Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Haushaltsplanberatungen zum Anlass nehmen, auf zwei Punkte einzugehen: zum einen noch einmal auf die Bedeutung des Landtags im Zusammenhang mit der europäischen Ebene und der Bundesebene und zum anderen auf den Stellenwert, den der Landtag sich selbst gibt, und das Selbstverständnis, mit dem dieses Parlament hier agiert.

Wir setzen uns in der Föderalismuskommission gemeinsam für eine Stärkung der Landesparlamente ein. Der Bund hat substanziell in unsere Gesetzgebungsrechte eingegriffen, indem er die konkurrierende Gesetzgebung fast ausschließlich an sich gezogen hat. Viel zu viel wird verfahrensrechtlich zu detailliert geregelt. Dadurch wird die Eigenständigkeit der Länder eingeschränkt und das Subsidiaritätsprinzip verletzt. Diese Unübersichtlichkeit der Gesetzgebung sowie die Verflechtungen im Bereich der Zuständigkeiten und der Finanzierung sind auch Ursachen dafür, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger politikverdrossen sind, weil sie die Entscheidungen häufig keiner Ebene mehr zuordnen können.

Es ist nun Aufgabe der Föderalismuskommission, das zu ändern und den Landesparlamenten ihre Kernkompetenzen wieder zurückzugeben. Wir setzen große Hoffnungen auf die drei Delegierten aus Baden-Württemberg – auf Ministerpräsident Teufel, auf den Kollegen Drexler

(Abg. Fischer SPD: Das sowieso! Auf den können wir Hoffnung setzen!)

und auf unseren Fraktionschef Kretschmann –, dass sie mit geballter Schwaben-Power oder baden-württembergischer Power etwas daran ändern.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Ministers Dr. Repnik – Abg. Drexler SPD: Aber den MP können wir zu Baden rechnen!)

Okay: baden-württembergische Power. – Es muss aber auch unser aller Anliegen sein, über die Bedeutung der Föderalismuskommission breiter zu diskutieren, häufiger hier im Landtag darüber zu diskutieren und auch innerhalb unserer Parteien darüber zu diskutieren. Dies betrifft zunächst die Stärkung der Landesparlamente durch mehr Kernkompetenzen.

Zum anderen muss das Parlament natürlich die eigenen Gestaltungsspielräume auch besser wahrnehmen. In der Tat

wird im Bundestag kein Gesetz so verabschiedet, wie es eingebracht worden ist. Bei uns im Landtag gilt genau das Gegenteil:

(Zuruf des Abg. Rech CDU)

Jedes Gesetz wird so verabschiedet, wie es eingebracht worden ist.

(Abg. Drexler SPD: Das ist nicht in Ordnung! – Gegenruf des Abg. Hauk CDU: Das ist gutes Hand- werk! – Weitere Zurufe von der SPD und der CDU)

Das Gleiche gilt auch für den Haushalt. Die Finanzausschusssitzungen kann man sich als Opposition doch eigentlich schenken.

(Abg. Pfisterer CDU: Da muss man Nachrichten nach Berlin senden!)

Die Regierungsfraktionen sind nicht bereit oder vielleicht auch nicht in der Lage, sich auf wirkliche Diskussionen einzulassen.

(Oh-Rufe von der CDU)

Da wird konsequent alles, was von der Opposition kommt, abgelehnt, während alles, was von der Regierung kommt, konsequent abgenickt wird.

(Zurufe von der CDU – Minister Dr. Repnik: Das stimmt doch nicht!)

Vergegenwärtigen Sie sich einmal die Finanzausschusssitzungen. Wir als Grüne haben den Anspruch,

(Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

differenzierter zu entscheiden, die Anträge danach zu beurteilen, ob sie vernünftig sind. Das heißt, wir können auch einmal einen Antrag von der Regierungskoalition akzeptieren, wenn wir ihn für vernünftig halten; ihm können wir dann auch zustimmen.

(Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Es würde eine viel bessere Diskussions- und Beratungskultur entstehen, es würde interessantere Diskussionen und letztlich auch einmal eine wirkliche Debatte über den künftigen Weg der Menschen in Baden-Württemberg geben, wenn Sie nicht reflexhaft jeden Antrag, der von der Opposition kommt, ablehnen würden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ein weiterer Punkt, der die politische Schwäche der Regierungsfraktionen darstellt, ist die Tatsache,

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

dass die globalen Minderausgaben eine Höhe von fast 400 Millionen € erreicht haben. Das schränkt das Gestaltungsrecht des Parlaments ebenfalls ein. Das heißt, die Regierungsfraktionen sind nicht nur zahm geworden, wie eine

Stuttgarter Zeitung geschrieben hat, sondern sie zeichnen sich auch noch durch Gestaltungsarmut aus.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Oi, oi, oi!)

Jetzt noch ein Wort zum Stellenwert, den sich das Parlament selbst gibt. Im November fanden parallel zu Landtagssitzungen Koalitionsverhandlungen statt, um die „größte Justizreform aller Zeiten“ zu verabschieden. Im Präsidium wurde das kritisiert und erklärt, dass parallel zu Plenarsitzungen keine Kongresse, keine Veranstaltungen, keine Pressekonferenzen von Regierungsmitgliedern stattfinden sollen. Gestern Nachmittag hat die Kultusministerin eine Pressekonferenz durchgeführt mit der Konsequenz, dass die gesamte Pressetribüne im Plenarsaal leer war und die Diskussion hier im Landtag unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(Abg. Braun SPD: Wo ist denn die Ministerin?)

Das ist eine deutliche Missachtung des Parlaments und sagt viel über das Verständnis aus, das manche Regierungsmitglieder vom Parlament haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu den Einsparungen im Einzelplan 01; meine Kollegen Fischer und Hauk haben diesen Punkt vorhin ja auch schon angesprochen.

Selbstverständlich kann man auch im Landtag sparen. Das haben wir in den letzten Jahren durch Einsparungen in der Verwaltung und in den Fraktionen praktiziert. Das tun wir auch in diesem Jahr wieder: 135 000 € in der Verwaltung und 20 000 € in den Fraktionen. Für die Oppositionsfraktionen sind diese Einsparungen – auf uns Grüne entfällt davon ein Anteil von 2 500 € – ein großer Einschnitt. Denn unser Auftrag ist es, die Regierung zu kontrollieren, eine Regierung, die es sich leistet, Doppelstrukturen zu finanzieren – durch Abteilungen, die sich im Staatsministerium spiegelgleich zu den anderen Ministerien finden, wodurch seit dem Jahr 2000 31 Stellen zugewachsen sind. Dagegen sind bei den Fraktionen Stellen weggefallen.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Meiner Meinung nach besteht beim Landtag noch Einsparungspotenzial, sei es durch die Verkleinerung der Fahrzeugflotte oder durch die Reduzierung der Zahl der Vizepräsidentinnen. Vielleicht hat Frau Vizepräsidentin Fauser ja tatsächlich keine Ambitionen mehr,

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

nachdem sie in der Presse kundgetan hat, dass man verlassen sei, wenn man sich auf die Politik verlasse.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Frau Fauser, damit tragen Sie nicht nur nicht zu einem positiven Selbstverständnis des Landtags bei, sondern Sie fördern nebenbei auch noch die Politikverdrossenheit der Leute.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abge- ordneten der CDU)

Wir müssen über parlamentarische Gestaltungsfragen, über die Frage der Abhaltung öffentlicher Ausschusssitzungen, über die Frage der Einrichtung eines Europaausschusses diskutieren. Ich denke, wir haben genügend Zündstoff für interessante, spannende und hoffentlich auch leidenschaftliche Diskussionen in diesem Landtag.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Abg. Herrmann CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen deshalb zur A b s t i m m u n g über den Einzelplan 01 – Landtag. Abstimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, Drucksache 13/2801.

Ich rufe auf

Kapitel 0101

Landtag