Eine unrühmliche Rolle hingegen spielte die Landesregierung beim zweiten wichtigen Thema dieser Rundfunkstaatsvertragsänderung, nämlich bei der Frage des Onlineengagements des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Weil zu erwarten ist, dass Angebote im privat-kommerziellen Onlinebereich mittelfristig mehr und mehr kostenpflichtig werden, fürchten die privaten Onlineanbieter eine kostenfreie Konkurrenz im Netz, wie es ein öffentlich-rechtliches Angebot darstellt. Im Bemühen, bei der privaten Medienwirtschaft Lorbeeren zu ernten, war es diese Landesregierung, die bei den Verhandlungen der Rundfunkreferenten der Staatskanzleien bis zuletzt in § 11 die Onlineaktivitäten des öffentlichrechtlichen Rundfunks zu einer freiwilligen Leistung erklären wollte.
Was hätte das zur Folge gehabt? Weil die Kommission in Brüssel die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur dann nicht zu einer unzulässigen Beihilfe erklärt, wenn sie für die Erfüllung eines gesetzlich definierten Auftrags verwendet werden, wären freiwillige Onlineaktivitäten der Rundfunkanstalten nicht mehr über Rundfunkgebühren zu finanzieren gewesen und hätten deshalb nicht mehr stattfinden können. Das hätte es nicht mehr gegeben. Das wäre der schleichende Einstieg in eine Marginalisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks; denn wer in Zukunft nicht mehr im Netz vorkommt, hat keine Zukunft mehr. Die Jugend informiert sich schon heute überwiegend im Netz, und wer die Jugend nicht mehr erreicht, der hat auch keine Zukunft mehr. Das war offensichtlich das Ziel der Landesregierung bei den Verhandlungen zu diesem Staatsvertrag.
Soweit der öffentlich-rechtliche Rundfunk von diesen Berechtigungen zum Angebot von Druckwerken und Mediendiensten Gebrauch macht, handelt er im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags, wie er gemäß des Amsterdamer Protokolls von den Mitgliedsstaaten festgelegt wird.
Im Übrigen hat auch das Bundesverfassungsgericht auf diese Veränderungen der Übertragungswege und darauf, dass dies zu sichern ist, frühzeitig hingewiesen.
Allerdings halte ich dieses Vorgehen der Landesregierung für entlarvend. Man muss sich schon fragen, ob es nicht doch Lippenbekenntnisse sind, wenn die Landesregierung behauptet, das Wohl des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fördern zu wollen. Wir erwarten dazu von Ihnen, Herr Minister Palmer, im Ausschuss eine Antwort und werden im Übrigen auch über Ihre anderen Einlassungen, zu denen es aus Zeitmangel hier keine Möglichkeit gibt, Stellung zu nehmen, diskutieren.
(Beifall bei der SPD – Stellv. Präsident Birzele trinkt einen Schluck Wasser. – Abg. Junginger SPD: Dem Präsidenten hat es die Sprache verschla- gen! – Abg. Walter GRÜNE: Es ist leider keine Vi- zepräsidentin im Raum zur Übergabe!)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In immer kürzer werdenden Abständen unterhalten wir uns über die Anpassung von Staatsverträgen. Ich denke, das spiegelt auch die technischen Veränderungen wider. Das ist ja auch in den Äußerungen unseres Ministers Dr. Palmer zum Ausdruck gekommen. Auch die anderen Kollegen haben das angesprochen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der nach dem Krieg von den Alliierten in dieser Form bei uns eingeführt worden ist, hat ja seine Begründung. Er war aber damals auf eine Technik bezogen, die durch die Knappheit der vorhandenen Rundfunk- und Fernsehfrequenzen geprägt war. Diese Knappheit konnte mit fortschreitender Technik etwas beseitigt werden. Das Gesamte wird sich mit der Einführung anderer Techniken – nicht nur der Satellitentechnik, sondern vor allem auch der Web-Technik – noch völlig verändern.
Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, haben wir ja auch in diesem Bereich nicht mehr nur Versorgungsgebiete, die auf ein Land beschränkt sind, sondern wir haben zunehmend einen weltweiten Kommunikationsmarkt. Das hat Rückwirkungen auf die Europäische Union – Frau Kollegin Kipfer hat das auch gerade angesprochen –, was sich in den Bemühungen der Kommission niederschlägt, hier eben keine wettbewerbsrelevanten Tatbestände zu schaffen, die dann wieder, zum Beispiel bei den internatio
nalen Auseinandersetzungen der WTO, etwa mit US-amerikanischen Vorstellungen in Konflikt geraten könnten. Denn beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk könnte ja über staatlich administrierte Gebühren eine Beihilfe und damit eine Wettbewerbsverzerrung eintreten.
Ich denke, das ist die große Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Und das führt bei uns in der FDP/DVPFraktion schon zu Diskussionen, weil wir für die duale Rundfunklandschaft in Deutschland stehen. Wir wollen beides: einen leistungsfähigen privaten Rundfunk, aber eben auch einen zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Über das Ganze müssen wir, glaube ich, noch einmal intensiv diskutieren. Einiges konnte in diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag und in dem Mediendienste-Staatsvertrag bereits gelöst werden, anderes ist noch in der Diskussion.
Ich denke, wir können die ganze Sache nicht allein beispielsweise an der Gebührenhöhe festmachen, sondern wir müssen uns grundsätzlich Gedanken darüber machen, welche Rolle und welche Aufgabe dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Zukunft zukommen wird. Die Stichworte sind hier genannt worden: vor allem Informationspflicht und Kulturauftrag –
auch aus unserer Sicht, aus der Sicht der Liberalen, eine wichtige Aufgabe. Dieser Auftrag wird in den einzelnen Paragraphen dieses Vertragswerks präzisiert; das ist richtig und notwendig. Wir sind durchaus der Auffassung, dass sowohl im Printmedienbereich als auch im Onlinebereich Ergänzungen möglich sein müssen, sehen dies aber als Ergänzung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und nicht als Kernbereich. Allerdings wird sich die Frage stellen, wie lange man das aufgrund der technischen Entwicklung durchhalten kann und ob nicht eben das Internet – und damit ein weltweites Verbreitungsgebiet – immer stärker in den Mittelpunkt des öffentlich-rechtlichen wie auch des privaten Rundfunks rücken wird.
Einen Satz möchte ich doch noch zur Gebührenerhöhung sagen – wir werden darüber hier aber auch noch gesondert diskutieren –: Die KEF hat eine maßvolle Gebührenanpassung von 1,09 € vorgeschlagen. Man muss hierüber genau diskutieren. Ich denke, wir haben in Baden-Württemberg mit der Fusion der beiden Sender SWF und SDR zum SWR unsere Hausaufgaben gemacht. Es wäre gut, wenn auch andere Bundesländer den Mut aufbringen würden, Strukturreformen durchzuführen.
Einige sind ja schon dabei. Ich denke, man kann nur dazu ermutigen, meine Damen und Herren. Durch solche Veränderungen wird eben nicht das Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Unabhängigkeit eingeläutet, sondern sie stellen einfach eine Anpassung an betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten dar. Denn man kann natürlich immer neue technische Möglichkeiten erschließen, und das
fällt umso leichter, wenn man sich über Gebühren, die von Parlamenten festgesetzt werden, refinanzieren kann. Das sind ja Möglichkeiten, die Private eben nicht haben.
Vor dem Hintergrund starker Ausfälle bei den Werbeeinnahmen durch die Privaten – und die Privaten finanzieren sich ja ausschließlich aus Werbeeinnahmen – muss man auch die Frage der Werbefreiheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk neu stellen.
Hier sind unsere Überlegungen noch nicht abgeschlossen, meine Damen und Herren. Aber ich möchte für die FDP/ DVP-Landtagsfraktion ganz klar zum Ausdruck bringen: Wir stehen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wir wollen ihn auch zukunftsfähig machen, und wir wollen ihn gerade nicht, Frau Kollegin Kipfer, marginalisieren. Aber wir sagen: Es ist im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, eine klare Abgrenzung des öffentlichen Auftrags zu erreichen,
weil sich nur dadurch eine entsprechende wettbewerbsneutrale Lösung erzielen lässt, die dann auf Dauer europarechtlich und welthandelsrechtlich abgesichert werden kann.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Rundfunkstaatsvertrag gibt uns die Chance, auch einmal über den Inhalt und die Qualität des öffentlichrechtlichen Rundfunks zu diskutieren. Darauf hat Herr Minister Palmer schon hingewiesen.
Trotzdem möchte ich noch ein Wort zu den Gebühren sagen: Wir alle wissen, dass es ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt und dass es sehr schwierig wird, diese Erhöhung abzulehnen. Es gibt sicherlich auch gute Gründe für eine Erhöhung. Ich finde es müßig, jetzt darüber zu diskutieren, ob es 75 Cent oder 1,09 € sein sollen. Es wird eine Erhöhung geben; da werden wir uns sicherlich einigen.
Ich finde es positiv, wie sich der Herr Minister und zuvor auch Herr Kollege Oettinger über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geäußert haben. Wir sind nämlich in diesem Hause gerade vonseiten der CDU auch schon ganz anderes gewöhnt gewesen. Wenn Sie jetzt mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Frieden geschlossen haben, können wir dies nur begrüßen. Nicht begrüßen können wir die Vorstöße der Herren Steinbrück und Stoiber gegen arte und 3sat; Kollegin Kipfer hat darauf hingewiesen. Ausgerechnet die Sender innerhalb der ARD, die sich vom privaten Rundfunk noch am positivsten abheben, sollen sozusagen auf die rote Liste gesetzt werden. Das ist wirklich ein Unding.
Offensichtlich wollen diese beiden Herren noch mehr Dieter Bohlen, Dschungelshows und anderen Schwachsinn.
Das Gleiche gilt für die Angriffe auf die Anzahl der Rundfunkprogramme, die sie vorhatten. Auch das ist sehr durchsichtig. Hier gilt es offensichtlich auch nur, den ÖffentlichRechtlichen etwas wegzunehmen.
Der Minister hat die Bundesligarechte angesprochen. Vielleicht können Sie die notwendigen Zahlen bis zur Ausschusssitzung besorgen. Von der ARD wird behauptet, die Sportschau würde sich selbst finanzieren. Ob dies tatsächlich stimmt, würde mich interessieren. Wenn dies stimmt, können wir das nicht in Zusammenhang mit den Rundfunkgebühren bringen. Prinzipiell zeigen die Einschaltquoten, dass die Menschen – salopp gesagt – von einer Sendung wie „ran“ die Schnauze voll hatten.
Kollege Schmiedel, Sie schauen BTV, wir schauen lieber öffentlich-rechtliches Fernsehen. Die Menschen wollen nicht mehr eine halbe Stunde Werbung sehen, bevor sie wissen, wie der VfB seinen Sieg herausgeschossen hat. Sie wollen die Spiele gleich sehen. Deswegen ist die Übertragung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine gute Sache; wir begrüßen das.
Aber die eigentliche Frage ist auch, was die Kernaufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist – die Sie, Herr Minister, gestellt haben –, welche Qualität er haben soll und wodurch er sich von der privaten Konkurrenz unterscheidet. Das sind die Fragen, die wir uns stellen müssen. Mit Sorge betrachte ich beispielsweise das Zurückfahren des Wortanteils an den Hörfunkprogrammen. Da gibt es immer mehr eine Gleichmacherei.
Ja, in den Hörfunkprogrammen. Das kann ich nicht unterstützen. Auch darüber müssen wir uns unterhalten. Ich verstehe, dass sich dann, wenn die Macher des öffentlichrechtlichen Rundfunks beispielsweise sehen, dass in einer Woche unter den zehn beliebtesten Sendungen mit den höchsten Einschaltquoten fünfmal oder sechsmal die Dschungelshow ist, natürlich die Frage stellt, wie auch sie höhere Quoten erzielen können.
Natürlich geht es nicht nur darum, zu sagen: Wir brauchen hier ein Spezialisten- oder ein Intellektuellenprogramm im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Natürlich soll auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterhalten – Neil Postman hat darauf hingewiesen –, dann ist das Fernsehen eigentlich am authentischsten, ehrlichsten und besten. Aber es stellt sich wirklich die Frage: auf welchem Niveau? Müssen wir
jetzt wirklich auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Gewinnspiele haben, oder was soll das eigentlich sein? Im Staatsvertrag heißt es: