Protokoll der Sitzung vom 10.03.2004

Weniger Staat, meine Damen und Herren, mehr private Strukturen, dann können Sie auch die Steuerreform, wie sie die FDP vorgelegt hat, gegenfinanzieren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Schmid SPD: Sie haben 16 Jahre Zeit gehabt! – Abg. Drexler SPD: „Kontra“! Nicht „gegen“!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist immer noch nicht klar, was die Union in Baden-Württemberg eigentlich will. Steht sie jetzt zu ihren eigenen, beschlossenen Grundsätzen, oder hält sie weiter am Kirchhof-Modell fest, obwohl wir doch übereinstimmend gesehen haben, dass radikale Reformansätze, die solche großen Übergangsprobleme schaffen, wie es das Kirchhof-Modell macht, nicht umsetzbar sind?

Das mussten wir bei unserer Forderung nach einem sofortigen Atomausstieg lernen, und das müsst ihr bei der Steuerreform eben auch lernen. So ist das nun einmal. Wer das nicht auflösen kann, der muss scheitern. Das ist genau die Situation, vor der ihr steht. In dieser Situation nutzt es nichts, allgemeine Ausführungen zur Volkswirtschaftslehre zu machen, Herr Kollege Theurer. Das hat gar keinen Sinn.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Theurer FDP/DVP: Ich war sehr konkret! Sagen Sie doch einmal etwas zum Abbau der Kohlesubventionen oder zum Ab- bau der Werftsubventionen!)

Nehmen wir einmal die vielen Frauen, die heute in der Altenpflege und in Krankenhäusern arbeiten, Schichtdienst machen und dadurch ein höheres Einkommen haben, bei denen die Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge derzeit nicht besteuert werden. Wenn Sie diese Erleichterung mit einer radikalen Steuerreform abschaffen, dann verdienen diese Frauen natürlich erheblich weniger.

(Abg. Drexler SPD zur CDU: Sie haben es doch im Dezember abgelehnt!)

Und das wollen Sie in einer Situation, in der wir genau in diesem Bereich auf einen Pflegemangel zulaufen?

Was haben Sie jetzt gemacht? Sie haben gesagt: Übergangsfrist sechs Jahre. Und Sie haben das Problem an die Tarifparteien zurückgegeben. Was heißt das nun? Das heißt doch, dass sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das, was sie bei den Steuern verlieren, durch Lohnerhöhungen wieder holen sollen. Was hat das aber für Folgen? Eine Lohnerhöhung in diesem Bereich hat genau die Folge, dass die Lohnnebenkosten steigen, weil natürlich die Aufwendungen im Bereich der Krankenhäuser und der Altenpflegeheime steigen. Das heißt, Sie müssen die Krankenkassenbeiträge und die Beiträge für die Pflegeversicherung anheben. Soll das Arbeitsplätze schaffen? Meinen Sie im Ernst, wir könnten Steuern senken, wenn dadurch später die Lohnnebenkosten steigen? Das ist doch ein völlig irrsinniger Vorschlag.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich wollte Ihnen einmal an einem Beispiel klar machen, dass es ernst wird, wenn es um die Einzelheiten geht. Man kann natürlich auch von riesigen Refinanzierungseffekten träumen. Das tun wir auch. Das ist ja auch der Sinn einer Reform.

Man senkt die Steuersätze, weil man die Bemessungsgrundlage verbreitert und alle real mehr Steuern zahlen müssen. Sie selber haben im Vermittlungsausschuss die mögliche Refinanzierung durch Wachstumsimpulse gerade einmal mit 25 % angesetzt. Wie hoch diese wirklich sind, wissen Sie nicht und weiß ich nicht. Jedenfalls ist dieser Effekt bei der drastischen Senkung der Körperschaftsteuer leider ausgeblieben. Die Senkung hatte gar nicht die erhoffte Wachstumswirkung, die gerade das Argument für die starke Senkung gewesen war.

Solche radikalen Konzepte kann man in einer Situation, in der unsere Haushalte in den Gemeinden, im Land und im Bund am Auseinanderkrachen sind, einfach nicht riskieren. Solche radikalen Steuermodelle könnten nur dann umgesetzt werden, wenn wir die Haushalte einigermaßen saniert hätten und ausgeglichene Haushalte hätten, sodass wir das Risiko riesiger Steuerausfälle eingehen könnten, die wir dann eine gewisse Zeit über Schulden finanzieren müssten. Aber in der jetzigen Situation, in der wir in der Schuldenfalle sitzen, können wir ein solches Risiko schlichtweg nicht eingehen.

(Beifall bei den Grünen)

Herr Abg. Kretschmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Theurer?

Wenn sie Niveau hat, Herr Kollege.

Herr Theurer, bitte.

Herr Kollege Kretschmann, Sie haben gerade die Körperschaftsteuer angesprochen und haben gesagt, die Körperschaftsteuersenkung habe keine Auswirkungen auf das Wachstum gehabt.

(Abg. Drexler SPD: 25 %!)

Können Sie bitte einmal spezifizieren, wie sich das Wachstum entwickelt hätte, wenn die Körperschaftsteuer nicht gesenkt worden wäre?

(Abg. Drexler SPD: Wir haben es doch vorhin so gesehen, dass sie gar nicht gezahlt worden ist!)

Das weiß ich nicht. Ich bin doch kein Hellseher, Herr Kollege.

(Heiterkeit)

Woher soll ich das jetzt wissen? Wer auf der Welt kann eine solche Frage beantworten?

(Abg. Drexler SPD: Ein FDP-Abgeordneter! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Westerwelle!)

Natürlich haben wir die Körperschaftsteuer wegen des erhofften Wachstums gesenkt. Wahrscheinlich wäre ohne diese Senkung das Wachstum noch geringer.

(Abg. Drexler SPD: Möglicherweise!)

Aber quantifizieren kann das kein Mensch.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Ich auch nicht!)

Jedenfalls waren die Effekte nicht so stark, wie wir sie erwartet hatten. Wir sehen im Moment, dass zum Beispiel die großen deutschen Autofirmen trotzdem in eine gewaltige Krise geraten. Das hat aber ganz andere Gründe.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Das ist aber doch ein Ar- gument für weiter gehende Steuerreformen! – Ge- genruf des Abg. Drexler SPD: Aber doch nicht bei der Körperschaftsteuer!)

Ich will jetzt einfach nur dafür plädieren und das Angebot des Finanzministers aufnehmen. Wir sind dazu bereit, ein vereinfachtes Steuersystem einzuführen, die Bemessungsgrundlage zu erweitern und den Abbau der Subventionen in Angriff zu nehmen – da müssen Sie von der Union einmal Flagge zeigen –, um dann die Steuersätze noch weiter senken zu können, als es die Regierung jetzt vorhat. Dazu sind wir bereit. Sie haben sich bisher mit der Hoffnung auf radikale Steuerreformen geweigert, zu sagen, wo Sie Subventionen streichen wollen. Wenn Sie klar Farbe bekennen und sagen, was da von Ihrer Seite aus möglich ist, dann können wir noch bis zum Jahr 2005 eine solche Steuerreform machen. Davon bin ich fest überzeugt. Am guten Willen der Bundesregierung wird es jedenfalls nicht fehlen. Wenn auch Sie Farbe bekennen, ob Sie bereit sind, in die Streichung von Steuersubventionen in der Radikalität einzusteigen, die entsprechend den Steuersätzen, die man erheben will, erforderlich ist, dann kommen wir voran. Dafür möchte ich noch einmal plädieren, und ich fordere Sie auf, sich von den allzu radikalen Wolkenkuckucksheimen zu verabschieden und auf eine reale und realistische Grundlage zurückzukehren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 2 erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landesplanungsgesetzes – Drucksache 13/2925

Das Präsidium hat für die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt, festgelegt.

Das Wort erhält Herr Staatssekretär Dr. Mehrländer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf zur Änderung des Landesplanungsgesetzes schlägt die Landesregierung eine Änderung der Vorschriften über die Wahlen zu den Verbandsversammlungen der Regionalverbände vor. Grund für diese Änderung ist, dass aufgrund des Gesetzes zu den Kommunalwahlen 2004 die Amtszeit der

(Staatssekretär Dr. Mehrländer)

neu gewählten Kreisräte und Gemeinderäte am 1. September 2004 beginnt.

Zu den Aufgaben der neu gewählten Gemeinderäte und Kreisräte gehört eben auch die Wahl der Mitglieder der Verbandsversammlung der Regionalverbände. Nach der derzeit geltenden Regelung sind diese Mitglieder innerhalb von drei Monaten nach der Kommunalwahl zu wählen. Das würde dazu führen, dass die neu gewählten Gemeinderäte und Kreisräte die Mitglieder der Verbandsversammlung in einem Zeitrahmen vom 1. September 2004 bis 13. September 2004 wählen müssten, und das auch noch in einem Zeitraum, der in die Sommerferien fällt.

Um die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten zu vermeiden, soll deshalb – so der Vorschlag – ab der nächsten Kommunalwahl die Dreimonatsfrist mit dem Beginn der Amtszeit der neu gewählten Gemeinderäte und Kreisräte starten.

Durch diese vorgeschlagene Änderung wird zum einen erreicht, dass für die Wahlen zu der Verbandsversammlung des Regionalverbands auch dann ein ausreichender Zeitraum von drei Monaten zur Verfügung steht, wenn die Amtszeit der neu gewählten Gemeinderäte und Kreisräte am 1. September 2004 beginnt.

Zum anderen ist die Änderung so formuliert, dass sie nicht auf die Kommunalwahl im Jahr 2004 beschränkt wird. Wir räumen künftig einen ausreichenden Zeitraum für die Wahlen zur Verbandsversammlung ein, und zwar unabhängig vom jeweiligen Termin der Kommunalwahl.

Die kommunalen Landesverbände und die Arbeitsgemeinschaft der Regionalverbände in Baden-Württemberg haben diese Änderung in der Anhörung ausdrücklich befürwortet.

Wir hätten diese Änderung gerne an einen anderen Gesetzentwurf angehängt; Eile ist aber geboten. Deswegen bittet die Landesregierung Sie um Zustimmung zu dieser Änderung des Landesplanungsgesetzes.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)