Protokoll der Sitzung vom 28.07.2004

Insgesamt: Wir sagen Ja zur Barrierefreiheit im Wohnungsbau, wir sagen Ja zu einer flexibleren Regelung für die Handwerksbetriebe. Aber wir lehnen eine Erweiterung der Ausnahmeregelungen für öffentlich zugängliche Bauten ab und werden diese Position auch in die Ausschussberatungen einbringen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Hofer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mich jetzt bei der Frage, wie wichtig barrierefreies Bauen ist, meinen Vorrednern anschließe, dürfen Sie daraus nicht entnehmen, dieses Thema sei uns nicht wichtig. Es ist uns ganz genauso wichtig, aber man muss nicht alles wiederholen, was schon richtig gesagt worden ist.

(Beifall des Abg. Rückert CDU)

Das Thema ist uns außerordentlich wichtig.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Ich will an dieser Stelle nur das einbringen, was aus unserer Sicht einzubringen war und wo wir uns von der FDP/DVPFraktion wiederfinden und – ich sage es einmal so – auch ich mich nach diesen zwei Jahren wiederfinde. Denn man hat wirklich gemeinsam um Regelungen gerungen. Es war eine sehr angenehme interfraktionelle Arbeit.

Der erste Punkt ist: In der Tat ist uns damals vom Ministerium ein Vorschlag vorgelegt worden: Barrierefreiheit erst bei mehr als acht Wohnungen, dann bei mehr als sechs Wohnungen. Wenn man weiß, dass die anderen Bundesländer im Mittel bei vier Wohnungen liegen, wäre es in der Tat nicht sinnvoll, in Baden-Württemberg eine Neuregelung zu machen und damit bei allen Schwierigkeiten in diesem Bereich an letzter Stelle zu liegen. Deshalb freue ich mich, dass man in Abwägung der gegenteiligen Argumente – da geht es einfach um Kosten – erreichen konnte, auf diese Regelung bei mehr als vier Wohnungen zu kommen. Die Übergangszeit von drei Jahren, in der die Verpflichtung zur Barrierefreiheit für Gebäude mit mehr als sechs Wohnun

gen gilt, ist im Grunde genommen ein Kompromiss, den man auch tragen kann.

Der zweite Punkt, der mir an dieser Stelle wichtig ist, sind die Ausnahmen. Für öffentlich zugängliche Neubauten hat es früher keine Ausnahmen gegeben. Hier muss man sagen: Wir haben uns dafür eingesetzt – es wird ja auch kritisiert, etwa vom Städtetag und vom Gemeindetag, das sei zu weit gehend –, dass es wenigstens bei Schulen und Kindergärten dabei bleibt, dass dort keine Ausnahme gemacht wird. Warum? In aller Regel hat eine Gemeinde über einen Bebauungsplan von vornherein die Gestaltungsfreiheit, eine neue Schule oder einen neuen Kindergarten dort unterzubringen, wo sich das Problem überdimensionaler Kosten zur Schaffung der Barrierefreiheit nicht stellt.

Das Zweite ist: Wir wollen in den Schulen auch Integration von behinderten Schülern. Deshalb darf es dort und in den Kindergärten nach unserer Meinung keine Ausnahme geben. Wir sind froh, dass wir uns da einbringen konnten und uns wiederfinden.

Der dritte Punkt, der mir noch wichtig ist – dabei möchte ich es bewenden lassen und mich im Übrigen nun wirklich meinen Vorrednern anschließen –, ist die Ausnahmeregelung bei Umbauten. Da haben wir schon immer eine Ausnahmeregelung gehabt. Diese lautete: Wenn es wirtschaftlich unzumutbar ist, muss man bei Umbauten keine barrierefreie Lösung vorsehen. Dazu gab es dann in der Begründung eine Richtlinie, eine Anleitung, in der es heißt: etwa ab 20 % erhöhter Baukosten. Ich habe lange genug ein „eigenes“ Baurechtsamt geführt und weiß, dass der zuständige Mitarbeiter den Rechenschieber nimmt und sagt – so entsteht Bürokratie –: „20 %. Wenn es 21 % sind, geht es; wenn es 19 % sind, geht es nicht.“ Dabei war damals schon immer eine Gesamtbetrachtung des Einzelfalls vorgesehen. Das führt zu diesen unangenehmen Ergebnissen, die kein Mensch draußen versteht und die für die Realisierung aller Belange, die die Behinderten mit Recht vortragen, kontraproduktiv sind.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Denn die Leute sollen verstehen, warum wir das machen und dass wir da keine Bürokratie treiben.

Deshalb hat man diese Regelung eingeführt; dies war schwer genug. Wir zwingen damit zu folgendem Vorgehen – ich bitte auch darum, dass das in den Baurechtsreferentenbesprechungen immer wieder gesagt wird –: Wenn organisatorische oder planerische Möglichkeiten vorgesehen werden, für die Behinderten alles im Erdgeschoss unterzubringen, wo sie alles erledigen können, dann wird die Frage der Wirtschaftlichkeit, das auch noch im ersten Geschoss zu machen, ganz anders beurteilt werden müssen, als wenn man solche Ersatzmaßnahmen nicht vorsieht. Das ist praktikabel, das ist Abbau von Bürokratie. Ich bin außerordentlich froh, dass wir das wiederfinden. Da es nicht leicht ist, Bürokratie abzubauen, freut mich dieses kleine Erfolgserlebnis an einer Stelle, die sehr wichtig ist. Dazu hat es monatelanger Besprechungen bedurft, weil man nicht eine Begründung ändern kann, ohne den Gesetzestext zu ändern – etwas, was ich als Jurist so nicht entgegennehme. Es ist dann doch gegangen. Man hat halt irgendwo ein Wörtchen

verändert. Das zweite Argument ist halt immer: Das haben wir noch nie gemacht. Dass wir hier nun endlich eine praktikable Lösung gefunden haben, freut mich sehr. Ich denke, das eine oder andere können wir dann noch in der Ausschusssitzung beraten. Wir stimmen dem Gesetzentwurf jedenfalls zu.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Witzel.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Barrierefreies Bauen ist keine teure Sonderbauform für Menschen mit Behinderungen, sondern es ist ein Bauen für alle, denn Nutznießer des barrierefreien Bauens sind auch Familien mit Kindern bzw. mit Kinderwagen, ältere Menschen und auch Menschen mit schweren Lasten oder Gepäck. Weil wir Grünen BadenWürttemberg zu einem kinderfreundlichen Land machen wollen, weil wir aufgrund der demografischen Entwicklung immer mehr ältere Menschen haben werden und natürlich auch, weil wir niemanden wegen seiner Behinderung benachteiligen wollen, deswegen treten wir für das barrierefreie Bauen ein.

Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf soll die bisherige Regelung in zwei Punkten geändert werden; das wurde schon gesagt. Zum einen geht es um das barrierefreie Bauen im allgemeinen Wohnungsbau und zum andern um eine Öffnung bei der Ausnahmeregelung.

Ich komme zunächst einmal zu der Öffnung bei der Ausnahmeregelung für öffentlich zugängliche Gebäude. Bisher gab es eine Ausnahmeregelung nur bei Umbauten. Bei Neubauten von öffentlich zugänglichen Gebäuden war die Barrierefreiheit in jedem Fall verpflichtend vorgeschrieben. Bei Umbauten war eine Befreiung nur möglich, wenn die Schaffung der Barrierefreiheit wirtschaftlich unzumutbar war. Jetzt soll in Härtefällen eine Befreiung auch bei Neubauten möglich sein. Es ist dabei wichtig – darauf hat Herr Hofer schon hingewiesen –, dass auch planerische und organisatorische Ersatzmaßnahmen berücksichtigt werden sollen.

Ich möchte das konkret an einem Beispiel aufzeigen: Gehen wir von einem Jugendheim aus. Zwei Räume im Erdgeschoss, barrierefrei erreichbar, sind vorhanden. Nun soll das Dachgeschoss ausgebaut werden, weil Bedarf vorhanden ist. Das ist aber zu teuer, weil der Träger den Einbau eines Aufzugs nicht bezahlen kann. Wenn nun der Betreiber aber solide darlegen kann, dass er es organisatorisch auf die Reihe bekommt, jede Jugendgruppe, in der sich behinderte Menschen befinden, im Erdgeschoss unterzubringen, und wenn er damit erklärt, dass es sich bei dem Raum im Dachgeschoss um einen Raum handelt, in den keine behinderten Menschen gelangen müssen, dann kann hier eine Ausnahmeregelung greifen. Dann kann auf den Einbau eines Aufzugs verzichtet werden.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Sehr gut! – Beifall der Abg. Kurz CDU und Hofer FDP/DVP)

Das ist aus unserer Sicht eine richtige Regelung. Sie darf aber nicht zu einem Einfallstor dafür werden, dass wir für behinderte Menschen neue Barrieren aufbauen.

(Beifall der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Aber dort, wo wir dem Anliegen der behinderten Menschen auf andere Weise gerecht werden können, soll ein Verzicht auf teure bauliche Maßnahmen möglich sein. Wenn wir uns die kommunalen Finanzen anschauen, müssen wir sagen: Manches ist wünschbar, aber längst nicht alles finanzierbar. Weil dies hier berücksichtigt und umgesetzt wird, tragen wir Grünen diese neue Ausnahmeregelung mit. Es wird dabei aber sehr darauf ankommen, Herr Minister, dass die Genehmigungsbehörden die neue Ausnahmeregelung nicht exzessiv auslegen, sondern dass sie den neuen Spielraum mit Augenmaß, auch mit dem Augenmaß der behinderten Menschen nutzen. So weit zum ersten Punkt.

(Beifall der Abg. Heike Dederer und Edith Sitz- mann GRÜNE)

Zum Zweiten geht es um die Barrierefreiheit im allgemeinen Wohnungsbau. Für uns Grüne ist es seit langem ein Anliegen, dass Barrierefreiheit nicht nur bei öffentlich zugänglichen Gebäuden gefordert wird, sondern dass auch im allgemeinen Wohnungsbau Anforderungen an die Barrierefreiheit von Wohnungen gesetzt werden. Denn was nutzt einem behinderten Menschen zum Beispiel ein barrierefrei zugängliches Theater oder Museum, wenn er sich nur mit fremder Hilfe ins öffentliche Leben bewegen kann, weil in der eigenen Wohnung oder vor der eigenen Haustür Barrieren sind, die ihn von der Teilnahme am öffentlichen Leben aussperren?

Wir begrüßen es daher sehr, dass unsere diesbezügliche Forderung jetzt in etwas anderer Form in die LBO aufgenommen werden soll. Das ist eindeutig ein Schritt in die richtige Richtung. Das wollen wir würdigen; und das ist auch der Grund dafür, dass wir diesem Gesetzentwurf grundsätzlich zustimmen können.

(Beifall bei den Grünen)

Aber wir müssen klar und deutlich sagen: Dieser Schritt in die richtige Richtung ist nicht sehr mutig. Andere Bundesländer fordern entsprechende Maßnahmen schon in Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen; bei uns soll es zunächst einmal bei sieben Wohnungen beginnen, später dann bei mehr als vier. Wir können wahrhaftig nicht stolz darauf sein, dass wir uns dem Durchschnitt der Bundesländer jetzt allmählich von unten annähern. Aber natürlich ist es ein Schritt in die richtige Richtung.

Unbefriedigend ist auch, was Herr Gaßmann schon angesprochen hatte: Es wird hier nur geregelt, dass gewisse Wohnungen barrierefrei erreichbar sein sollen. Was heißt das? Die Menschen können zwar dort hinkommen, aber dazu, ob sie die Wohnung dann auch tatsächlich nutzen können, gibt es keine Regelung. Im Entwurf steht zwar: „Küche, Bad und Toilette sollen mit dem Rollstuhl zugänglich sein“, aber damit ist ja noch nicht gewährleistet, dass ein Rollstuhlfahrer tatsächlich in die Küche oder in die Toilette hineinfahren kann und dort genügend Bewegungsfreiheit hat. Das halten wir für einen gravierenden Mangel.

Wir sind jedoch bereit, die vorliegende Fassung zunächst mitzutragen und hier auf weiter gehende gesetzliche Regelungen zu verzichten. Wir werden aber sehr genau beobachten, wie diese neuen Regelungen von Bauherren und Architekten umgesetzt werden. Wir hoffen dabei, dass die Akteure des Wohnungsmarkts den Gedanken der Barrierefreiheit aufgreifen und auch wirklich, ohne dass es nun klare Regelungen gibt,

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)

zukunftsfähige Wohnungen bauen, die nicht nur barrierefrei zugänglich sind, sondern die von Menschen mit Behinderungen auch tatsächlich genutzt werden können.

(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP)

Wir wollen den Trägern und den Akteuren im Wohnungsbau also eine gewisse Verantwortung übertragen. Sollte sich diese Hoffnung aber nicht erfüllen, werden wir als Gesetzgeber schärfere Vorschriften erlassen müssen.

In diesem Sinne darf ich die Zustimmung der grünen Fraktion signalisieren. Wir werden allerdings noch einige kleine Punkte, die ich hier aus Zeitgründen nicht vortragen konnte, im Ausschuss ansprechen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Hofer FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Vorgeschlagen wird die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss. – Sie stimmen der Überweisung zu. Damit ist es so beschlossen.

Der bisherige Punkt 5 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe den bisherigen Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landesbesoldungsgesetzes und anderer Gesetze – Drucksache 13/3399

Das Präsidium hat für die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt, festgelegt.

Das Wort erhält Herr Finanzminister Stratthaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung legt Ihnen einen Gesetzentwurf vor, mit dem das neue Recht der Professorenbesoldung zum 1. Januar 2005 bei den Hochschulen des Landes eingeführt werden soll. Durch Bundesrecht sind die Länder verpflichtet, dieses neue Recht spätestens bis zum 1. Januar 2005 umzusetzen. Der Bundesgesetzgeber hat lediglich die allgemeinen Regelungen zur neuen Professorenbesoldung festgelegt. Für die konkreten Ausformungen sind die Länder zuständig, und die Länder haben dabei weitreichende Handlungsspielräume.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf macht die Landesregierung von diesen Spielräumen Gebrauch. Unser Ziel ist es, die weitere Stärkung des Hochschulstandorts Baden