Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

Darauf wird Herr Kollege Gaßmann in der nächsten Runde eingehen.

Ich weiß schon, was Sie antworten werden, Herr Minister. Sie kommen wieder mit der alten Leier, bringen Statistiken und Bundesvergleiche und fragen: Stehen wir nicht blendend da? Haben wir nicht Großartiges geleistet? Sind wir nicht Spitze hier, und sind wir nicht Spitze dort?

Darauf antworten wir: Natürlich, Baden-Württemberg ist ein wirtschaftsstarkes Land. Die Wirtschaftsstruktur, die in Jahrzehnten hier gewachsen ist, die verantwortliche Tätigkeit von wichtigen Unternehmensführern, die nicht an kurzfristigen Renditen interessiert waren, sondern an der nachhaltigen Entwicklung ihrer Unternehmen, die gute Qualifikation der Facharbeiter und Ingenieure und die verantwortungsvolle Arbeit der Gewerkschaften haben dazu beigetragen. Die Forschungslandschaft in Baden-Württemberg ist über Jahrzehnte gewachsen und hat die Stärke bekommen, die sie heute hat.

Das ist natürlich alles richtig. Aber ist das ein Grund, nichts zu tun? Darf man das? Muss man nicht gerade vor diesem Hintergrund der Stärke diese Stärke weiterentwickeln und Vorsorge treffen für die Zukunft, damit man auch künftig an der Spitze ist?

Wir haben Vorschläge, konkrete Vorschläge, und wir würden uns wünschen, dass Sie darauf eingehen, und zwar rechtzeitig darauf eingehen. Sie haben jetzt angedeutet, im Bereich der Finanzierung der Wohnbauförderung etwas tun

zu wollen. Es ist das x-te Mal, dass wir damit kommen, aber jetzt wollen Sie wenigstens einmal ernsthaft darüber nachdenken.

Wir haben Vorschläge unterbreitet für eine Wirtschaftsförderung aus einem Guss. Wir haben vorgeschlagen, die Kräfte, die wir in diesem Bereich haben, zu bündeln, um die Schlagkraft zu erhöhen und wichtige Themen voranzubringen. Wir haben Konzeptionen vorgeschlagen, um den Hochtechnologiestandort zu sichern. Es geht uns um die Qualifizierung von Arbeit. Wir haben vorgeschlagen, mit Mitteln des ESF ein Qualifizierungsprogramm aufzulegen.

Wir haben vorgeschlagen, vor allem dem Handwerk bei der Finanzierung von überbetrieblichen Ausbildungsstätten als aktiver Partner gegenüberzutreten. Sie alle haben noch einmal ein Schreiben bekommen, in dem wir dringend darum gebeten werden, das Notwendige zu tun. Wir wissen, dass gerade im Handwerk die Ausbildungsbereitschaft zurückgeht. Es geht also darum, als aktiver Partner aufzutreten. Wir müssen etwas tun.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD – Gegenrufe der Abg. Dr. Birk und Veronika Netzhammer CDU)

Wir würden uns wünschen, dass sich auch der Wirtschaftsminister in die Bildungsdebatte einschaltet, denn Bildung ist die Voraussetzung für qualifizierte Arbeitskräfte von morgen. Wir haben von Ihnen noch nichts gehört zum Vorschlag des Handwerks für eine Bildungsreform in BadenWürttemberg. Wir müssen Mittelstand und Handwerk stärken. Wir müssen die L-Bank stärker positionieren, damit sie die Sparkassen und die Volksbanken stärker unterstützt. Wir müssen Betriebsübergaben stärker unterstützen.

(Abg. Dr. Birk CDU: Das ist ja ein ganzes Vergan- genheitsprogramm!)

Wir müssen das Dienstleistungsprofil des Landes stärken, Herr Minister, den Messestandort, das Messeland BadenWürttemberg voranbringen.

(Zurufe von der CDU und der SPD)

Wir müssen mit alternativen Energien neue Arbeitsplätze schaffen, und wir müssen mehr tun, um aus dem großen Potenzial der Grundlagenforschung in diesem Land mehr in die Anwendung zu bekommen und Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu sichern.

(Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

Deshalb haben wir noch einmal den Antrag gestellt, die wichtigen Demonstrationsprojekte im Bereich der Energieversorgung weiter zu fördern.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Sehr nervös!)

Herr Minister, gestern gab es einen Neujahrsempfang bei der IHK in Ludwigsburg. Dort hat Herr Wiedeking die Festrede gehalten, und dabei hat er etwas an die Adresse der Unternehmer im Land gesagt. Ich glaube, man kann das auch an die Adresse der Regierung insgesamt, aber auch an die Adresse des Wirtschaftsministers richten. Herr Wiedeking sagte, die Kritik am Standort Deutschland, mit der viele Unternehmen die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins

Ausland begründen, werde nicht selten als Vorwand benutzt, um von eigenen Managementfehlern abzulenken.

Ich möchte Sie wirklich dringend bitten, die alte Leier, den Standort Deutschland schlechtzureden, aufzugeben,

(Zuruf von der CDU: Das machen doch Sie!)

sich Ihren Aufgaben zu stellen, diese tatkräftig zu erfüllen und nicht länger von Versäumnissen und Fehlern abzulenken.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofer.

(Abg. Dr. Birk CDU: Es wird immer besser! – Abg. Pfister FDP/DVP: Jetzt kommt endlich ein- mal eine gescheite Rede!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schmiedel hat sich verwundert darüber gezeigt, dass Herr Dr. Döring sich über wirtschaftspolitische Themen hinaus auch zu anderen Themen äußert. Ich denke, als Landesvorsitzender der FDP/DVP und als stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP

(Abg. Dr. Birk CDU: Und stellvertretender Minis- terpräsident!)

wird er sich wohl auch nicht nur auf Wirtschaftsthemen beschränken können. Lieber Herr Schmiedel, da geht seine Bandbreite über die Ihrige als wirtschaftspolitischer Sprecher

(Abg. Pfister FDP/DVP: Weit hinaus!)

und auch über meine eigene Bandbreite als wirtschaftspolitischer Sprecher hinaus. Ich bin allerdings – das muss ich sagen – sehr froh, dass bei dieser wirren, polemischen Rede Ihre Bandbreite nicht noch weiter ging.

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP/DVP sowie des Ministers Dr. Döring – Abg. Capezzuto SPD: Können Sie das wiederholen? Das hat keiner ver- standen!)

Ich möchte auf den Haushalt zu sprechen kommen, der mir in Ihrer Rede ein bisschen zu kurz kam. Dass wir versuchen müssen, mit der Neuverschuldung die verfassungsmäßige Grenze einzuhalten, wissen wir, und dass das ein ehrgeiziges Ziel ist, wissen wir auch. Es ist eigentlich bemerkenswert, dass in der Bundesrepublik die Einhaltung der Verfassungsmäßigkeit schon als ehrgeiziges Ziel formuliert werden muss.

Auf dem Etat des Wirtschaftsministeriums hat eine Einsparauflage von 66,4 Millionen € gelastet. Man hat einschließlich der Mehranforderungen eine Nettoeinsparung von 35 Millionen € erzielt. Das hat man in erster Linie durch Subventionskürzungen erreicht. Genau das, was der Minister von anderen und vom Bund fordert, hat er im eigenen Wirtschaftsministerium gemacht.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Im Übrigen bin ich als wirtschaftspolitischer Sprecher, ebenso wie wahrscheinlich auch Sie, recht froh, dass die Landesregierung davon abgesehen hat, die volle Einsparung zu verlangen. Das ist eigentlich auch ein Erfolg des Wirtschaftsministers.

Dennoch zwingt diese Haushaltssituation, Prioritäten zu setzen. Das ist eigentlich etwas sehr Leichtes. Denn den Leuten zu sagen, wo es langgeht, was wichtig ist und was noch wichtiger ist, ist ja eigentlich etwas sehr Schönes.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das beherrscht man gern!)

Das tut man auch sehr gerne. Viel schwieriger ist es, das Gegenteil zu formulieren, nämlich die so genannten Posterioritäten,

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Was heißt denn das?)

also das, was durch den Rost fällt und was nicht mehr geht. Leider – das sage ich gleich zu Beginn – ist das eine ganze Menge. Da ist zum einen das C1-Programm; da ist das Aussetzen der Energieförderung nun auch bei Demonstrationsvorhaben. Da ist zum anderen die Reduzierung der Entwicklungszusammenarbeit auf ein Minimalniveau, da ist die Einstellung der Förderung von Gewerbe- und Industrieerschließungen – wenn man einmal von Mannheim absieht.

So bedauerlich das ist – und jetzt kommt die Kehrseite; denn es gibt nichts ohne Kehrseite, man kann das Wasser nicht auf allen Schultern tragen –, so erfreulich ist, dass an dieser konkreten Prioritätensetzung die eigentlichen und wichtigsten Bereiche der Wirtschaftspolitik in ihrer Substanz erhalten, ja sogar leicht ausgebaut werden konnten. Das ist Wirtschaftsstrukturpolitik, die Sie ja immer fordern.

(Beifall des Ministers Dr. Döring)

Und die macht der Minister.

Noch eine Vorbemerkung, weil Sie das auch angesprochen haben: Die anstehenden Organisationsveränderungen und Zuständigkeitsverlagerungen im Bereich des Wirtschaftsministeriums dienen genau dieser Prioritäten- und Schwerpunktsetzung. Die Zuständigkeit für die LBO kommt zum Innenministerium, der Denkmalschutz auch, ebenso die Wohnraumförderung. Ich kann nur sagen: Hier wächst wieder zusammen, was schon einmal zusammengehörte. Ich habe meine berufliche Laufbahn beim Innenministerium in der Baurechtsabteilung begonnen

(Abg. Mack CDU: Und das hat nichts geschadet!)

und habe mich da sehr wohl gefühlt. Der kurze Ausflug – so kurz war er gar nicht –, weil man damals in der großen Koalition Herrn Minister Spöri ein einigermaßen gleichwertiges Wirtschaftsministerium zimmern musste, hat übrigens dem Denkmalschutz und auch der LBO hinsichtlich der wirtschaftlichen Überlegungen nicht geschadet. Aber eine Bündelung zum jetzigen Zeitpunkt ist gut.

Und wenn wir – sehen Sie einmal den Zusammenhang; da sind wir uns nicht immer einig – sagen, dass wir bei der Verwaltungsreform nicht nur ein Kurieren auf den unteren

Ebenen, sondern auch Veränderungen bei den Häuptlingen wollen, dann muss man da einmal mit einer Bündelung vorangehen, auch bei den Häuptlingen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das ist lobenswert. Ich freue mich, dass Sie da mitklatschen. Nur wenn wir das tun, wenn wir die Zuständigkeiten bündeln, werden wir vielleicht – wenn auch noch nicht in dieser Legislaturperiode – ganz normal als „Abfallprodukt“ auch eine Verringerung der Zahl der Ministerien bekommen.