Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich der Mehrheit dieses Hauses Irrtum vorgeworfen habe – das ist ganz ohne Pathos gemeint –, meint das nur, dass wir glauben, dass wir richtig und Sie falsch liegen. Wenn das nicht so wäre, hätte ich unseren Gesetzentwurf ja zurückziehen müssen.
Mehr ist damit erst einmal, glaube ich, gar nicht gemeint. Dieser Vorwurf, dass Sie irren, ist letztlich aus einer genauen Analyse der Anhörung erfolgt. Das habe ich wohl präzis dargelegt. Ich bitte also, diesen Vorhalt jetzt nicht zu überhöhen.
Ich möchte auf ein paar Punkte eingehen. Wenn man wie wir der Ansicht ist, dass man eine Entscheidung darüber, ob man einer Lehramtsbewerberin das Tragen eines Kopftuchs erlaubt, nicht unabhängig davon machen kann, in welchem Kontext dies geschieht, und nicht unabhängig von den Intentionen der Kopftuchträgerin selbst treffen kann, dann ist
die Schule dafür natürlich der richtige Ort, denn es kann sich doch überhaupt immer nur vor Ort konkret darstellen, aus welchen Gründen die Lehramtsbewerberin das Kopftuch trägt und ob sie auf der anderen Seite eine emanzipierte Frau ist, die auf dem Boden unserer Verfassung steht. Das kann sich überhaupt nur vor Ort entfalten. Nur dort kann man das letztlich feststellen. Also muss man auch dort darüber entscheiden. Wo soll man denn sonst darüber entscheiden?
Unser Vorschlag heißt nicht, dass wir die Probleme an die Schule herunter verlagern, sondern die Schule ist der richtige Ort, um auch die Grundrechte der Lehramtsinhaberin mit zu berücksichtigen. Darum geht es.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Wie- ser CDU: Jetzt ist doch alles besprochen! – Zuruf des Abg. Röhm CDU)
Ob das Tragen eines Kopftuchs die Integration fördert oder behindert, kann man so pauschal überhaupt nicht sagen. Wir können einmal davon ausgehen: Wenn eine Frau, die das Kopftuch trägt, es ausschließlich trägt, weil sie das für ihre religiöse Pflicht hält, und ansonsten eine ganz normale Lehrerin ist mit allem, was man von ihr erwartet, dann kann das sehr wohl integrativ wirken. Sie kann zum Beispiel kopftuchtragende Schülerinnen dazu ermutigen, dass sie es nur tragen, wenn sie es freiwillig tun – so, wie sie selbst auch. Dann hat das natürlich etwas Integratives. Sie kann sie dazu ermutigen, dass sie mit auf außerunterrichtliche Veranstaltungen gehen. Das alles kann sein. Das hängt immer von der ganz konkreten Situation ab. Man kann das weder pauschal befürworten noch pauschal ablehnen.
Natürlich können sich auch muslimische Kinder nicht integriert fühlen, wenn muslimische Lehrerinnen kein Kopftuch tragen, weil sie vielleicht der Ansicht sind, diese hielten sich nicht an die religiösen Gebote. Solche Pauschalurteile bringen uns da überhaupt nicht weiter.
Jedenfalls – und das ist das Entscheidende – können wir nicht davon ausgehen, dass jemand, der eine Kippa oder ein Kopftuch oder ein Kreuz trägt, andere missionieren will. Das können wir überhaupt niemandem unterstellen. Es ist auch im Islam eine Realität, dass es dort Muslimas gibt, die meinen, man müsse ein Kopftuch tragen, und andere, die das nicht meinen. Der zweite Teil ist sogar die Mehrheit. Auch da besteht also Pluralität. Wir können erst einmal davon ausgehen, dass jemand, der ein Kopftuch trägt, es ausschließlich deswegen trägt, weil er es für sich selbst für verpflichtend hält, aber keinen anderen damit missionieren möchte, dass dieser das auch tragen müsse.
Das ist, glaube ich, einfach Praxis in einer liberalen Gesellschaft. Dieser Binnenpluralismus ist in allen Religionen vorhanden, auch im Islam.
Jetzt gehe ich noch einmal auf die Frage ein, wie so ein Konflikt an der Schule eigentlich geregelt wird. Das ist hier ja noch einmal die große Frage gewesen.
Was ist da das Entscheidende? Das Entscheidende ist, dass die subjektive Motivation der Kopftuchträgerin nicht völlig außen vor bleiben kann. Professor Jestaedt hat sehr richtig gesagt: Je mehr die Person durch ihr ganzes Verhalten darlegt, dass sie das Kopftuch aus rein persönlichen Gründen trägt, umso weniger können Proteste dagegen Gewicht haben. Man kann den Empfängerhorizont von Eltern nicht absolut setzen. Es würde ja Mobbing und Querulantentum in unserem Schulwesen Tür und Tor öffnen, wenn völlig unabhängig von der Person, die zu beurteilen ist, einfach jeder über diese Person behaupten kann, was er möchte, um zum Ergebnis zu kommen, sie störe den Schulfrieden. Das ist ganz undenkbar, glaube ich.
Vielmehr ist gerade entscheidend – da können wir uns jetzt, glaube ich, noch einmal auf drei Verfassungsrechtler von vier, die wir gehört haben, stützen –, dass das Verhalten der Person insgesamt mit berücksichtigt werden muss. Es kann nicht völlig außen vor bleiben. Deswegen wird die Beantwortung der Frage, ob so etwas den Schulfrieden stört, doch in erster Linie bei den Gremien, die dafür zuständig sind, liegen und letztendlich bei der Schulleitung und der Schulaufsicht, wenn es da Unklarheiten gibt. Hier kann nicht einfach nur der reine Elternwille greifen.
Dann möchte ich als Letztes noch zu der Frage kommen: Was ist jetzt mit der Ordenstracht? Ist das eine religiöse Bekundung oder nicht? Frau Kultusministerin Schavan, ich glaube, wir beide müssen uns natürlich nicht gegenseitig katholisch machen.
(Heiterkeit – Abg. Fischer SPD: Ihr seid es schon! – Abg. Pfister FDP/DVP: Ihr seid es schon genug! – Abg. Stickelberger SPD: Schlimmer geht es nim- mer!)
Ich glaube, man könnte jetzt viel darüber reden, aus welchen Gründen eine moderne Ordensfrau ein Ordenshabit trägt oder auch nicht. Das sollten wir, glaube ich, unterlassen. Er steht uns in unseren politischen Funktionen nämlich gar nicht zu, das zu machen. Was ich aber sagen wollte und jetzt noch etwas schärfer sage: Wir können das Ordenshabit nicht auf das Niveau einer bayerischen Lederhose stellen.
(Beifall bei den Grünen – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Blenke CDU: Manche Reden werden besser, wenn man aufhört!)
Das meine ich, ganz genau. Das Tragen eines Ordenshabits hat nicht einfach nur Traditionsgründe, sondern eindeutig religiöse Motive und Gründe, wie immer man das auch im Einzelnen wertet. Es kann doch nicht sein – ich glaube, dagegen würde sich jede Nonne entschieden wehren –, dass sie in ihrer religiösen Kleidung sozusagen auf ein reines Traditionsgehabe reduziert wird. Nur das und nicht mehr habe ich behauptet und andere auch. Wenn das aber der Fall ist, ist es – wohlgemerkt, im verfassungsrechtlichen Sinn – eine Glaubensbekundung und eine Bekenntnishandlung und nicht einfach nur eine Traditionshandlung. Wenn das der Fall ist, unterliegt es dem Gleichheitsgrundsatz, den uns das Bundesverfassungsgericht strikt anmahnt. Nur das wollte ich damit sagen.
Im Übrigen: Was haben uns bitte die Ordensfrauen getan, dass wir sie nun aus der Schule drängen sollten?
Unser Gesetzentwurf hat genau die Intention, zu ermöglichen, dass Frauen im Ordenshabit unterrichten können. Was sollte denn dagegen sprechen? Und warum kann man den Kindern nicht zumuten, das einfach hinzunehmen, dass jemand eine religiöse Bekleidung trägt, weil er davon überzeugt ist, dass er sie tragen muss? Ansonsten hat es doch auf die, die es anschauen müssen, erst einmal überhaupt keinen Einfluss. Ich finde, das ist doch das Mindestmaß an Toleranz, das man gegenüber Menschen verlangen kann, die religiöse Kleidungsstücke tragen, dass man das einfach akzeptieren kann. Das ist doch wohl das Minimum von Toleranz, wenn sie damit keine anderen Absichten verfolgen außer ihren persönlichen.
Ich darf noch einmal zusammenfassend sagen: Es geht uns um zwei wichtige Punkte: einmal darum, Gleichbehandlung zu gewährleisten und deswegen offen zu sein für religiöse Bezüge in der Schule und nur im Konfliktfall dahinter zurückzugehen.
Zweitens: Solche Grundrechte wie die Religionsfreiheit, Frau Kultusministerin, sind keine Partikular- und Sonderinteressen, sondern es sind Grundrechte. Jeder, der diese Grundrechte lebt, auch als Amtsträger, strahlt etwas von unserer Rechtsordnung aus, die ja darauf beruht, dass wir alle diese Grundrechte wahrnehmen können und sie auch wahrnehmen sollen. Das ist das eine.
Das Nächste ist, dass wir in der gesamten Tradition auch des Beamtenrechts und der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums immer davon ausgehen, dass wir im Einzelfall entscheiden müssen, ob jemand für den Schuldienst oder den öffentlichen Dienst allgemein geeignet ist oder nicht. Aus dieser Tradition können wir nicht völlig herausspringen; das hielte ich für völlig unangemessen.
Im Übrigen darf ich noch anmerken, dass ich mich etwas gewundert habe, dass die Justizministerin in eine Debatte,
Meine Damen und Herren, in der Allgemeinen Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g.
Ich lasse zunächst über den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 13/2793, abstimmen. Abstimmungs
grundlage ist dabei Ziffer 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport, Drucksache 13/3071.
und dazu die Ziffer 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses, Drucksache 13/3071, auf. Wer dem Artikel 1 mit der Änderung nach Ziffer 1 der Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Artikel 1 ist mit großer Mehrheit zugestimmt.
Wer Artikel 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dem Artikel 2 ist mehrheitlich zugestimmt.