Protokoll der Sitzung vom 31.03.2004

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Bravo!)

Die Fakten hat der Sozialminister sehr ausführlich und gründlich dargestellt: die Reduzierung der Förderquote und die Tatbestände, die insgesamt zu einer Absenkung der Förderquote führen. Dafür bin ich dankbar.

Ich möchte mich auch auf die Einsetzung der Enquetekommission beziehen, Frau Altpeter, die wir heute Mittag beschlossen haben. Eigentlich könnte ich es mir jetzt bequem machen und mich zurücklehnen.

(Abg. Wieser CDU: Beim Zahnarzt ist es bei mir nie bequem!)

Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns im Rahmen dieser Enquetekommission auch über diese sozialen Infrastrukturen unterhalten werden und die Zeit für die liberale Idee, die ich nicht noch einmal ausdrücklich wiederholen muss, arbeiten wird.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Aber zurücklehnen musst du dich trotzdem nicht!)

Die liberale Politik sagt: Ältere Menschen sind keine einheitliche Summe, sondern ältere Menschen sind sehr unterschiedlich. Es gibt wohlsituierte und bedürftige ältere Menschen. Wenn man das wirklich einmal wahrnimmt und die Begrenztheit der Ressourcen der öffentlichen Hand und auch des Landeshaushalts sieht, die sich wohl in absehbarer Zeit nicht verändern wird, dann stellt sich zwangsläufig, denke ich, die Frage, ob wir es uns weiterhin leisten können, nach dem Gießkannenprinzip jedem eine Reduzierung der Pflegesätze durch die Landesförderung zukommen zu lassen, ob wir das durchhalten können.

Bester Beweis dafür ist genau die aktuelle Novellierung, die mehr in Richtung Subjektförderung geht. Denn Sozialhilfe ist nichts anderes. Alle haben gesagt, dass für die Kommunen aufgrund der steigenden Pflegesätze mehr Leistung an Sozialhilfe notwendig wird.

(Abg. Alfred Haas CDU: So ist es!)

Sozialhilfe ist eine Form der Subjektförderung. Ich glaube, das ist allen bewusst. Ich frage, ob es nicht intelligentere Formen gäbe, indem wir die Objektförderung ein Stück weit in eine zielgerichtete Subjektförderung umschichteten. Vielleicht müssen wir das doch schneller angehen, als es jetzt diskutiert wird. Ich bin dem Kollegen Haas dankbar,

(Abg. Wieser CDU: Guter Mann!)

dass heute zum ersten Mal sogar eine Frist oder ein Datum genannt worden ist, zu dem er sich eine Änderung vorstellen könnte. Gesetze können geändert werden, auch auf Bundesebene. Ich denke, zum jetzigen Zeitpunkt ist es richtig, den Investitionsstau ein Stück weit dadurch aufzulösen, dass man die Förderquote senkt.

Man muss aber auch bedenken, dass der Investitionsstau bisher auch als Investitionsbremse wirksam geworden ist. Das haben nicht nur private Träger immer wieder betont. Sie haben gesagt: „Wenn ihr von der Objektförderung wegkommen würdet, würdet ihr auch die Investitionsbremse teilweise lösen.“ Diese Bremse hat man natürlich, solange die Förderquote noch hoch war, zum Teil zähneknirschend in Kauf genommen.

(Abg. Wieser CDU: Vergoldet gekriegt!)

Je niedriger diese Förderquote ist – wir senken sie jetzt deutlich ab –, umso mehr wird sich der Negativeffekt der Investitionsbremse verringern, das heißt, umso mehr werden wir bei den Trägern und bei den Kommunen sicher Verbündete für unsere Überlegungen bekommen. Diese können natürlich nicht von jetzt auf nachher umgesetzt werden. Ich denke aber, wir sind auf dem Weg dorthin. Wir

müssen die bisherige Förderpolitik des Landes überdenken. Ich bin ganz zuversichtlich, dass Ideen, die die Liberalen schon seit langem einbringen, nichts mit Unsozialem zu tun haben. Die Evangelische Heimstiftung sagt: „Unsozial ist der, der bei begrenzten Mitteln nicht dafür sorgt, dass die Bedürftigen wirklich zum Zuge kommen, weil er alle mit der Gießkanne bedienen will.“

(Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU – Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut!)

Vielen Dank, Frau Gräßle. – Ich denke, das ist bei dieser Diskussion mit anzustoßen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt stimmen wir dem Gesetzentwurf in seiner vorgelegten Fassung zu.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Unruhe)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch.

(Unruhe)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Beschreibung der Situation sind wir uns in der Tat alle einig. Da hat der Herr Sozialminister Recht.

Angesichts der demografischen Entwicklung gehört die Zukunft der Altenpflege tatsächlich zu den größten gesellschaftlichen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Die Prognosen besagen, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2010 auf 270 000 ansteigen wird, wovon etwa ein Drittel in Pflegeeinrichtungen leben werden.

In ihrer Stellungnahme zum Antrag des Abgeordnetenkollegen Haas, Drucksache 13/2720, berechnet die Landesregierung bis 2010 einen voraussichtlichen Bedarf an teil- und vollstationären Plätzen zwischen 70 000 und 80 000. Bei dieser Berechnung wurde zum einen der stationäre Versorgungsbedarf demenziell erkrankter Pflegebedürftiger und zum anderen der Platzbedarf in Pflegeeinrichtungen außerhalb der Altenhilfe nicht berücksichtigt.

Bisher wurden die privaten Träger und damit die außerhalb der Kreispflegeplanung entstandenen Pflegeheimprojekte überhaupt nicht erfasst. Natürlich stehen die Kreispflegeplanung und der freie Markt, den es gibt, bei der Schaffung von Pflegeplätzen in Konkurrenz. Aber ich finde in diesem Bereich einen Wettbewerb auch nicht schlecht, vor allem, wenn man berücksichtigt, dass in manchen Landkreisen – wie zum Beispiel im Neckar-Odenwald-Kreis, im Kreis Schwäbisch Hall oder im Kreis Heilbronn – die privaten Einrichtungen schon vor Einführung der Pflegeversicherung existiert haben.

Wichtig dabei wäre aber, dass die Einrichtungen der privaten Träger in Abstimmung mit den Landkreisen und der Kreispflegeplanung realisiert werden. Für eine vernünftige Bedarfsplanung auf Landesebene ist es deshalb dringend notwendig, eine systematische Auswertung darüber zu bekommen, wie viele private unabhängige Pflegeheime es gibt

und wie sich dies auf die Kreispflegeplanung und auf die Pflegeheimförderung auswirkt.

Auch wenn die kommunalen Landesverbände die Einschätzung vertreten, dass dies nicht kurzfristig vorgelegt werden kann, bitte ich doch die Landesregierung, darauf hinzuwirken, dass dies dann eben mittelfristig, zeitnah – wie man so schön sagt –, vorgelegt werden kann, damit tatsächlich auch die Steuerungsmöglichkeiten auf Landesebene erhalten bleiben.

(Minister Dr. Repnik: Sie werden mir einen Brief schreiben, Frau Kollegin! – Abg. Wieser CDU: Sie können auch hilfsweise an die Staatssekretärin schreiben! – Minister Dr. Repnik: Die Beantwor- tung: wie immer fundiert und gut!)

Im Augenblick liegen beim Sozialministerium förderungswürdige Anträge mit einem Volumen von 590 Millionen € vor. Das heißt, das Sozialministerium müsste nach den jetzt geltenden Förderkriterien 230 Millionen € Fördersumme aufbringen, hat aber nur 60 Millionen € zur Verfügung. Ich kann Ihnen auch keine weiteren Euro irgendwo herzaubern und auch nicht versprechen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Eine ehrliche Antwort! Im Gegensatz zur Frau Altpeter war das ehrlich! – Abg. Dr. Lasotta CDU: Viel besser als vorher! – Abg. Wieser CDU: Das war mal eine ehrliche Re- de!)

Deshalb ist in der Tat eine Veränderung der Rahmenbedingungen der Fördermodalitäten notwendig, um zu einem Abbau des Förderstaus zu kommen. Das heißt, dass man Fördervorhaben auch rechtzeitig umsetzen können muss.

Die Förderquoten sinken von 60 auf 45 %, das Land reduziert von 40 auf 30 %, und die Kommunen reduzieren von 20 auf 15 %. Das bedeutet – das muss man natürlich der Ehrlichkeit halber dazusagen – dass die Kosten für die Heimbewohner pro Pflegeplatz um 130 € ansteigen werden. Soweit die Pflegebedürftigen dann Sozialhilfe erhalten, erhöht sich natürlich auch das Sozialhilfeaufkommen bei den Kommunen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das wissen die Kommu- nen!)

Im neuen Gesetzentwurf muss ebenfalls – vielleicht ist es nur Semantik – die neu eingeführte Begrifflichkeit „notwendige Grundversorgung“ noch klargestellt werden. Sie ersetzen die Worte „bedarfsgerechte Versorgung“ durch die Worte „notwendige Grundversorgung“, ohne diese Begrifflichkeit zu definieren. Zumindest ist mir nicht bekannt, dass sie definiert ist.

Meiner Meinung nach gibt der Begriff „bedarfsgerechte Versorgung“ die Situation in Baden-Württemberg besser wieder als der Begriff „notwendige Grundversorgung“, der eher eine Qualitätsverschlechterung bei der Pflege impliziert. Deshalb spreche ich mich für die Beibehaltung der alten Formulierung „bedarfsgerechte Versorgung“ aus – auf jeden Fall so lange, bis diese Begrifflichkeit definiert ist.

Wir begrüßen ebenfalls die Begrenzung der förderfähigen Höchstplatzzahlen auf in der Regel bis zu 100 Plätze bei Neubau-, Ersatzbau- und Erweiterungsmaßnahmen. Damit wird das Ziel, für eine wohnortnahe Versorgung zu sorgen, im Gesetz verankert und den großen Mammuteinrichtungen auf der grünen Wiese ein klares Nein entgegengesetzt.

Aber auch mit der Fortschreibung der Pflegeheimförderung, die wir jetzt vornehmen, werden die Grundprobleme nicht dauerhaft gelöst. Deshalb, denke ich, kann man sich der Diskussion um einen Fördermix mit Subjektförderung nicht gänzlich verschließen. Das kann natürlich nur in einer mittel- bis langfristigen Lösung mit entsprechenden Übergangsphasen erfolgen, die man dazu nützt, die Nachteile, die die Subjektförderung mit sich bringt, also die fehlenden Steuerungsmöglichkeiten

(Der Rednerin wird das Ende ihrer Redezeit ange- zeigt.)

ich bin beim letzten Satz – der öffentlichen Hand bei Bedarfsplanung oder Wohnortnähe abzumildern.

Eine abschließende Bewertung des Gesetzentwurfs: Er bringt eine notwendige Weiterentwicklung der Pflegeheimförderung unter dem Vorzeichen eines unveränderten Fördervolumens und steigenden Förderbedarfs. Jedoch gibt es noch einige Punkte nachzubessern, wie es auch die Liga der freien Wohlfahrtspflege in ihrer Stellungnahme gefordert hat. Die Refinanzierung der betriebsnotwendigen Investitionsmaßnahmen und die Substanzerhaltung der Einrichtungen sind solche Punkte. Sie sehen, so ganz einvernehmlich verläuft die Diskussion nicht. Es müssen noch einige Punkte nachverhandelt und nachgebessert werden, damit wir diesem Gesetzentwurf dann auch zustimmen können.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Wieser CDU: Das wollen wir auch! – Minister Dr. Repnik: Das war aber heute schon ein guter Beginn! – Abg. Pfister FDP/DVP: Das war schon ein guter Anfang!)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung – Gesetz zur Neuordnung der Pflegeheimförderung –, Drucksache 13/3039, soll an den Sozialausschuss überwiesen werden. – Sie stimmen der Überweisung zu.

Punkt 8 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Mitteilung des Wirtschaftsministeriums vom 10. Februar 2004 – Wohnungsbau 2004 – Bericht und Leitlinien zur Wohnraumförderung – Drucksachen 13/2913, 13/3031

Berichterstatterin: Abg. Veronika Netzhammer

Sie stimmen der Beschlussempfehlung zu. Ich sehe keine Gegenstimmen.