Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man sich die Empfehlungen vor Augen hält, die der Wissenschaftsrat für die weitere Entwicklung der baden-württembergischen Hochschulmedizin ausgesprochen hat, kommt man, auch bei äußerst nüchterner Betrachtung, um zwei Feststellungen nicht herum.
Erstens: Vier der fünf Standorte werden hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit in Forschung, Lehre und Krankenversorgung vom Wissenschaftsrat mit Noten zwischen „gut bis sehr gut“ und „hervorragend“ bewertet. Zweitens: Die baden-württembergischen Universitätsklinika sind grundsätzlich bestens dafür gerüstet, sich auf dem bereits erreichten hohen Niveau auch in Zukunft positiv weiterzuentwickeln.
Beides hängt wesentlich damit zusammen, dass das Land Baden-Württemberg im Jahr 1998 mit seiner Reform der Hochschulmedizin die Weichen richtig gestellt und zukunftweisende Impulse gegeben hat. Diese Reform hat die Universitätsklinika in die rechtliche Selbstständigkeit entlassen, und der Wissenschaftsrat attestiert, allen voran dem Universitätsklinikum Tübingen, dass die hieraus erwachsenen eigenen Handlungsspielräume optimal genutzt wurden. Nach Einschätzung des Wissenschaftsrats gehen von Tübingen wie von keinem anderen Universitätsklinikum in Deutschland Impulse und Anregungen aus, die der Weiterentwicklung der Finanzierung der Hochschulmedizin in ganz Deutschland zugute kommen.
Herr Kollege Wichmann, ich empfinde es als Beleidigung meiner betriebswirtschaftlichen Fakultät, dass Sie meinen, Qualität sei für uns kein Kriterium. Qualität ist ein ganz wesentlicher Bestandteil einer soliden betriebswirtschaftlichen Überlegung.
Es lohnt sich, die Beurteilungen des Wissenschaftsrats auch bezüglich der anderen baden-württembergischen Standorte noch einmal im Einzelnen nachzulesen. Er stellt nämlich nicht nur diesen Einrichtungen, sondern auch der badenwürttembergischen Hochschulpolitik insgesamt ein hervorragendes Zeugnis aus, weil die Instrumente dieser Politik – Autonomie, dezentrale Budgetverantwortung, verbunden mit Zielvereinbarungen und Controlling – eben auch einen erfolgreichen Verbund von Wissenschaft und Krankenversorgung sowie nicht zuletzt einen höchst effizienten Einsatz der dort zur Verfügung stehenden öffentlichen finanziellen Mittel ergeben.
Trotzdem sehen sich unsere Universitätsklinika in den kommenden Jahren vor gravierende finanzielle Probleme ge
stellt – das wurde schon deutlich erörtert –, weil die Umstellung der Krankenhausfinanzierung auf Fallpauschalen für die baden-württembergischen Klinika ab dem Jahr 2005 einen sehr schwerwiegenden Rückgang der Erlöse befürchten lässt. Das wäre ein nicht zu verkraftender und außerdem geradezu aberwitziger Effekt. Dem Fallpauschalensystem liegt nämlich eigentlich der richtige und gerade auch von uns hochgehaltene Gedanke zugrunde: gleiches Geld für gleiche Leistung. In der jetzigen Ausgestaltung dieses Systems wird allerdings diese Idee für die Universitätsklinika geradezu ins Gegenteil verkehrt. Die besonderen und fast immer auch besonders kostenträchtigen Anforderungen, denen diese Kliniken aufgrund ihrer besonderen Stellung auch hinsichtlich der unmittelbaren Krankenversorgung nachkommen müssen, werden im bislang erarbeiteten Fallpauschalensystem nicht annähernd sachgerecht abgebildet. Die Folge ist, dass sie nicht etwa gleiches Geld für gleiche Leistung erhalten sollen, sondern so genanntes gleiches Geld für ungleich höhere und ungleich kostenintensivere Leistungen. Das kann und darf nicht so bleiben. Es besteht erheblicher Nachbesserungsbedarf, wobei allerdings zu befürchten ist, dass der Bundesgesetzgeber dem nicht nachkommt.
Desto dringender ist es – und dies im Übrigen völlig unabhängig von der Frage des Fallpauschalensystems –, dass die Universitätsklinika von den längst nicht mehr zeitgemäßen Einengungen des BAT befreit werden.
Mit der Aufhebung der Pflichtmitgliedschaft der Universitätsklinika in der Tarifgemeinschaft der Länder sind insoweit bereits die richtigen Weichen gestellt. Es ist nun Sache der Vorstände und Aufsichtsräte der Universitätsklinika, von dieser Optionsmöglichkeit einer Loslösung vom BAT Gebrauch zu machen.
Herr Kollege Wichmann, wenn Sie sagen, wir bräuchten ein einheitliches System, frage ich Sie: Haben Sie eigentlich noch nicht gemerkt, dass mit Ihrer Einheitlichkeitsstrategie Deutschland die ganzen letzten Jahre massiv in den Keller fährt?
Es stimmt, die Universitätsklinika werden nicht umhinkommen, selbst weitere Anstrengungen zur Kostenoptimierung über das erfreulicherweise bereits erreichte Maß hinaus zu unternehmen. Ich bin überzeugt, die im Krankenhausgesetz und im Universitätsklinika-Gesetz unseres Landes getroffenen Regelungen stellen sicher, dass hierbei die übergreifenden Belange der medizinischen Ausbildung sowie der Krankenversorgung in unserem Land angemessen berücksichtigt werden.
Unsere wirklich große Sorge betrifft die unbestritten erforderlichen Leistungen des Bundes. Dass sich diese Bundesregierung mit dem Thema Eliteuniversitäten in klare Länderzuständigkeiten einschleichen will, während sie sich gleichzeitig, zum Beispiel bei der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, also dort, wo sie ganz konkret und eindeutig mit zuständig ist, durch gravierende Mittelkürzungen – 350 Millionen € allein in diesem Jahr – aus ihrer Verantwortung zurückzieht, ist ein Unding. Diese Ablenkungs- und Vernebelungstaktik muss hier deutlich benannt, vor allem aber abgestellt werden. Der Bund soll dort handeln, wo er die Aufgabe hat. Dann kann auch das Land auf der Erfolgsspur
weiterfahren. Das wird Ihnen von der Opposition vielleicht nicht passen, aber machen Sie das bitte auch Ihren und unseren Wählerinnen und Wählern klar. Die werden dann die Konsequenzen ziehen.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Capezzuto SPD: Oh! Das hat uns jetzt wehgetan! – Abg. Fischer SPD: Das hatte mit Hochschulen wenig zu tun!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Große Anfrage nach der Zukunft der Universitätsklinika im Land stellt die CDU zu Recht. Bei den großen Antworten hält sich die Landesregierung aber bedeckt. Sie legt in der Antwort nicht offen, welche großen Linien sie einschlagen und verfolgen will, wenn es um die Zukunftssicherung der Universitätsklinika geht.
Was sind die Veränderungen, denen sich die Universitätsklinika stellen müssen? Der Wissenschaftsrat hat das meines Erachtens in seinen Empfehlungen vom Januar dieses Jahres, den „Empfehlungen zu forschungs- und lehrförderlichen Strukturen in der Universitätsmedizin“, sehr gut umrissen. Im Besonderen sind es folgende Herausforderungen:
Es ist das besondere Spannungsverhältnis von Forschung, Lehre und Krankenversorgung in einem Haus. Es ist der verschärfte Wettbewerb im Gesundheitswesen und im Wissenschaftsbereich. Es sind die Einsparmaßnahmen, die vonseiten der Hochschulhaushalte zu verkraften sind. Da ist auch noch einmal daran zu erinnern, wie das in BadenWürttemberg aussieht: Im letzten Haushalt musste die Hochschulmedizin in Baden-Württemberg Kürzungen in Höhe von 54 Millionen € verkraften.
Es sind die Umschichtungen – die sind eben auch schon erwähnt worden – durch das neue Abrechnungssystem DRG. Es sind darüber hinaus Mehrkosten durch die Anerkennung von Bereitschaftsdiensten als Arbeitszeit und durch die Abschaffung des Arztes im Praktikum, und es sind der verstärkte Einsatz von Kleingruppen in der Medizinerausbildung und zusätzliche Aufwendungen in der Lehre durch Verbesserung der Betreuungsrelationen.
Dazu kommt als zusätzlicher Faktor die so genannte BATSchere, die auch in der Antwort auf die Große Anfrage ausführlich beschrieben wurde, also die Schere zwischen steigenden Personalkosten durch Tarifsteigerungen und wachsenden Aufwendungen für die Altersversorgung einerseits und den gekappten Budgets andererseits.
Deshalb sind strukturelle Anpassungen nötig, um hohe Qualitätsstandards, Konkurrenzfähigkeit und Effizienz sicherzustellen. Dafür brauchen die Universitätsklinika Handlungsspielräume. Ich denke, da sind sie auch durch den Übergang in Anstalten des öffentlichen Rechts gut aufgestellt. Sie brauchen klare Verantwortlichkeiten, also eine Regelung und Klärung dessen, wofür die Klinikumsleitungen zuständig sind und wofür die Politik zuständig ist. Da muss nachgearbeitet werden. Außerdem brauchen sie verlässliche Rahmenbedingungen durch die Politik. Gerade auch bei Letzterem sind durchaus Zweifel angebracht.
Zwei Elemente möchte ich an dieser Stelle vertiefen. Das eine sind die fairen Wettbewerbsbedingungen bei der Umstellung auf DRGs. Es ist schon beschrieben worden: Die Besonderheiten der Universitätsklinika als Häuser der Maximalversorgung müssen berücksichtigt werden. Sie sind in dem Fallpauschalensystem bislang nicht ausreichend differenziert abgebildet. Es droht eine strukturelle Benachteiligung der Universitätsklinika. Deshalb ist es aus grüner Sicht richtig, im Rahmen des Fallpauschalenänderungsgesetzes an zwei Stellen nachzuarbeiten:
Zum einen sollen die Angleichungszeiträume von drei Jahren auf vier Jahre, wie es jetzt vereinbart wurde, verlängert werden. Wir halten auch fünf Jahre durchaus für sinnvoll, weil die DRGs nur dann Sinn machen, wenn sie als lernendes System verstanden werden.
Zum anderen geht es um die Definition von Ausnahmebereichen, die zurzeit noch nicht in die DRG-Abrechnungen übernommen werden, sondern längere Zeit brauchen, um auf gesicherter Datengrundlage übernommen zu werden. Kinderkliniken wären ein Beispiel dafür.
Der zweite wichtige Punkt ist: Die Beschäftigten der Universitätsklinika brauchen Anerkennung, Sicherheit und mehr Flexibilität durch Leistungsanreize. In diesen Tagen – das ist ja auch in der Zeitung zu lesen – wird an allen Universitätsklinika protestiert, besonders wegen des bevorstehenden Ausstiegs aus BAT und TdL. Ich finde, die Sorge der Beschäftigten ist berechtigt, wenn sie sagen: „Der zunehmende Finanzierungsdruck wird auf unserem Rücken ausgetragen. Das darf nicht sein.“
Es gibt durchaus auch Grund dafür, dass die Beschäftigten wenig Vertrauen in Klinikumsleitungen und Landesregierung haben. Sie haben wenig Vertrauen darin, dass soziale Gerechtigkeit und sozialer Friede am Arbeitsplatz sowie angemessener Kündigungsschutz auch in Zukunft Berücksichtigung finden; denn die Art und Weise, in der dieser Ausstieg aus dem BAT durchgezogen wird und in der das Durchsetzen von Haustarifverträgen angegangen wird, ist wirklich geeignet, Porzellan zu zerschlagen und das Arbeitsklima zu vergiften. Die Landesregierung trägt leider ihren Teil dazu bei.
Ich will betonen: Für mich ist der BAT alles andere als sakrosankt. Ich halte den BAT für dringend reformbedürftig. Ich halte ihn auch nicht für das geeignete System, Krankenhausvergütungen adäquat abzubilden. Da muss reformiert werden, genauso wie übrigens auch im Wissenschaftsbereich. Aber besser als das Einführen von Haustarifverträgen wäre noch immer ein Spartentarifvertrag, der die notwendige Flexibilität und Leistungsanreize ermöglicht, aber nicht eine Lösung von Haus zu Haus sucht, sondern häuserübergreifend Standards setzt und Vergleichbarkeit sicherstellt.
Diese Lösung hat im Übrigen auch der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands vorgeschlagen. Deswegen glaube ich: Mit dem, was in Baden-Württemberg gerade gemacht wird, schwächt man Reformoptionen für einen Spartentarifvertrag.
Damit zerstören Sie Vertrauen bei den Beschäftigten. Man muss vielleicht daran erinnern, wie die Vorgänge im Land sich entwickelt haben: Als im Jahr 1998 der Übergang zu Anstalten des öffentlichen Rechts vollzogen wurde, hat von Trotha den Beschäftigten versprochen: „Aus dem BAT steigen wir nicht aus.“ Mit der Amtsübernahme durch Frankenberg galt das alte Versprechen nicht mehr. Dann hat es nicht lange gedauert, bis im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes im letzten Jahr angekündigt wurde: „Wir schaffen die Option, aus der TdL auszusteigen. Das ist ja nur eine Option, nur eine Möglichkeit. Was daraus gemacht wird, steht auf einem ganz anderen Blatt.“ Es hat kein halbes Jahr gedauert, jetzt wird in allen Universitätsklinika genau dieser Schritt vorbereitet. Man muss sich nicht wundern, wenn die Beschäftigten sagen: „Wir können uns nicht auf die Landesregierung verlassen.“
Lieber Herr Minister Frankenberg, ich möchte Ihnen auch einen Rat geben: Manche Minister haben sich ja einen Ruf als Ankündigungsminister erworben. Sie gehen, glaube ich, als Optionsminister in die Geschichte ein. Immer wieder legen Sie in gesetzlichen Regelungen „Optionen“ fest. Damit legen Sie ganz vornehm eine Spur. Anderen Leuten überlassen Sie dann die Umsetzung, und Sie lassen sie damit allein. Die sollen sich dann auch den Ärger an die Backe binden.
Ich glaube, dass das kein guter Umgang mit der Öffentlichkeit und mit den Betroffenen ist. Stehen Sie zu dem, was Sie vorhaben. Stehen Sie dazu, legen Sie offen, was Sie zum Beispiel in Bezug auf die Privatisierung in Zukunft machen wollen. Sie legen auch da wieder beim neuen Landeshochschulgesetz lediglich eine Spur. Sie führen die „Option“ ein und wollen ermöglichen, dass Teile von Universitätsklinika oder auch ganze Universitätsklinika privatisiert werden. Die will aber niemand komplett kaufen. Sie ermöglichen das ja nur, und danach lassen Sie die Universitätsklinika mit der Umsetzung allein, und die Verantwortung übernehmen Sie nicht. Legen Sie offen, was Sie wollen. Dann kann man mit Ihnen sauber darüber streiten.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor knapp einem Jahr hat das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium eine Anhörung zum Thema „Vor- und Nachteile einer Teilprivatisierung der Universitätsklinika“ durchgeführt. Die Ergebnisse der Anhörung finden sich in einer Broschüre. Daraus möchte ich kurz einige Feststellungen herausgreifen:
Universitätsklinika haben Besonderheiten. Sie haben eine andere Interessenlage als andere Kliniken und Krankenhäuser. Sie sind Krankenhäuser der Maximalversorgung und sind zumeist der größte Arbeitgeber in ihrer Region. Universitätsklinika zählen aber auch zu den wichtigsten Orten der klinischen Forschung. Die ärztlichen Direktoren sind
dort Chefärzte und Manager, aber auch gleichzeitig als Professoren maßgeblich in Forschung und Lehre eingebunden.
Gerade aber diese Verbindung von – bitte genau zuhören – Krankenversorgung, Forschung und Lehre bildet die eigentliche Besonderheit gerade hier in Baden-Württemberg.
Entgegen den Ausführungen von Frau Bauer haben wir zu diesem Thema sehr viel getan und viele Anhörungen durchgeführt.
Die Große Anfrage war die Grundlage, um daran anschließend gemeinsam mit Günther Oettinger, mit den Aufsichtsräten, mit den Klinikavorständen zu diskutieren. Wir haben eine breite Meinungsbildung vorgenommen und haben dieses Thema sehr massiv betrieben. Wir wollen ein landesweit abgestimmtes Konzept, in dem sowohl für die Maximalversorgung als auch für die Regelversorgung gute Bedingungen sichergestellt werden.
Stichwort BAT-Ausstieg: In der „Stuttgarter Zeitung“ vom 28. Juni 2004 war zu lesen, dass das Freiburger Klinikum damit begonnen hat, für einen Haustarif zu werben, der den BAT ersetzen soll. Ich bin selbst lang genug beim Staat beschäftigt und weiß, dass der BAT leistungsfeindlich ist. Der BAT gibt eine Grundsicherheit, aber er berücksichtigt keine Leistung, er verallgemeinert alles. Daher sollen die zahlreichen undurchsichtigen und völlig unzeitgemäßen Vorschriften durch Transparenz, Durchlässigkeit und vor allem Leistungsgerechtigkeit ersetzt werden, denn die regelmäßigen BAT-Steigerungen pauschal für alle seien nicht mehr zu verkraften; so heißt es in dem Presseartikel. Die Klinika sind der Überzeugung, dass aufgrund von Sparzwängen ansonsten ein Personalabbau kommen muss.
Sollte es keinen BAT-Ausstieg geben, besteht die große Gefahr der betriebsbedingten Kündigungen. Die Stichworte sind bekannt: BAT-Schere, Defizite, DRG-Einstieg usw.