Protokoll der Sitzung vom 18.12.2003

(Abg. Drexler SPD: Mit Diskussion! – Abg. Herr- mann CDU: Sie haben auch eine schlechte Regie- rung! Das ist doch klar!)

Leider haben Sie das schließlich im Bundesrat wieder rückgängig gemacht. Im Bundestag wurde hierzu eine ganz wesentliche, weiter gehende Regelung beschlossen; sie geht weit über das hinaus, was die Regierung vorgesehen hat.

Deshalb wird die Bedeutung des Landtags, was die Wahrnehmung seiner Rechte betrifft, selbstverständlich ganz wesentlich von der Bereitschaft der Regierungsfraktionen abhängen, sich einem offenen Diskussionsprozess im Parlament und in den Ausschüssen wirklich zu stellen

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

und nicht, wie Sie so schön sagten: „reflexartig“, alles abzulehnen, was seitens der Oppositionsfraktionen beantragt wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)

Ich halte das im Übrigen auch deshalb für kleinmütig, weil alles, was an Positivem bzw. Negativem kommt, zunächst einmal Regierungen zugerechnet wird, auch wenn Regierungen dies nur zu einem Teil selbst so bestimmen können. Das können Sie ja auf Bundesebene wie auf Landesebene feststellen.

Offene Diskussionsprozesse hier im Plenum, in den Ausschüssen, zwischen den Regierungsfraktionen und den Oppositionsfraktionen sind Voraussetzung dafür, dass die Bedeutung des Landtags auch in der Öffentlichkeit wieder wirklich wahrgenommen wird. Der Landtag entscheidet heute in vielen Fällen nur noch formal. Selbstverständlich entscheidet er, aber die Entscheidungen sind zuvor so festgelegt, dass leider nichts mehr zu verändern ist.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Deshalb kommt es natürlich auch darauf an, die Kompetenzen des Landtags zu stärken. Herr Kretschmann hat die Föderalismusreform angesprochen. Ein Auseinandernehmen der Kompetenzen, ein Zurückdrängen der Kompetenzen des Bundesrats, mehr Kompetenzen wieder in die Landtage hineinverlagern – über diese Begehren sind wir uns ja einig.

Wenn nun gesagt wurde, der Bund habe zu viel über die konkurrierende Gesetzgebung wahrgenommen, dann sollten wir das nicht ohne Selbstkritik betrachten. Erst kürzlich lag uns wieder ein Gesetz vor, zu dem es hieß, die Materie müsse bundeseinheitlich geregelt werden.

(Abg. Drexler SPD: Völliger Quatsch!)

Das widerspricht jedem vernünftigen Föderalismusgedanken. Wenn der Bund eine Regelung, die man auch einheitlich machen könnte, nicht vornimmt, wir aber eine für notwendig halten, warum treffen wir sie dann nicht hier im Land?

Genauso ist es im Verhältnis zu Europa. Es wird immer beklagt, dass sich Europa zu viel einmische, zu viel Detailregelungen bringe. Aber häufig erleben wir doch – nehmen Sie als Beispiel einmal den Bereich Pflanzenschutzmittel oder Ähnliches –, dass bei uns argumentiert wird: „Regelungen mögen ja vernünftig sein, aber wir können und wir wollen sie nicht treffen. Das soll Europa machen, das soll europaeinheitlich sein.“ Also kommt es auch darauf an, dass die Landesparlamente ihre Aufgaben, die sie nach der Verfassung haben, wirklich wahrnehmen wollen und die Verantwortung nicht auf andere Ebenen verschieben.

Im zweiten Teil will ich dann noch einmal etwas näher auf das Verhalten der Koalitionsfraktionen eingehen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Heiterkeit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bedeutung der Landesparlamente – so der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in sei

ner Rede vor vier Jahren vor der Universität hier in Stuttgart – gehe ständig zurück. Dafür gebe es zwei Gründe: Erstens versuchten die EU und der Bund, immer mehr Kompetenzen an sich zu ziehen. Zweitens sei in Sachen Bundesratsinitiativen, also bei der Einwirkung auf den Bund, die Regierung gefragt, nicht das Parlament. Das Parlament könne allenfalls Initiativen starten oder Anträge stellen, der Regierung bleibe aber das letzte Wort.

Meine Damen und Herren, die FDP/DVP-Landtagsfraktion spricht sich natürlich eindeutig für das föderale System aus. Da sind wir uns hier sicherlich fraktionsübergreifend einig. Föderalismus bezieht sich auf den Grundsatz des Subsidiaritätsprinzips der Enzyklika Rerum Novarum von Leo XIII. von 1891.

(Abg. Teßmer SPD: Oi!)

Wir stehen dafür. Wir befürworten die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, das im Grunde nichts anderes besagt, als dass die kleinere Einheit, die eine Aufgabe wahrnehmen kann, dies auch tun soll. Die größere Einheit soll ihr dabei Hilfe leisten, sprich Subsidium.

Daher sind wir der Meinung, Herr Kollege Kretschmann: Man sollte den Landesparlamenten so viele Kompetenzen wie möglich belassen und so wenige wie möglich an Bund und EU abgeben.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Wir üben das schon aus, Herr Drexler. – Wenn der Bund versucht, in die Kulturhoheit der Länder einzugreifen – das versucht auch meine eigene Bundestagsfraktion –, müssen wir uns natürlich geharnischt dagegen wehren, dass man uns diese Kompetenz nehmen will.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Das ist aber heute nicht das Problem!)

Ich würde mir ein Parlament mit mehr Selbstbewusstsein wünschen, meine Damen und Herren, ein Parlament mit mehr Kompetenzen.

(Zurufe von der SPD – Lachen bei der SPD)

Jetzt lassen Sie mich doch einmal reden. Wenn Sie etwas verändern wollen,

(Abg. Drexler SPD: Sie verändern doch gar nichts!)

dann hören Sie einmal zu. Aber Sie sind ja unfähig zuzuhören. Dann können Sie auch niemals etwas verändern.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Drexler SPD: Sie verändern doch gar nichts! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich wünsche mir ein Parlament mit mehr Souveränität.

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Carla Bregenzer: Das fängt bei den Fraktionen an, Herr Kleinmann!)

Ob dabei bundespolitische Themen, die auch die Menschen im Land betreffen, diskutiert werden, stellt für mich, Herr Kollege Kretschmann, kein Problem dar. Was die Men

schen bewegt, ob das nun ein bundespolitisches oder ein landespolitisches Thema ist, muss auch uns Parlamentarier in Baden-Württemberg ein Stück weit bewegen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht müsste eine Parlamentsreform Folgendes beachten:

Wir sollten erstens strikt dagegen sein, rituell vorgesehene Aktuelle Debatten zu führen. Man sucht krampfhaft nach Themen,

(Zuruf von der CDU: Jawohl, genau!)

quasselt darüber, und jeder ärgert sich eigentlich.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Warum geben wir dies nicht auf?

Zweitens müsste man – auch ich bemühe mich, dies in meinen Reden zu tun – mehr auf seine Vorrednerinnen und Vorredner eingehen.

(Zurufe von der SPD)

Man müsste Debatten führen und sollte nicht nur Geschriebenes einfach vortragen.

(Beifall des Abg. Pfister FDP/DVP – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Drexler: Dann machen Sie es doch!)

Herr Drexler, ich habe doch gerade gesagt, ich mache das.

(Abg. Drexler SPD: Nein, Sie haben gerade abgele- sen!)

Ich habe einen handgeschriebenen Text. Ihr Vorwurf ist lächerlich.