Protokoll der Sitzung vom 09.06.2004

(Unruhe bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Was sagt denn Herr Hofer dazu? Der „Revisions-Ho- fer“!)

Wir müssen nach sieben Jahren eine Bilanz ziehen. Ich denke auch, dass wir keine Schiedsklausel benötigen. Es gibt die Finanzausgleichskommission, und damit ist ein Podium vorhanden, bei dem Land und kommunale Landesverbände

auf gleicher Augenhöhe miteinander sprechen und auftretende Probleme lösen können.

Meine Damen und Herren, ohne Zweifel sind 20 % ein ehrgeiziges Ziel, aber lassen Sie mich einmal ein aktuelles Beispiel aus unserem Land anführen: Die Regierungspräsidien haben es vorgemacht; innerhalb von zehn Jahren haben sie 30 % ihres Personals eingespart. Ich bin davon überzeugt, dass die Verwaltungsreform den Druck auf den Kessel, das noch offene Thema Aufgabenkritik, auf das ich auch noch zu sprechen komme, auf allen Ebenen anzugehen, erhöhen wird. Dieser Druck wird so hoch werden, dass wir dieses Problem lösen müssen.

Ich bin auch davon überzeugt, dass wir über die Optimierung von Verfahren und Verfahrensabläufen eine neue Aufstellung der Verwaltung auf den verschiedenen Ebenen erreichen werden. Dazu kann ich zum Beispiel sagen: Der Landrat des Rems-Murr-Kreises hat mir schon seine Ideen, wie er es neu regeln will, mitgeteilt. Er hat sein Amt neu aufgestellt. Das ist das, was ich von allen Ebenen erwarte.

Von unserem Stuttgarter Regierungspräsidenten Dr. Andriof gibt es eine Aussage, die mir sehr gut gefällt – ich zitiere –:

Ein Kennzeichen der Reform ist es, den Sachverstand, den wir bei den Sonderbehörden haben, und die Verwaltungskraft, die wir in den allgemeinen Verwaltungsbehörden haben,

also bei Landratsamt und Regierungspräsidium –

zusammenzuführen.

(Zuruf des Abg. Junginger SPD)

Das sagt eigentlich sehr viel über die Art und Weise, wie wir die Reform umsetzen wollen, aus.

Lassen Sie mich jetzt zur Aufgabenkritik kommen. Ich höre immer wieder – Sie, Herr Drexler, haben es ja vorhin auch gesagt –, wir müssten mit der Aufgabenkritik beginnen.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Nach der reinen Lehre könnte man Ihnen Recht geben.

(Abg. Drexler SPD: Ja! Praktisch!)

Aber – jetzt kommt das große Aber – ich persönlich bin mir sicher, dass wir dann noch einige Jahre auf eine konkrete Verwaltungsreform warten müssten. Das ist der Knackpunkt.

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler und Abg. Fi- scher SPD: Sie müssen doch wissen, wo Sie hin- wollen!)

Und alle diejenigen, die sich in der Verwaltung auskennen, wissen, dass dies – der Minister hat es vorhin angesprochen – eine Sisyphusarbeit ist, die geleistet werden muss.

(Abg. Schmiedel SPD: Na und?)

Ja, warten Sie doch einmal ab! – Es ist nicht einfach, Aufgaben abzubauen.

(Abg. Schmiedel SPD: Um Gottes willen! Vieles ist nicht einfach!)

Wir leben ja in einem Staat, in dem es für jede Lebenslage eine Vorschrift, ein Gesetz, eine Rechtsverordnung, eine Dienstanweisung, Befugnisse usw. gibt.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Leider, leider!)

Das hat Vorteile. Ich habe mit Unternehmen gesprochen, die in östlichen Ländern investierten, aber wieder auf dem Rückzug sind, weil sie sagen: „Die Rahmenbedingungen sind dort so, dass wir nicht investieren können.“ Das ist der Vorteil, wenn etwas reguliert ist. Aber es gibt natürlich auch Nachteile für Unternehmen hier. Sie haben mir aufgezeigt, dass sie Statistiken erstellen müssen, vierteljährlich, monatlich, und ich habe zugesagt, mich um dieses Anliegen zu kümmern. Ich konnte es aber, weil die Vorgaben von der Europäischen Union kamen, nicht ändern.

Wir müssen einen Mittelweg finden: Wir müssen dort, wo es geht – und ich bin sicher, dass es, weil sich im Laufe der Zeit bei uns in Deutschland einiges an Vorschriften angesammelt hat, Möglichkeiten dazu gibt –, Aufgaben und Standards abbauen. Es wird die zugegebenermaßen schwierige Kunst sein, diese überbordende Bürokratie und die hohen Standards nun so abzubauen, dass wir noch Rechtssicherheit für die Bürger und unsere Unternehmen behalten.

(Abg. Fischer SPD: Was hat das mit der Aufgaben- kritik einer Verwaltungsreform zu tun?)

Dies werden wir jetzt in Angriff nehmen; dieser Aufgabe werden wir uns stellen, und wir werden mit Nachdruck an der Umsetzung arbeiten.

Vermutlich wird es leichter sein, die Forderung des Gemeindetags zu erfüllen, Aufgaben von oberen staatlichen Ebenen an die Städte und Gemeinden zu verlagern. Das wird viel eher zu realisieren sein. Dass wir das bei vollem Kostenausgleich machen, schreibt allein schon unsere Landesverfassung mit dem Konnexitätsprinzip vor. Ich denke, dieses Signal kann man dem Gemeindetag sicherlich geben.

Wir werden diesen Prozess der Aufgabenverlagerung im Sinne des Subsidiaritätsprinzips von oben nach unten anschieben, begleiten und die Vorschläge mit den anderen Landesverbänden beraten.

Herr Drexler, Sie haben das Stichwort NSI angeschnitten. Natürlich haben wir das Vorhaben zu einem Zeitpunkt begonnen, zu dem die Verwaltungsreform noch nicht in diesem Stil spruchreif war.

(Abg. Fischer SPD: Noch gar nicht angedacht!)

Ich finde es irgendwie fast scheinheilig, wenn Sie jetzt so tun, als könnte man auf das ganze Projekt verzichten.

(Abg. Drexler SPD: Das habe ich nicht gesagt!)

Der Landtag profitiert davon, die Verwaltungen profitieren davon.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Warten Sie doch ab! – Wir stehen ja nicht alleine. Es gibt andere Bundesländer, die auf diesem Wege genauso unterwegs sind. Keineswegs machen wir etwas isoliert.

(Abg. Drexler SPD: Aber nicht flächendeckend für alle Betriebe! Das wissen Sie genau!)

Lassen Sie mich abschließend etwas zum Verfahren sagen, das Sie heute wieder sehr vollmundig kritisiert haben. Ich habe mir einen Artikel aus der „Stuttgarter Zeitung“ vom 12. Mai herausgesucht. Da war zu lesen, dass Sie, Herr Drexler, davon sprechen, dass das Gesetz innerhalb von drei Wochen durch das Parlament gepeitscht werde – so haben Sie es gesagt –

(Abg. Drexler SPD: Stimmt!)

und dass die Regierung offenkundig Angst vor der Kritik der Fachleute habe.

(Abg. Drexler SPD: Ja!)

Ich darf zu diesen zwei Punkten abschließend noch etwas sagen. Mich wundern Ihre Aussagen schon etwas. Wir diskutieren seit mehr als einem Jahr auf allen Ebenen. Es gab Beratungen; bei uns in der CDU-Fraktion war das fast jeden Dienstag Thema.

(Abg. Drexler SPD: Das ist nicht das Parlament! Das dürfen Sie nicht gleichstellen!)

Warten Sie doch, ich zähle doch alles auf. – Es gab Beratungen in den Fraktionen, bei uns jedenfalls sehr häufig. Es gab bei Ihnen Anhörungen. Es gab die ganz großen Anhörungen, in die alle 439 Verbände einbezogen worden sind. Es gab hier im Plenum schon vor eineinhalb Jahren stundenlange Debatten. Ich denke, wir müssen jetzt zu Potte kommen. Wir müssen den Landkreisen, den Stadtkreisen und den RPs die Chance geben, die Konzepte, die zum Teil schon auf dem Tisch liegen, mit den betroffenen Mitarbeitern zu beraten und umzusetzen.

(Abg. Drexler SPD: Was ist denn der Unterschied zwischen Ende Juni und Ende Juli?)

Je länger wir warten, umso mehr verkürzen wir die vor uns liegende Zeit, das letzte halbe Jahr vor dem Inkrafttreten, nicht zuletzt zulasten der Mitarbeiter.

(Abg. Drexler SPD: Drei Wochen mehr oder weni- ger!)

Drei Wochen mehr oder weniger reißen es auch nicht raus.

(Abg. Drexler SPD: Doch! Darum ging es doch!)

Bei Ihnen.

(Abg. Drexler SPD: Sie haben das abgelehnt!)