Herr Winkler, Sie sagen plötzlich – ich weiß nicht, aus welchem Grunde –, der Minister sei ein Anhänger der Koexistenz des Einsatzes gentechnisch veränderter und gentechnisch nicht veränderter Organismen. Es geht nicht um ein Pro oder Kontra zur Koexistenz,
sondern es geht darum, dass uns die gentechnische Wirklichkeit eingeholt hat. Das Moratorium ist in Brüssel gefallen – in Klammern: gegen Künast oder mit Künast. Jedenfalls – ich beneide sie da nicht – muss sie nach dem Fall des Moratoriums jetzt einen Gesetzentwurf vorlegen, der Auskunft darüber geben soll, wie es in Deutschland bei der Koexistenz und der Haftung aussehen soll, wenn in Europa Anbau und Vermarktung gentechnisch veränderter Pflanzen frei werden.
Es geht also nicht mehr um das Ob, sondern es geht um das Wie bezüglich des Anbaus und des Warenverkehrs. Das ist ganz wichtig für die Diskussion. Denn wenn kein freiwilliger Verzicht auf den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen möglich ist, dann muss geregelt sein, wie die verschiedenen Anbauarten nebeneinander auskommen können.
Gentechnikfreie Zonen werden diskutiert. Ich habe mich für gentechnikfreie Zonen ausgesprochen. Da gab es keinen Schwenk, lieber Herr Kollege Walter; da gab es nie einen Schwenk.
Aber wir mussten nach dem Fall des Moratoriums erst einmal abwarten, welchen Rechtsrahmen die EU vorgibt: Lässt sie zu, dass man über ein Gesetz oder eine Verordnung regional begrenzt solche Gebiete ausweist, oder lässt sie dies nicht zu? Sie hat es nicht zugelassen. Das heißt: Wenn auf freiwilliger Basis regional eine gentechnikfreie Zone entstehen soll, dann muss dies wirklich auf Freiwilligkeit beruhen. Im Grunde ist die Frage, ob man ein solches Gebiet wohlwollend oder fördernd begleitet, erst in dem Moment entstanden, als wir wussten, welcher Rechtsrahmen von Brüssel vorgegeben wird.
Ich finde es gut, dass die Gespräche stattfinden, und wir haben ja einen Dialog, der seinesgleichen sucht. Wir haben extra auch eine Projektgruppe „Grüne Gentechnik“ eingerichtet, in der alle, die Sie, Herr Winkler, angesprochen haben, beieinander sind, von der Kirche über die Landfrauen und die Bauernverbände bis hin zu den Verbraucherverbänden. Da sind alle mit vertreten. Wir haben ja ein ureigenes Interesse, in dieser Frage auch handhabbare Lösungen zu finden, denn es geht ja um das HQZ. Dabei müssen Sie wissen: Das HQZ gilt generell für Waren, die, wenn sie nicht frei von gentechnischer Veränderung sind, nicht kennzeichnungspflichtig sind.
Ab einem gewissen Schwellenwert ist Kennzeichnung notwendig, und unterhalb des Schwellenwerts besteht keine Kennzeichnungspflicht. Wir wollen Sorge tragen, dass das HQZ nicht kennzeichnungspflichtig ist, das heißt, dass die Schwellenwerte bei dem, was in HQZ-Produkte hineinkommt, auch wirklich eingehalten werden.
Ich bin übrigens ungeachtet dessen, was wir im Konkreten bundesweit zu entscheiden haben – da habe ich keine Vorgaben zu machen –, für gentechnikfreie Zonen, wenn sie auf freiwilliger Basis entstehen.
Also, wenn man, wie jetzt im Moment vom BLHV angestrebt, versucht, in Südbaden eine solche Zone aufzubauen, werden wir dies in keinster Weise behindern, sondern fördern. Unsere Förderung ist ja schon begründet in dem, was wir beispielhaft an Agrarumweltprogrammen in BadenWürttemberg aufgebaut haben.
Nur, interessant ist, dass Sie Kärnten ansprechen, lieber Kollege Walter. Ich bin Ihnen dankbar dafür. Also, die Überschrift soll jetzt um Gottes willen nicht lauten: „Walter lobt Haider“. Das ginge zu weit.
Ich will Ihnen sagen: Die Kärntner haben probiert, das tatsächlich im Wege eines Vorsorgegesetzes verpflichtend umzusetzen. Das, was sie im Gesetz regeln wollten, ist sicherlich interessant. Aber wesentlich interessanter ist für mich die Antwort der EU, die zunächst einmal dezidiert sagt: Ein generelles Verbot ist nicht zulässig. Punkt 1.
Zum Zweiten – und das behalten Sie im Blick auf die Haftungsfrage einmal im Hinterkopf –: Schon hier sagt die EU, die Verwaltungshürden für den Anbau dürfen nicht zu hoch gesetzt werden. Das heißt also, dass man nicht auf dem Schleichweg, auf einem Umweg das konterkarieren darf, was die Europäische Union im Grunde als Rahmen vorgegeben hat. Das ist wichtig für uns, für das, was wir tun, und das, was wir regeln wollen.
Drittens hat die EU gesagt: Einschränkungen in Naturschutzregionen werden nur dann akzeptiert, wenn es sich nicht um Spezifika von Kärnten handelt, sondern es im Grunde Einschränkungen sind, die man europaweit in Naturschutzregionen so anwenden könnte. Das heißt, man legt allergrößten Wert darauf, dass der allgemeine Rechtsrahmen, der von der Kommission der EU, vom Rat vorgegeben worden ist, nicht in Einzelfällen durchbrochen wird.
Schließlich hat die Kommission gesagt: Im Gesetzentwurf von Kärnten fehlt etwas ganz Entscheidendes, nämlich die Regelung der Koexistenz.
Deswegen war es natürlich für Frau Kollegin Künast alles andere als angenehm, nach diesen Beschlüssen Brüssels jetzt einen Rahmen für Deutschland zu finden und sich im Grunde endlich mit der Gentechnikwirklichkeit auseinander zu setzen. Da geht es eben zunächst einmal um Koexistenz, Standortregister, sachkundigen Umgang und Anwendung der guten fachlichen Praxis sowie Produktions- und Produktinformationen.
Der entscheidende Punkt, der aus unserer Sicht überhaupt nicht geklärt ist, ist die Haftungsfrage. Wir können uns in Baden-Württemberg – und manche haben gestaunt ob der Äußerung des Ministers oder des Ministeriums – gut vorstellen, beim Saatgut an die wissenschaftliche Messgrenze heranzugehen. Das heißt, ich bin durchaus offen für die Diskussion, ob eine Verunreinigung von Saatgut von 0,1 % zulässig oder akzeptabel wäre – soweit es wissenschaftlich machbar ist. Damit könnte ich mich anfreunden.
Aber genau diese Herabsenkung der Schwellenwerte, eine Verschärfung, macht es auf der anderen Seite natürlich nicht leichter, die richtigen Haftungsformen zu finden. Denn die Europäische Kommission würde uns Regelungen aus den Händen schlagen, die letztlich dazu dienen sollen, europäische Rechtsvorgaben auszuhebeln. Das machen die nicht mit.
Man kann in Berlin nicht auffangen, was am Ratstisch in Brüssel versäumt wurde oder nicht machbar war. Ich bitte darum, ehrlich miteinander umzugehen und bei der Haftung nicht zu versuchen, auf Umwegen durch das Hintertürchen diesen vorgegebenen Rechtsrahmen zu beschädigen, sodass man letztlich irgendwo, spätestens vor dem Europäischen Gerichtshof, auf der Nase landet. Das bringt uns nichts. Das bringt uns erst recht nicht bei der Frage der Rechtssicherheit dieser schwierigen Materie des gentechnischen Anbaus weiter.
Ich möchte herzlich darum bitten, dass wir uns ohne ideologische Grabenkämpfe auseinander setzen. Es hat wirklich keinen Wert, dass Sie jetzt wieder alte Feindbilder an die Wand malen: Die einen sind die riesengroßen Weltkonzerne, die ganzen Risiken; die anderen sind die Schöpfungserhalter. Jeder, der über grüne Gentechnik spricht, sollte sich ab und zu auch vor Augen halten, was man der roten Gentechnik automatisch abverlangt, nämlich Forschung und Weiterentwicklung im Interesse der Gesundheit der Menschen.
Auch die Europäische Kommission – ich muss sie wirklich einmal verteidigen, weil manche so tun, als ob sie blind in diese Rechtsvorgabe hineingestoßen wäre – hat sich Gedanken gemacht. Zugrunde gelegt sind 81 wissenschaftliche Untersuchungen, die alle miteinander ergeben haben, dass es keine Gefährdung gibt, weder durch Warenverkehr noch durch gentechnischen Anbau.
Damit sage ich nicht, wir sollten einen Blindflug machen, sondern ich sage, dass weiter geforscht werden muss. Deswegen ist all das, was auch nur im Ansatz ein Forschungsverbot ausspricht, tödlich. Es muss weiter geforscht werden.
Ich sehe natürlich genau, dass der Verbraucher in unserer Gesellschaft sehr, sehr skeptisch gegenüber der Gentechnik ist. Deswegen sage ich: Industrie und Wissenschaft haben noch eine gewaltige Bringschuld zu erfüllen. Das kann man nicht irgendjemandem überlassen, sondern das müssen diejenigen tun, die das Wissen darüber haben. Deswegen bitte ich darum, diesen Diskussions- und Informationsprozess nicht dadurch zu stören, dass man im Grunde irgendwelche politischen Kreuzzüge veranstalten will.
Kurzum: Gentechnische Wirklichkeit heißt, dass weltweit bereits auf 70 Millionen Hektar gentechnisch veränderte
Pflanzen angebaut werden. Beim Soja haben wir auf 60 % der Anbaufläche gentechnisch veränderte Pflanzen. Demnächst, wenn ab April die Kennzeichnungspflicht Wirklichkeit wird, werden wir uns wundern, bei welchen Nahrungsmitteln, die wir bisher selbstverständlich aufgenommen haben, diese Kennzeichnungspflicht zu wirken beginnt.
Des Weiteren geht es mir um die Ehrlichkeit. Man soll den Leuten nicht Sand in die Augen streuen. Jeder, der sich außerhalb Badens und Württembergs befindet, jeder, der sich außerhalb Deutschlands und Europas aufhält, muss wissen, dass er dort auf eine Wirklichkeit mit und ohne Regelungen wie diese trifft, die jetzt in Deutschland diskutiert werden. Deswegen sollte man einfach ein bisschen realistisch bleiben. Man sollte die Sicherheit im Auge behalten und Forschung betreiben. Wenn es bei uns in Baden-Württemberg irgendwo die Möglichkeit gibt, freiwillig zu verzichten, dann werden wir das gerne mitmachen.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Sorry, ich habe Ihre Meldung für die Zwischenfrage vergessen. Aber sie kann am Ende der Rede nur noch brillanter werden.
Herr Minister, ist es formallogisch korrekt, wenn ich aus Ihren etwa zehn Minuten zurückliegenden Ausführungen über den Rechtsrahmen der EU und Ihrem Befürworten von freiwilligen Vereinbarungen über die Einrichtung gentechnikfreier Zonen ableite, dass Sie für den Fall, dass Ihnen von der EU die Kompetenz eingeräumt worden wäre, selbst gentechnikfreie Zonen auszuweisen, dies in Anspruch genommen hätten und tatsächlich selbst gentechnikfreie Zonen ausweisen würden?
Wenn mir die Möglichkeit gegeben wäre – man sollte hypothetische Fragen hypothetisch beantworten –, würde ich nichts gegen die vor Ort ganz konkret Betroffenen tun. Wissen Sie, hier im Parlament ist leicht darüber zu diskutieren. Aber die, die ihre bäuerliche Existenz aufrechterhalten müssen, die sich am Markt behaupten müssen, die ihr Salär nicht automatisch am Monatsende bekommen, müssen anders rechnen.
Ich würde ganz konkret im hohenloheschen und im südbadischen Raum, überall dort, wo Regionen sind, die sich auch topographisch fassen lassen, ein Gespräch führen. Ich muss sagen, ich bin dankbar, dass die Bauernverbände dies offensiv unternommen haben. Das würde ich tun, wenn es so wäre, wie Sie in Ihrer Frage unterstellt haben. Aber jetzt haben wir die durch den Gesetzentwurf von Berlin vorgegebene Situation, und diesen Gesetzentwurf werden wir so ausfüllen, wie ich es gesagt habe.