Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

Wissen Sie, was das bedeutet,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ich habe gesagt: „nicht nur“! Haben Sie nicht zugehört, was ich gesagt ha- be?)

Herr Kollege Oettinger? Das bedeutet bis zum Jahr 2007 11 % Wachstum.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)

Das ausbleibende Wachstum verschärft unsere Probleme; das wird niemand ernsthaft bestreiten. Deswegen hat die Bundesregierung die entsprechenden Maßnahmen in dieser Legislaturperiode ergriffen, um die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass es mit der Wirtschaft wieder aufwärts geht. Wir allerdings stehen für nachhaltiges Wachstum, nicht für ein blindes Wachstum.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Kretschmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Theurer?

(Heiterkeit – Zuruf des Abg. Blenke CDU)

Bitte schön.

Herr Kollege Kretschmann, Sie haben gerade die Bundesregierung angesprochen. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Herr Eichel sogar bereits 2004 die Nullverschuldung erreichen wollte, und wie beurteilen Sie dieses Versagen der Bundesregierung?

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist wieder etwas an- deres! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das lenkt ja bloß ab!)

Das beurteile ich nicht positiv. Warum sollte ich das auch? Aber ich meine, dass das die üblichen Ablenkungsmanöver sind. Auch der Kollege Oettinger hat ja die Haushaltspolitik eher am Rande gestreift, und er wird schon gewusst haben, warum.

Dieses ausfallende Wachstum verschärft unsere Probleme. Wir brauchen natürlich in vielen Bereichen ein nachhaltiges Wachstum. Ausgerechnet das einzige Feld, auf dem wir das hatten, nämlich bei den erneuerbaren Energien, ist von Ministerpräsident Teufel mit seinen fanatischen Antiwindkraftkampagnen torpediert worden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Hillebrand CDU)

Gerade auf einem Gebiet, auf dem die Leute bereit sind, ihr gutes Geld für vernünftige ökologische Investitionen auszugeben, auf dem in den letzten fünf Jahren 40 000 Arbeitsplätze geschaffen worden sind, wird bürokratisch gebremst, aber im eigenen Haushalt will man noch massiv beim Klimaschutz streichen und gar nichts für die Lösung der ökologischen Probleme tun. Gott sei Dank hat der Kollege Oettinger wenigstens verhindert, dass der minimale Beitrag von 5 Millionen €, den das Land dazu leistet, noch weiter gekürzt wird. Immerhin ein kleiner Lichtblick!

Es fehlt einfach an Wahrheit und Klarheit, an dem Willen, den Tatsachen ins Auge zu sehen.

Die Regierungsfraktionen haben nach meiner Beobachtung drei Konzepte:

Erstens: Mit ihrer Mehrheit die Opposition möglichst kommentarlos und ohne Begründung aussitzen. Die Opposition hat zu den Beratungen im Finanzausschuss annähernd 200 Anträge eingebracht. Der überwältigende Anteil davon betraf Streichungen. Angesichts der finanziellen Probleme, die wir haben, müsste man ja wenigstens erwarten, dass Sie sagen: „Den einen oder anderen Antrag tragen wir mit.“ Umgekehrt machen wir ja schließlich auch einen Großteil Ihrer Streichungen mit. Völlige Fehlanzeige! Aber nicht nur das, sondern die Ablehnung unserer Anträge wird nicht einmal begründet. Ohne Begründung, ohne Kommentar laufen unsere Anträge in den Finanzausschusssitzungen an den Regierungsfraktionen vorbei. Der Kollege Oettinger verweist dann auf die Haushaltsstrukturkommission, die bekanntlich jenseits der Öffentlichkeit tagt. Ich will wissen, was dabei jetzt Großes herausgekommen ist. Das kann ich nicht erkennen.

Das ist die erste Strategie der Regierungsfraktionen:

(Beifall bei den Grünen)

Sie sitzt die ganze Opposition einfach kommentarlos aus.

Zweitens: Durch Ihre eigenen Anträge im Promillebereich zeigen Sie, dass Sie auch noch existieren.

(Heiterkeit der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Das, was Sie als Fraktion für die Öffentlichkeit sichtbar bewegt haben, liegt in der Größenordnung von 10 Millionen €, wohingegen in anderen Bereichen, in denen es wirklich um viele Millionen geht, völliges Stillschweigen herrscht.

Dritte Strategie: Keine Schwerpunkte setzen. Dann muss man nicht Farbe bekennen und keine schmerzhaften Eingriffe vornehmen. Das haben Sie wieder durch eine globale Minderausgabe von annähernd 400 Millionen € gezeigt, wobei Sie ja noch 152 Millionen € aus dem Jahr 2002 vor sich herschieben. Es ist doch der Abgesang auf Gestaltung, wenn man als Regierungskoalition so etwas zulässt, wenn man sagt: „Das soll einfach die Regierung machen, und wir passen. Wir haben nichts dazu zu sagen, wo im Haushalt wirklich Schwerpunkte in Angriff genommen werden sollten.“

Schwerpunkte muss man aber gerade dann setzen, wenn die Mittel knapp sind. Wenn die Mittel reichlich fließen – was sie natürlich in Wirklichkeit seit 30 Jahren nicht mehr tun –, dann kann man eher alle Wünsche bedienen. Dann kommt es nicht so sehr darauf an. Jetzt kommt es darauf an, Schwerpunkte zu setzen. Das haben Sie aufgegeben und haben die globalen Minderausgaben drastisch erhöht. Das betrifft jeden hundertsten Euro; das muss man sich einmal vorstellen. Völlig jenseits des Parlaments wird entschieden, wo durch die Regierung etwas ausgegeben wird und wo nicht. Dabei besteht folgende Gefahr: Da die Streichungen nicht mehr hier im Landtag im Gefecht der öffentlichen Auseinandersetzung erfolgen, wird genau bei denjenigen gestrichen, die nicht schreien können und die keine Lobby haben.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Drexler SPD)

Genau das ist die Gefahr der globalen Minderausgaben.

Wir hatten den Mut, solche Schwerpunkte zu setzen, und wir haben bei dieser knappen Finanzlage über 270 Millionen € umgeschichtet. Darauf sind wir stolz. Wir haben sie in die richtigen Schwerpunkte umgeschichtet, nämlich auf der einen Seite in Bildung, Forschung und Entwicklung und auf der anderen Seite in die Kommunen. Denn wir wissen, dass viele unserer Kommunen mit dem Rücken zur Wand stehen. Deswegen war es, glaube ich, ein absolut richtiges Konzept, in dieser dramatischen Situation den Kommunen nicht in die Tasche zu greifen.

Was haben Sie gemacht? Sie haben die Gewerbesteuerreform blockiert, sodass wir jetzt lediglich eine Senkung der Gewerbesteuerumlage haben, aber keine Reform. Denn Sie waren nicht in der Lage, die Schwächen Ihrer eigenen Konzeption auszumerzen, zum Beispiel das Stadt-Umland-Problem

(Abg. Theurer FDP/DVP: Das ist lösbar!)

oder das Problem, dass Kommunen im ländlichen Raum drastischere Erhöhungen der Einkommensteuersätze durchführen müssten als Städte. Das alles konnten Sie nicht beantworten.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Doch, das können wir beantworten!)

Genau das war auch der Grund, warum Ihre eigene kommunale Basis Ihr Modell abgelehnt hat. Sie greifen stattdessen in einer so dramatischen Situation den Kommunen mit 180 Millionen € massiv in die Tasche.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Jetzt müssen Sie bei den richtigen Zahlen bleiben! – Abg. Drexler SPD: 80 Millionen € im Investitionsfonds!)

Bei den Schlüsselzuweisungen, bei den ÖPNV-Mitteln, im Kfz-Steuerverbund und im Ausgleichstock werden 115 Millionen € gestrichen. Im Kommunalen Umweltschutzfonds werden 27 Millionen € gestrichen, bei der Krankenhausfinanzierung werden 15,5 Millionen € gestrichen, im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum werden 10 Millionen € gestrichen, bei der Stadtsanierung 8 Millionen €, beim Schulhausneubau 4,1 Millionen € und in Einrichtungen der Altenhilfe 2,4 Millionen €. Das sind genau die Positionen, bei denen Sie streichen, und es sind genau die Positionen, für die wir richtigerweise Mittel umgeschichtet haben.

Stattdessen geben Sie für Großprojekte wie Stuttgart 21 und die Fildermesse einfach Geld aus, das Sie gar nicht haben. Dazu muss ich doch noch einmal einen Satz verlieren:

(Abg. Theurer FDP/DVP: Der Verzicht auf Groß- projekte saniert den Haushalt nicht!)

Herr Kollege Oettinger, Sie haben gesagt: „Wir müssen alles daraufhin überprüfen, ob es in unserem Land Arbeit und Beschäftigung bringt und ob es die Wirtschaft auf Trab bringt.“ Jetzt frage ich Sie einmal: Ist es eigentlich richtig,

im Kernbereich des Landes, bei den Universitäten, so drastisch zuzulangen? Bei den Fachhochschulen sind es 20,9 Millionen €, bei der Kürzung des Solidarpakts sind es 30 Millionen €. Ist es richtig, dort zu kürzen und stattdessen eine Messe zu bauen, die nicht zu den Kernaufgaben des Landes gehört? Sie ist eine Kernaufgabe der Wirtschaft. Wenn Sie sich den Messemarkt einmal anschauen, sehen Sie: Von 1998 bis jetzt ist die gesamte Ausstellungsfläche von 2,3 Millionen Quadratmeter auf 2,6 Millionen Quadratmeter gestiegen, und zwar bei sinkender Nachfrage. Was ist der Grund dafür? Der klassische Subventionswettlauf: Man macht etwas, weil alle es machen. Niemand hat eine einzige neue Messe entdeckt. Es kommt nur zu Verschiebungen von Messen von einem auf einen anderen Standort. Wir haben x Beispiele dafür, dass diese Subventionswettläufe der öffentlichen Hand in Bereichen, in denen sie weder besondere Kompetenz noch Zuständigkeit besitzt, zu nichts Gutem führen.

(Beifall bei den Grünen)

Schauen Sie nur die ganzen Agrarsubventionen an, dann wissen Sie es. In einer solchen Situation einen neuen Subventionstatbestand in einer solchen Größenordnung zu schaffen und dann noch großzügig einer Kommune, die die Messe gar nicht möchte, weil sie die Verkehrsprobleme, die dort entstehen, nicht lösen kann, 35 Millionen € anzubieten – was hat das denn mit einer Politik zu tun, die den Mittelstand und unsere Wirtschaft stärkt und im Blick hat, wofür wir zuständig sind? Wir sind zuständig dafür, der Wirtschaft und dem Mittelstand gut ausgebildete junge Leute zu vermitteln und eine Universitäts- und Fachhochschullandschaft zu haben, die den Herausforderungen gerecht wird,

(Abg. Döpper CDU: Dazu brauchen wir auch Geld!)

und nicht dafür, dort 50 Millionen € zu streichen und stattdessen Dinge zu finanzieren, für die wir nicht zuständig sind.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Die einzige vernünftige Rede! – Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Dasselbe gilt in anderen wichtigen Bereichen und für die demographischen Entwicklungen: Wir haben den Mut, beim Landeserziehungsgeld kräftig umzuschichten, weil wir mehr Kleinkindbetreuung brauchen. Wir haben den Mut, zugunsten von Ganztagsschulen umzuschichten, weil wir wissen, dass wir nur so von unten anfangen können, eine gute, zuverlässige Bildung und Ausbildung für unsere jungen Menschen zu finanzieren. Das muss die Kernaufgabe unserer Politik sein.

(Beifall der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Wir haben dafür klipp und klar unter großen Anstrengungen Vorschläge unterbreitet. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion wirklich dankbar dafür und auch stolz darauf, wie sie das mit dem kleinen Mitarbeiterstab, den wir besitzen, in ihren Ressorts gemacht haben. Sie haben eine gewaltige Anstrengung unternommen und gezeigt: Ja, es ist möglich, in diesem Haushalt auch unter schwierigen Bedingungen Schwerpunkte zu setzen und zu sagen,

wo die Kernkompetenzen und die Kernaufgaben des Landes sind, und dort umzuschichten, ohne zugleich durch Luftbuchungen, Einmalverkäufe und unseriöse Finanzierungskonzepte selbst unseriös zu sein. Vielmehr haben wir das knallhart auf einer seriösen Grundlage gemacht. Darauf sind wir stolz. Ich finde, wir haben dem Parlament damit gezeigt, wie man auch in schwierigen Zeiten eine gute, zukunftweisende Finanzpolitik macht.

Herzlichen Dank.