arbeit hätte der Petitionsausschuss oft keine Chance.

Das Gleiche gilt selbstverständlich für die Exekutive. Wenn die Ministerien Einzelfallentscheidungen anders sehen als der Petitionsausschuss, dann müssen wir versuchen, eine Einigung herbeizuführen. Sonst gehen diese Fälle direkt ins Kabinett, und das Kabinett schließt sich meistens – so habe ich es zumindest erlebt – den Empfehlungen der Ministerien an. Es ist deshalb sehr schön, dass die Exekutive im einen oder anderen Fall auch verhandlungsbereit ist, um für die Menschen im Land tragbare Lösungen zu schaffen.

Der Petitionsausschuss ist leider nicht, wie manchmal vielleicht angenommen wird, eine Gnadeninstanz, die sozusa

gen ähnlich wie ein Monarch Gnade aussprechen darf und Einzelfälle, die besonders prekär sind, an Gesetz und Recht vorbei entscheiden kann. Meine Damen und Herren, es wurde schon angesprochen: Wir sollten den Blick nicht immer zuerst auf Gesetze und Normen werfen, sondern wir sollten, wie unlängst auch Ministerpräsident Teufel sagte, Ortstermine machen und gemeinsam mit den Menschen Lösungen finden.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut!)

Tatsächlich gibt es Fälle, die sehr komplex sind. Wir haben zurzeit einen Petitionsfall, der eine Familie mit neun Kindern betrifft. Die Familie wollte den Bau ihres Eigenheims erweitern, hatte auch schon die Zusage, dass Eigenheimzulage gewährt wird. Und just während dieses Ausbaus verunglückt der Ehemann tödlich. Nun steht die Witwe mit neun Kindern da, und das Finanzamt sagt, da der Gesamtbau noch nicht fertig gewesen sei, könne eine Eigenheimzulage jetzt doch nicht gewährt werden.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Eine Granatensaue- rei!)

Da ist es wichtig, dass der Petitionsausschuss versucht, alle Spielräume auszuloten, und dies, meine Damen und Herren, werden wir auch tun.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich möchte ganz herzlich Herrn Mümmler und allen Mitarbeitern des Petitionsausschusses danken. Sie leisten wirklich eine eingespielte, außerordentlich wohlwollende Zuarbeit für alle im Ausschuss tätigen Abgeordneten. Ich möchte dem Juristischen Dienst herzlich danken, aber natürlich auch unserem Vorsitzenden, Herrn Döpper, und Herrn Ernst Behringer, die unsere schwierigen Anliegen immer mit sehr viel Großmut und Toleranz begleiten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Deshalb möchte ich ihnen ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit und für ihre Unterstützung danken.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Gall hat völlig Recht: Der Petitionsausschuss ist kein Strafbataillon, sondern bietet eine sehr interessante und abwechslungsreiche Tätigkeit, die neuen Abgeordneten Einblick in die Bandbreite von Politik gibt.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Wir haben ein sehr breites Spektrum an Themen. Es sind laut Statistik 40 verschiedene Themenbereiche. An erster Stelle steht das Ausländerrecht, dann kommen die Bausachen, und an dritter Stelle folgt der Strafvollzug.

Das Petitionsrecht ist ein Grundrecht. Der Petitionsausschuss und die darin vertretenen Abgeordneten verstehen

sich als Anwalt der Bittstellerinnen und Bittsteller. Das heißt, wir wollen explizit den Einzelfall prüfen. Herr Kollege Döpper hat gesagt, das würde immer mit gleicher Intensität geschehen. Das sehe ich leider ein wenig anders. Ich möchte dies auch anhand einiger Punkte begründen, aber zuvor noch kurz auf die Zahlen eingehen.

Sie haben schon gesagt, dass wir in dieser Legislaturperiode bislang 3 347 Petitionen hatten. Wir haben bei den Empfehlungen an die Regierung, die hier auch aufgeführt sind, leider sehr kleine Zahlen. Insgesamt sind 14 Petitionen zur Berücksichtigung oder Veranlassung einer Maßnahme an die Regierung gegeben worden. Das ist meines Erachtens zu wenig. Ich würde mir wünschen – da schließe ich mich manchen Appellen an –, dass es auch aufseiten der Verwaltung, der Behörden mehr Spielräume für positive Entscheidungen gibt.

(Abg. Hauk CDU: Nicht die Quantität, sondern die Qualität ist wichtig!)

Sie hatten das Thema Windkraft angesprochen. Dieses Thema hat uns schon ausführlich beschäftigt und wird uns in dieser Legislaturperiode wahrscheinlich noch weiter beschäftigen. Denn dazu sind noch eine ganze Menge an Petitionen vor allem von Gegnern dieser Energieform anhängig. Wir haben wirklich sehr viel Arbeit in die Besichtigung und die Beratung dieser Fälle investiert. Sie hatten den Standort „Holzschlägermatte“ in Freiburg erwähnt.

(Abg. Wieser CDU: Ein Freiburger Unteraus- schuss!)

Das ist meines Erachtens kein rühmliches Beispiel, kein positives Beispiel für die Arbeit des Petitionsausschusses gewesen. Denn Sie wissen alle, dass nun gerichtlich entschieden werden muss, ob diese Anlagen weiter in Betrieb bleiben dürfen oder abgeschaltet werden müssen.

Man sieht an diesem Vorgang in Freiburg, dass Sachverhalte – je nachdem, wie brisant sie politisch sind – durchaus unterschiedlich behandelt werden. Ich sehe auch, dass das Verhalten des Petitionsausschusses und die Art und Weise, in der hierbei vorgegangen worden ist – die Empfehlung des Ausschusses, die Genehmigung zurückzuziehen; der Widerspruch des Wirtschaftsministeriums; das Zurückziehen des Widerspruchs durch das Wirtschaftsministerium während der parlamentarischen Sommerpause, ohne dass wir den Vorgang noch einmal auf die Tagesordnung des Petitionsausschusses hätten setzen können –, durchaus hätten besser sein können. Die Art und Weise, in der vorgegangen wurde, schadet dem Ansehen des Ausschusses eher, als dass sie ihm nutzt.

Die Petition in Freiburg hat Konsequenzen. Sie haben eine Konsequenz angesprochen: Das Regierungspräsidium Freiburg fährt jetzt eine sehr viel restriktivere Linie. Auch ist es zu einer großen Verunsicherung aufseiten der Betreiber, der Landratsämter und der Gemeinden gekommen, weil sie befürchten müssen, dass man sich auf Vertrauensschutz, Planungshoheit und Anspruchspositionen nicht verlassen kann. Eine weitere Konsequenz ist, dass das Prinzip, Petitionen nach regionaler Zuständigkeit zur Bearbeitung zu verteilen, gebrochen worden ist und die Oppositionsabgeordneten außen vor bleiben.

Ich möchte dies in Gegensatz zu dem Thema Ausländerrecht stellen. Denn es besteht das Problem, dass dieses Thema nicht so intensiv beraten wird. Kollegin Fauser hat die relativ strikten Vorgaben des Innenministeriums angesprochen. Diesen Vorgaben schließt sich in aller Regel auch die Mehrheit des Petitionsausschusses an.

(Zuruf des Abg. Blenke CDU)

Ich appelliere eindringlich, die Ermessensspielräume, die wir auf Landesebene haben – sie sind zugegebenermaßen gering, aber es gibt sie, zum Beispiel beim Thema Reisefähigkeit –, mehr auszunutzen, als wir das bisher getan haben,

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

und uns wieder verstärkt auf die Funktion als Anwalt der Bürgerinnen und Bürger zu besinnen. Appelle an die Regierung tun immer gut, uns in Bezug auf vorhandene Spielräume zu unterstützen und die Gestaltungsmöglichkeiten auszunutzen.