Wenn bei uns die Arbeitsstunde billiger wird – darum geht es letzten Endes –, wird so manche Arbeit in Deutschland und nicht im Ausland erledigt,
werden weniger Menschen Schwarzarbeit leisten und stattdessen offen arbeiten. Möglicherweise wird auch die Do-ityourself-Welle etwas zurückgehen, wenn die Arbeit billiger wird. Alles in allem bin ich der festen Überzeugung: Wenn die Arbeit pro Stunde preiswerter ist, wird auch mehr Arbeit nachgefragt.
Jetzt gäbe es natürlich zwei Möglichkeiten: Zum einen könnten wir in Tarifverträgen darauf drängen, dass weniger bezahlt wird. Da muss ich Ihnen sagen: Man kann von einem normal verdienenden Arbeitnehmer, der eine Familie
zu ernähren hat und vielleicht 2 000 € oder 2 500 € brutto verdient, nicht verlangen, dass er bereit ist, eine Senkung seines Einkommens hinzunehmen. Aber man kann von ihm verlangen, dass er für das gleiche Einkommen eine Stunde oder zwei Stunden länger arbeitet.
Wenn ich irgendwo hinkomme und dies sage, bekomme ich in der Regel wesentlich mehr Beifall als heute hier.
Die nächste Frage ist vorhin richtig aufgeworfen worden. Es wird Situationen geben, in denen das funktioniert, und Situationen, in denen das nicht funktioniert. Dieser Meinung bin auch ich. Meine Damen und Herren, dieses Modell setzt flexible Arbeitsmärkte voraus. Das ist ja auch im Vermittlungsausschuss immer wieder angesprochen worden: Wir müssen schauen, dass wir flexiblere Arbeitsmärkte bekommen, damit diese Anpassung auch funktioniert.
Zum Schluss möchte ich noch ein ganz anderes Argument anführen. Ich bin überzeugt: Das Einzige, was in unserer Wirtschaft Werte schafft, ist die Arbeit. Arbeit schafft Werte, und Kapital ist in diesem Sinne gewonnene Arbeit. Deswegen ist es ganz logisch, dass wir durch mehr Arbeit auch mehr Werte schaffen werden. Wir müssen deswegen länger arbeiten.
Ich bin heute schon einmal gefragt worden, wie viel länger wir arbeiten müssen. Ich muss Ihnen offen sagen: Ich könnte mir vorstellen, dass man in einigen Jahren vielleicht zwei Stunden pro Woche länger arbeitet. Ich könnte mir auch vorstellen – das würde noch viel mehr bringen –, dass wir es schaffen, dass die Menschen in ihrer Lebenszeit ein Jahr früher anfangen zu arbeiten und ein Jahr länger arbeiten; denn die Menschen werden auch älter. Ich sage Ihnen: Die meisten unserer Demografieprobleme hätten wir dann gelöst, wenn mit der Arbeit ein Jahr früher angefangen und ein Jahr später aufgehört würde.
Als Letztes noch: Hier wird als Beispiel immer die Schweiz angeführt. Sie wissen: Die Schweiz hat mit die geringste Arbeitslosigkeit und sehr viele ausländische Beschäftigte. Dennoch arbeiten die jeden Tag länger, jede Woche länger, jeden Monat länger, haben weniger Feiertage und haben weniger Urlaub. Die arbeiten so viel mehr, dass ein kluger Mensch einmal feststellen konnte: Wenn bei den Schweizern Allerheiligen ist, ist bei uns bereits Silvester. So ist es tatsächlich, und deswegen müssen wir, glaube ich, länger arbeiten.
Herr Minister, wenn Sie vielleicht noch Ausführungen zum Thema Zeitverträge machen würden: Wie werden Sie das regeln wollen? Werden Sie in den neuen Tarifbereichen überwiegend Dauerarbeitsplätze einrichten, oder werden Sie im Wesentlichen auf Zeitverträge ausweichen?
Ich muss Ihnen sagen und will da auch ganz ehrlich sein: Ich höre mir heute diese Debatte gut an, denn wir haben noch nicht alle Einzelheiten geklärt. Aber wir denken auch in Zukunft an Dauerarbeitsplätze. Das ist für mich der normale Fall. Das will ich ganz eindeutig sagen. Es wird zwar auch Zeitarbeitsverträge geben, aber ich gehe, obwohl ich das weder im Ministerium noch in der Regierung abgesprochen habe, davon aus, dass der Normalfall auch in Zukunft das Dauerarbeitsverhältnis ist.
Herr Minister, ich glaube, dass Sie in einem Punkt nicht richtig liegen, wenn Sie nämlich sagen, bei Beförderungen könnte die Arbeitszeit mit neuen Verträgen in irgendeiner Weise erhöht werden. Im öffentlichen Dienst nennen wir das in aller Regel Bewährungsaufstieg, der nicht zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags führt. Das heißt, für Bedienstete gelten auch bei einem Bewährungsaufstieg die Tarifbedingungen, die für sie bisher gegolten haben, weiter. Insofern ist es nicht möglich zu sagen: „neuer Vertrag, andere Bedingungen“, wenn jemand nach seinen Tätigkeitsmerkmalen einen Bewährungsaufstieg absolviert.
Das zweite Problem, Herr Minister, ist, dass wir die Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst nicht vom Ausland her auffangen können. Es besteht eben keine Möglichkeit, zu sagen: Wenn jemand hier wenig verdient, geht er ins Ausland. Es ist vielmehr so, dass die Bediensteten dem Arbeitgeber ausgeliefert sind.
Ich bin etwas enttäuscht, dass Sie zu der wirklich schwierigen Frage, wie im Bereich der Universitätsklinika die Differenzen – 41 Stunden bei Neueinstellungen, 38,5 Stunden bei bereits jetzt dort Beschäftigten – aufgefangen werden sollen, nichts gesagt haben. Über diese Frage habe ich gerade mit einem Mitglied Ihrer Fraktion gesprochen. Mich interessiert, wie das im ärztlichen Dienst ausschauen soll, wenn es unterschiedliche Zeitrahmen gibt.
Ich bin auch enttäuscht darüber, dass Sie sagen, es gebe neun Kommissionen, bei deren Arbeit bisher nichts herausgekommen sei, obwohl das, was Sie jetzt einfordern, nämlich Flexibilisierung der Arbeitszeit und Kontenmodelle, bereits auf dem richtigen Weg war.
Es ist sehr betrüblich, dass wir uns gerade in dieser Phase verabschieden und es damit dem Bund und der Vereinigung der Kommunen überlassen, diese Neustrukturierung des Tarifrechts vorzunehmen mit dem Ziel, gemeinsam ein einheitliches, neues, modernes Tarifrecht zu erarbeiten. Wenn die anderen das allein schaffen, wird man das auch hier über kurz oder lang akzeptieren müssen. Denn wenn sich die wesentlichen Verhandlungspartner auf Rahmenbedingungen einigen, die zumindest im Augenblick noch all das vorsehen, was Sie hier einfordern und was Sie sich davon versprechen, dann ist es nicht der richtige Weg, sich aus dem Mitgestalten der Reform zu verabschieden. Ich halte das für bedenklich. Ich sage auch, dass wir das, was dort geschieht, für genau richtig halten. Wir sollten das besser auch in der Gemeinschaft machen und sollten nicht provozieren, wie das bei der Kündigung der Arbeitszeittarifverträge durchaus der Fall ist. Wie sollen denn die Gewerkschaften darauf reagieren? Wir setzen auf Tarifautonomie. Das bedeutet dann aber auch, dass das nicht alle so ohne weiteres hinnehmen.
Die Gewerkschaft der Polizei hat einmal vorgerechnet, was die Erhöhung der Arbeitszeit der 80 000 Angestellten, für die der Tarifvertrag gilt, von 38,5 auf 41 Stunden theoretisch bewirken würde. Das wären 4 640 Arbeitsplätze. Natürlich kann man leicht sagen, das Element „Arbeit und Beschäftigung“ interessiere nicht so sehr. Es ist aber auf der anderen Seite immer im Auge zu behalten, dass die Verlagerung der Arbeit auf wenige dazu führt, dass andere keine Arbeit mehr finden.
Auch wenn die Ministerpräsidenten aller Bundesländer den Tarifvertrag gekündigt haben, bleibt im Auge zu behalten, dass unser Problem im öffentlichen Dienst nicht darin besteht, dass etwa zu viel Arbeit vorhanden wäre und die benötigten Menschen nicht zur Verfügung stünden. Vielmehr ist es umgekehrt so, dass viele Menschen dringend Arbeit benötigen. Es gibt viele junge qualifizierte Bewerber, die eben nicht eingestellt werden können. Ich kann ganz andere Zahlen nennen als die, die Sie für die Zukunft ankündigen. Von 200 Bewerbern werden nämlich nur 20 genommen. So ist die Lage an der Beschäftigungsfront.
Deswegen bitte ich dringend darum, dass wir dieses Thema gemeinsam ernst nehmen. Es ist sinnvoll, im Einvernehmen mit den Gewerkschaften Regelungen zu treffen. Wir dürfen aber nie unser Problem aus dem Auge verlieren, dass zu wenig Arbeit vorhanden ist. Für die Industrie können Sie sagen, dass eine längere Arbeitszeit vielleicht mehr Arbeit schafft. Für den öffentlichen Dienst gilt das absolut sicher nicht. Vielmehr müssen wir uns überlegen, welche Berufschancen junge Menschen im öffentlichen Dienst weiterhin haben werden.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Der Antrag ist nach der Aussprache erledigt.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum – Auswirkungen der EU-Richtlinien zu Fleischuntersuchungen und der Entscheidung des EuGH auf die Schlachthofstruktur in Baden-Württemberg – Drucksache 13/1955
Dazu rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/3074, auf.
Die Fraktionen sind übereingekommen, den Antrag und den Änderungsantrag ohne Aussprache an den Ausschuss für Ländlichen Raum und Landwirtschaft zu überweisen. –
Beschlussempfehlungen und Berichte des Petitionsausschusses zu verschiedenen Eingaben – Drucksachen 13/3026, 13/3041, 13/3042, 13/3043
Gemäß § 96 Abs. 5 der Geschäftsordnung stelle ich die Zustimmung entsprechend dem Abstimmungsverhalten im Ausschuss fest. – Es ist so beschlossen.
Beschlussempfehlungen und Berichte der Fachausschüsse zu Anträgen von Fraktionen und von Abgeordneten – Drucksache 13/2985