Protokoll der Sitzung vom 11.03.2004

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für eine kurze Redezeit erteile ich Herrn Abg. Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich gebe dem Minister darin Recht, dass die Debatte tatsächlich einen merkwürdigen Verlauf genommen hat. Weder der Kollege Schüle noch der Kollege Drautz sind auf das eigentliche Anliegen unseres Antrags, in BadenWürttemberg gentechnikfreie Zonen zu schaffen, überhaupt eingegangen, sondern haben nur ihre Pro-Gentechnik-Haltung, die wir schon lange kennen, zum Ausdruck gebracht.

Jetzt sagen Sie, Kollege Drautz, es sei bisher eine gute Sache, eine verkaufsfördernde Marketingstrategie, nicht auf Gentechnik zu setzen. Ja weshalb wohl? Die Leute lehnen doch gentechnisch manipulierte Produkte nicht ab, weil die Grünen dagegen sind, sondern weil die Risiken noch nicht richtig erforscht sind. Sie wollen sich keine Allergien oder keine sonstigen schädlichen Folgen damit einhandeln. 1 % der Produkte, die bisher auf den Markt gekommen und freigesetzt worden sind, sind erforscht, und 99 % sind nicht erforscht. Deswegen gilt für uns: Verbraucherschutz hat Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Das gilt besonders bei einer Risikotechnologie, die wir nicht mehr zurückholen können, wenn sie erst einmal in die Umwelt gelangt ist.

(Beifall bei den Grünen)

Jetzt sagt der Minister: Das haben wir ja weltweit. Aber wir müssen auch folgende Entwicklung beachten, wenn es darum geht, was wir zukünftig von unseren Produkten verkaufen können: Länder wie Japan lassen den Import von Soja aus den USA, das gentechnisch manipuliert wurde, nicht mehr zu. In den USA findet teilweise ein Umdenken statt. Wenn jemand beispielsweise in Idaho noch seine IdahoKartoffeln verkaufen will, dann müssen diese frei von Gentechnik sein. Darum geht es. Deswegen ist es auch wichtig, dass Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle einnimmt.

Herr Minister, es ist mir klar, dass die Vorschläge, die Kärnten nach Brüssel geschickt hat, nicht im Verhältnis 1 : 1 umgesetzt werden können. Aber ich habe mich mit Herrn Fischler am Rande des Ost-West-Forums in Berlin unterhalten, und er hat mir zugesichert: Das meiste, was Kärnten beantragt hat, ist genehmigt worden. Es ist nicht im Verhältnis 1 : 1 genehmigt worden, aber die Hauptbotschaft lautet: Man kann gentechnikfreie Zonen in Europa errichten. Das ist ein entscheidender Fortschritt. Das war vorher nicht klar. Diesen Weg müssen wir gehen, und das haben wir gefordert.

Leider haben Sie, obwohl ich Sie darum gebeten hatte, nichts zu der Frage gesagt: Was wird diese Landesregierung unternehmen, damit es in Baden-Württemberg möglichst viele gentechnikfreie Zonen geben wird? Wir haben PLENUM-Gebiete. Für diese muss doch dasselbe gelten wie für das HQZ. Wir haben „Regionen Aktiv“, und wir haben Naturparks. Überall dort muss doch der erste Schritt getan werden. Nachdem Sie die Arbeitsgruppe „Grüne Gentechnik“ haben – was ich ja im Grunde genommen lobe –, sorgen Sie doch dafür, dass aus dieser Arbeitsgruppe etwas entsteht! Leisten auch Sie aktiv Ihren Beitrag dazu! Dann ist das Ganze glaubwürdig.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen bzw. Redezeiten mehr vor.

(Heiterkeit)

Deswegen kommen wir zur Verbescheidung des Antrags Drucksache 13/2826.

(Abg. Walter GRÜNE: An den Ausschuss über- weisen, bitte!)

Sie wollen, dass er an den Ausschuss überwiesen wird. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag an den Ausschuss Ländlicher Raum und Landwirtschaft überwiesen.

Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt und Verkehr zu der Mitteilung des Ministeriums für Umwelt und Verkehr vom 11. November 2003 – Unterrichtung des Landtags in EU-Angelegenheiten; hier: Vorschlagspaket zur Neuausrichtung des europäischen Chemikalienrechts – Drucksachen 13/2654, 13/2971

Berichterstatter: Abg. Dr. Caroli

Das Präsidium hat eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Über das europäische Chemikalienrecht zu reden ist kompliziert, weil auch die chemische Industrie nicht einfach zu beschreiben ist. Ich habe es aber insofern leichter, als wir uns in der letzten Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Verkehr sehr ausführlich mit diesem Thema befasst haben und uns – auch das gibt es in diesem Parlament noch – auf einen gemeinsamen Antrag verständigt haben, der anschließend in diesem hohen Haus zur Abstimmung gestellt wird. Wir haben zu diesem Thema also keine oder auf alle Fälle sehr weit zurückgedrängte Streitpunkte zwischen den Fraktionen.

Wir alle – das ist eines der Ergebnisse der Befassung im Ausschuss – begrüßen, dass man sich auf den Weg macht, das europäische Chemikalienrecht zu vereinheitlichen. Es soll, so heißt es in den Unterlagen, mehr als 40 Vorschriften der EU auf diesem Gebiet geben – und damit sind die nationalen Vorschriften überhaupt noch nicht berücksichtigt und eingerechnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um es vielleicht ganz kurz zur Erklärung – auch für die Damen und Herren auf der Zuhörertribüne – zu sagen: Für den Umgang mit Chemikalien soll europaweit ein neues System eingeführt werden, das so genannte REACH-System. Es steht für einen dreiteiligen Vorgang. Erstens: Chemikalien müssen angemeldet, registriert werden. Zweitens: Chemikalien müssen bewertet werden. Je nach Ausgang der Bewertung in Bezug auf die verschiedenen Risiken, die Chemikalien haben können, kommt als letzter Schritt – drittens – die Zulassung.

In der EU soll eine eigene Einrichtung, eine neue Agentur zur Bewältigung dieser Aufgaben geschaffen werden.

Nun kann sich jeder vorstellen, dass beim europäischen Chemikalienrecht im Prinzip zwei Interessen miteinander konkurrieren. Es gibt zum einen das Interesse von Ihnen und von mir, dass mit Chemikalien möglichst sicher umgegangen wird. Je höher wir diesen Sicherheitsmaßstab anlegen, umso stärker sind natürlich die Einschränkungen und Auflagen für diejenigen, die Chemikalien herstellen, importieren oder verwenden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es schon einmal gesagt: Es gibt bisher etwa 40 Vorschriften, die jetzt durch diese neue Verordnung, die für uns unmittelbar geltendes Recht wird, ersetzt werden. Ein großer Pferdefuß der bisherigen Regelung bestand darin, dass Chemikalien, die bis 1981 auf den Markt gekommen sind, vom bisherigen Recht mehr oder weniger ausgenommen waren. Wenn man jetzt aber die Masse der Chemikalien betrachtet, sieht man, dass der weitaus überwiegende Teil vor 1981 entwickelt worden und auf den Markt gekommen ist. Danach war es ein verschwindend kleiner Anteil. Das heißt, ein Chemikalienrecht, das diese Unterscheidung aufrechterhalten würde, bräuchte man eigentlich gar nicht, wenn es für drei Viertel oder vier Fünftel der Chemikalien nicht gelten würde. Die Unterscheidung und Zäsur „1981“ entfällt also.

Nun ist es natürlich ein Unterschied bei der Bewertung von Chemikalien, welche Menge hergestellt, importiert und verwendet wird, und es ist ein Unterschied, wie hoch die Risiken eines bestimmten Stoffes sind.

Man scheint sich jetzt darauf zu verständigen, dass diese Verordnung bei einer Menge unter 10 Tonnen nicht gelten soll und dass es bei einer Menge zwischen 10 und 100 Tonnen Erleichterungen gibt. Die volle Bandbreite der Vorschriften soll erst ab einer Menge von 100 Tonnen eines bestimmten Stoffes gelten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielleicht sollte ich noch etwas über die Risiken eines solchen Stoffes sagen. Es gibt zunächst einmal Risiken hinsichtlich der Gesundheit der Menschen, die mit diesen Stoffen umgehen, und auch der Menschen, auf die diese Stoffe einwirken können. Je stärker diese Risiken auf die Menschen und die Umwelt wirken, umso nachhaltiger müssen auch die Sicherheitsauflagen, die Sicherheitsvorschriften bei der Zulassung sein.

Wenn man aus Sicht der Wirtschaftsinteressen auf diese Verordnung schaut, versteht sich von selbst, dass dieses Recht erstens wirksamer, aber zweitens möglichst auch praktikabel sein soll. Wir dürfen nicht einen weiteren Beitrag zu dem leisten, was wir in unseren Sonntagsreden immer bekämpfen. Es geht uns um die Einschränkung von Regelungen, die die Wirtschaft gängeln, und um die Verringerung der Bürokratie. Wenn man europaweit so etwas macht, besteht durchaus die Gefahr, dass man es möglichst todsicher machen möchte. Aber je sicherer man es machen will, umso mehr ins Einzelne gehende und strengere Vorschriften braucht man.

Das zweite Argument, das vonseiten der Wirtschaft gebraucht wird, lautet, es könne zu Wettbewerbsverzerrungen

kommen. Innerhalb der Europäischen Union kann das nicht der Fall sein, denn diese Verordnung gilt für alle Länder der Europäischen Union.

Außerdem wird immer wieder gesagt, der Import könne erleichtert werden. Auch das kann nicht sein, weil nicht nur die Herstellung solcher Stoffe und der Umgang mit ihnen, sondern auch der Import solcher Stoffe in die Länder der Europäischen Union unter diese Verordnung fallen.

Der einzige Gesichtspunkt, der aus der Sicht der Wirtschaft nach meiner Meinung beachtlich ist, ist die Stellung europäischer Chemieunternehmen auf dem Weltmarkt. Wenn im Verhältnis zu Konkurrenten auf dem Weltmarkt, also in Staaten außerhalb der EU, zu stringente Vorschriften erlassen werden, wie es sie dort nicht gibt, könnte das in der Tat zu Wettbewerbsverzerrungen führen.

Unsere Forderung quer durch alle Fraktionen heißt also: Wir brauchen ein Chemikalienrecht, das die Sicherheit gegenüber der Umwelt und den Menschen tatsächlich gewährleistet, aber wir müssen immer auf einen Interessenausgleich zwischen der Praktikabilität und den weiteren Interessen der Wirtschaft bedacht sein.

Meine Damen und Herren, wir haben noch ein wenig Zeit, diese Verordnung zu beeinflussen. Wir haben deswegen Zeit, weil alle, die das eigentlich wissen müssen, sagen, der vorgesehene Zeitpunkt des Inkrafttretens, also der 1. Januar 2006, sei überhaupt nicht zu halten. Wenn wir diese Verordnung zum 1. Januar 2007 in Kraft setzen können, haben wir einiges, vielleicht sogar viel erreicht.

Nun haben wir uns im Ausschuss für Umwelt und Verkehr zusammen mit der Regierung, zusammen mit Staatssekretär Mappus, auf ein Verfahren verständigt, wie man diese Zeit nutzen kann. In unserem Antrag steht das auch so drin. Wir begrüßen das Vorhaben der Regierung, unter den Bedingungen des jetzt vorliegenden Verordnungsentwurfs mit 20 Firmen, die für die Verordnung einschlägig sind, die Verordnung modellhaft zu erproben.

Ich glaube, dass das ein sehr guter Vorschlag ist; denn – wenigstens mir geht es so – wir können uns nicht alle Bedingungen vorstellen, auf die dieser Verordnungsentwurf zutrifft. Da ist ein Modellversuch in ausgewählten Firmen sicherlich das Richtige, zumal wenn diese Firmen nicht einzig und allein von uns ausgesucht werden, sondern in Absprache mit den entsprechenden Interessenvertretungen der chemischen Industrie.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, wenn wir das so machen, können wir die Zeit nutzen, die wir haben, bis das Rechtsetzungsverfahren bezüglich dieser Verordnung in den Gremien der Europäischen Union tatsächlich in einen spannenden Zeitraum gelangt.

Wir hatten schon bisher – das sagt wenigstens unser zuständiges Ministerium – Erfolg mit unseren Bemühungen auf den verschiedensten Kanälen, den Inhalt dieser Verordnung zu beeinflussen. Denn wenn Sie den ursprünglichen Verordnungsentwurf mit dem jetzt vorliegenden Verordnungsentwurf vergleichen, erkennen Sie, dass der neue Entwurf deutlich besser ist hinsichtlich der Interessen und der Interessengegensätze, die ich darzustellen versucht habe.

Wie gesagt: Wir haben einen gemeinsamen Antrag. Das möchte ich zum Schluss noch sagen. Außerdem haben wir einen Antrag der Grünen im Hinblick auf eine Ergänzung unseres gemeinsamen Antrags um einen weiteren Punkt. In diesem Antrag geht es um die Fragen – es ist ganz klar, dass das ein einschlägiger Gesichtspunkt ist –: Wie wirkt das REACH-Verfahren auf die Zahl von Tierversuchen? Können wir mit dem REACH-Verfahren die Zahl der Tierversuche einschränken, oder hat das überhaupt keine Auswirkungen auf die Zahl der Tierversuche? Tatsächlich besteht eine große Wahrscheinlichkeit, wenn man das REACH-Verfahren ordentlich anwendet, dass man Tierversuche wenigstens zahlenmäßig einschränken kann. Ich darf das jetzt mit meinen Worten sagen: Das ist wohl auch der wesentliche Inhalt des Zusatzantrags der Grünen.

Nun wissen Sie alle, dass die CDU-Fraktion sicherlich nicht an der Spitze der Bewegung für den Tierschutz steht. Gleichwohl darf ich erklären, dass wir diesem Antrag der Grünen zustimmen und auch nichts dagegen hätten, wenn er zum Bestandteil unseres gemeinsamen Antrags würde. Ich kann aber jetzt nicht für die anderen Fraktionen sprechen. Wir sind unter anderem auch deswegen für den Antrag der Grünen, weil es im Bundestag einen Antrag der CDU/CSUBundestagsfraktion gibt, der deutlich weiter geht als dieser Antrag der Grünen. Wenn das so ist – das habe ich mir jetzt auch bestätigen lassen –, dann haben wir, glaube ich, überhaupt keine Veranlassung, diesem berechtigten Interesse nicht auch heute hier unsere Zustimmung zu geben.

Noch einmal: Wenn das REACH-System und eine Risikobewertung durch das entsprechende Unternehmen ordentlich durchgeführt werden, könnte das dazu beitragen, dass die Zahl der Tierversuche reduziert werden kann.

Fazit, zusammengefasst: Es kommt nicht täglich vor, dass wir bei einem Vorhaben, über dessen Auswirkungen wir uns heute vielleicht noch gar nicht ganz genaue und bis in alle Einzelheiten gehende Vorstellungen machen können, hier in diesem hohen Haus in den wesentlichen Punkten einer Meinung sind. Ich glaube, wir sollten das ausdrücklich hervorheben und begrüßen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD und der Grünen)

Meine Damen und Herren, ich rufe noch den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 13/2991, auf.

Das Wort erhält Frau Abg. Schmidt-Kühner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auf Initiative der deutschen Ratspräsidentschaft von 1999 legte die Europäische Kommission im Februar 2001 mit dem Weißbuch „Strategie für eine künftige Chemikalienpolitik“ ihr Konzept für Europa vor. Man muss noch einmal daran erinnern: Wir haben uns damals zumindest im Umweltausschuss schon mit diesem Weißbuch befasst. Das Ziel ist, ein integriertes und kohärentes Konzept für den Umgang mit Alt- und Neustoffen zu erarbeiten. Was dahinter steckt, hat Kollege Scheuermann gerade schon erläutert.