Protokoll der Sitzung vom 28.07.2004

Ja, es gab ein Nordrhein-Westfalen-Modell und ein Baden-Württemberg-Modell. Wir haben uns sehr schnell auf ein einheitliches Modell geeinigt.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: So schnell war das nicht!)

Das musste aber zwei Mal durch den Bundestag wandern, ehe es dann akzeptiert war und aus den Gegnern der Selbstauswahl flammende Befürworter der Selbstauswahl geworden sind.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Zu einem solchen System autonomer Hochschulen, die sich ihre Studierenden auswählen, die eine Qualitätsorientierung haben, gehört nicht nur der Wegfall des Hochschulrahmengesetzes, sondern auch die Möglichkeit, Studiengebühren zu erheben. Denn wenn man gute Lehre nicht auch gut finanzieren kann, wird sie so nicht stattfinden.

Noch ein abschließendes Wort, weil nun ausgerechnet diejenigen, die so viele Wettbewerbselemente ausschließen, von Spitzenuniversitäten reden. Harvard, meine Damen und Herren, ist nicht durch einen von der US-Regierung verordneten Wettbewerb zustande gekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Harvard hat sich vielmehr im Wettbewerb entwickelt. Es macht keinen Sinn, 1,9 Milliarden € für einen Wettbewerb der Spitzenhochschulen auszugeben und auf der anderen Seite lauter Wettbewerbsbeschränkungen durch das Hochschulrahmengesetz und Ähnliches bestehen zu lassen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: 16 Jahre hatten Sie Zeit dafür!)

Das wäre genauso, als wenn man in eine Planwirtschaft mehr Geld pumpen würde und glaubte, dann würde sich eine Marktwirtschaft entwickeln.

(Zuruf von der CDU: Sehr schön!)

Deshalb macht es nur Sinn, zu sagen: Ja, wir wollen einen Wettbewerb um Spitzenhochschulen,

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Schade, dass er erst drei Jahre Minister ist! Sonst hätte er das alles schon gemacht!)

aber wir werden gleichzeitig das Hochschulrahmengesetz abschaffen, Studiengebühren zulassen, das Kapazitätsrecht verändern, die Autonomie der Hochschulen erweitern und einen wirklichen Hochschulwettbewerb herbeiführen, der dann mit mehr Geld auch zu einer wirklichen Entwicklung von Spitzenhochschulen führen kann.

(Abg. Fleischer CDU: Dann ist es logisch und kon- sequent!)

Der erste Schritt auf diesem Weg ist die Erweiterung des Selbstauswahlrechts.

Ich darf abschließend doch noch auf die Rede der PDS-Abgeordneten im Bundestag zu sprechen kommen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Wir sind hier im Landtag von Baden-Württemberg!)

Sie hat ja Wichtiges gesagt. Sie hat gesagt und dabei Frau Bulmahn angesprochen: „Ich verstehe nicht, dass Sie dem, was die jetzt wollen, zustimmen.“ Denn das, was unser Land wolle, sei mehr als Selbstauswahl. Es wolle nicht nur die Selbstauswahl, sondern auch noch das Hochschulrahmengesetz abschaffen und das Erheben von Studiengebühren ermöglichen. Da habe ich ihr gesagt: Sie haben unser

(Minister Dr. Frankenberg)

System und unseren Politikansatz, der ein ganzheitlicher und systematischer ist, sehr gut verstanden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Der Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung des Hochschulzulassungsgesetzes –, Drucksache 13/3408, soll an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst überwiesen werden. – Sie stimmen der Überweisung zu.

Damit ist der bisherige Tagesordnungspunkt 7 beendet.

Wir kommen zum bisherigen Tagesordnungspunkt 8:

Antrag der Fraktion GRÜNE – Keine Bodenabtragung vor Abschluss der Rechtsstreitigkeiten um den geplanten Messeneubau auf den Fildern – Drucksache 13/3384

dringlich gemäß § 57 Abs. 3 GeschO

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Ich erteile Herrn Abg. Kretschmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als der Landwirt Walter Stäbler seinen Hof verkauft und im Tausch einen anderen Hof genommen hat, haben Sie hier ein Triumphgeschrei angestimmt. Ich finde, dass Sie dazu gar keinen Anlass haben. Denn was da passiert ist – wir machen natürlich dem Landwirt Stäbler keinerlei Vorwürfe; das ist seine persönliche Entscheidung, die wir zu respektieren haben, auch als Messegegner –, hat einen Grund. Der liegt letztlich in der Erpressungsstrategie, die die Landesregierung hier fährt, indem sie behauptet, im Rahmen der Enteignung werden 20 € pro Quadratmeter bezahlt, und wer verkauft, bekommt 53 € pro Quadratmeter.

Ich möchte einmal wissen, was das noch mit einem rechtsstaatlichen Verfahren zu tun haben soll.

(Beifall bei den Grünen und auf der Zuhörertribüne – Zuruf von der CDU: Das völlig normale Verfah- ren!)

Entweder ist das Land in einem solchen Verfahren einen bestimmten Betrag wert – dann muss den jeder bezahlen –, oder das, was Sie hier machen, wäre eine unglaubliche Verschwendung von Steuergeldern. Vielleicht ist es auch nur eine infame Strategie, um Leute so unter Druck zu setzen, dass sie freiwillig auf ihre Rechte verzichten. Deswegen haben Sie gar keinen Grund für ein solches Triumphgeschrei, wenn man den Hintergrund erkennt, mit dem Sie hier arbeiten. Es ist wirklich das Allerletzte, wenn in einem Rechtsstaat so etwas geschieht.

(Beifall bei den Grünen)

Zweitens zum gestrigen VGH-Beschluss: Dieser Beschluss, der nicht sehr überrascht hat, wenn man die Tradition der Rechtsprechung des VGH kennt, wird ermöglichen, dass die Kläger jetzt einen Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht stellen. Das wäre vorher gar nicht möglich gewesen. Unter der Erwartung dieses Eilantrags, über den spätestens bis September entschieden sein wird, ist es erforderlich, dass die Landesregierung erklärt, dass der Versuch, durch den Abtrag des Mutterbodens irreversibel vollendete Tatsachen zu schaffen, unterlassen wird, solange über den Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht nicht entschieden ist.

(Beifall bei den Grünen und auf der Zuhörertribü- ne)

Denn dieser Abtrag ist in keiner Weise erforderlich, und es macht einen ganz schlechten Eindruck auf die Bürgerinnen und Bürger, wenn auf ihre Bitten an den Ministerpräsidenten – man weiß, dass das Staatsministerium jeden Brief beantwortet – und auf die Bitte des Oberbürgermeisters von Leinfelden-Echterdingen, nicht durch den Abtrag des Mutterbodens vollendete Tatsachen zu schaffen, in einem so prekären Verfahren noch nicht einmal eine Antwort erfolgt. Ich finde es höchst bemerkenswert und völlig unverständlich, dass so etwas geschieht.

(Beifall bei den Grünen)

Deswegen noch einmal die eindringliche Bitte, unserem Antrag zu folgen und zu verhindern, dass vor der BVG-Entscheidung vollendete Tatsachen geschaffen werden. Das können die Landwirte nach den Entscheidungen, die in den letzten Tagen gefallen sind, wirklich erwarten.

Zum Schluss lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu dem ganzen Messeprojekt machen. Wir haben gerade die neuesten Zahlen von der Messe in Karlsruhe über den Ticker bekommen und vernommen, wie sie in die roten Zahlen rutscht. Hier wird in einem völlig überhitzten Messemarkt ein Projekt hochgezogen, das mit Schulden des Landes finanziert wird. Vorausgesetzt, die Deckelung bei 806 Millionen € stimmt überhaupt – das wäre das erste Großprojekt, bei dem die Kosten eingehalten würden –, muss das Land davon 243 Millionen € blechen, die es nicht hat.

Ich frage Sie: Wie können Sie angesichts der Haushaltslage, die wir schon jetzt haben und die noch auf uns zukommen wird, so etwas vertreten? Ich habe es heute Morgen schon gesagt: Ist es nun Kernaufgabe des Landes, unsere jungen Leute darauf vorzubereiten, dass sie den wirtschaftlichen Wettbewerb im Leben bestehen, und ist das Land dafür verantwortlich, dass unsere jungen Leute so gut ausgebildet werden, dass Baden-Württemberg diesen Wettbewerb bestehen kann? Jeder weiß, wie schwierig es sein wird, die notwendigen Ressourcen zur Wahrnehmung dieser Kernkompetenz und Kernaufgabe des Landes bereitzustellen.

Jetzt frage ich Sie, besonders auch die Privatisierer von der FDP/DVP: Ist es in einer so prekären Haushaltssituation wie der, in der wir uns gerade befinden, und angesichts der Tatsache, dass wir bereits eine ausgedehnte Messelandschaft im ganzen Land haben, zu verantworten, ein solches Projekt hochzuziehen? Ist es nicht Aufgabe der Wirtschaft,

Messen zu bauen und die Entscheidung dafür zu treffen? Ist das Aufgabe des Landes? Ich sage Nein. Das Land hat weder die Kompetenz noch das Geld, das zu machen.

Deswegen kann ich nur noch einmal an Sie appellieren: Nehmen Sie endlich Vernunft an! Nehmen Sie Abstand von diesem unsinnigen Projekt! Wir haben eine Messelandschaft in Baden-Württemberg, und wir brauchen keine Landesmesse an einem Standort, wo hunderttausend Leute sie nicht wollen und wo sich die betroffene Gemeinde dagegen wehrt – übrigens ein einmaliger Fall.

Wenn wir uns im Messewesen engagieren wollen, dann tun wir das doch in Asien, dort, wo die Märkte sind. Ich habe heute Morgen schon gesagt: Es wartet heute niemand mehr zwei Jahre, bis er einen Daimler bekommt.

(Minister Dr. Christoph Palmer: Das ist jetzt wirk- lich schlimm!)

Dort müssen wir uns engagieren. Das wird auch schon gemacht. Auch dafür haben wir selbstverständlich nicht das Geld, aber wenn wir uns schon engagieren wollen, dann müssen wir in diese Märkte einsteigen. Aber hier – das haben nun prominente Wirtschaftsvertreter wie Herr Rogowski gesagt – in diesem überhitzten Messemarkt diesen Subventionswettlauf fortzusetzen entbehrt jeder Vernunft. Jeder andere Subventionswettlauf – die Subventionsabbauer von der FDP/DVP sind hier noch einmal gefragt – zeigt, wohin das führt: zu Marktverzerrungen und zur Verschleuderung von öffentlichen Geldern. Das können wir uns in dieser Haushaltssituation nicht leisten.

(Beifall bei den Grünen)

Darum bitte ich Sie: Nehmen Sie Abstand von diesem Projekt!