Meine Damen und Herren, wir stimmen jetzt über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/3612, ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. –
Dazu rufe ich den Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/3621, mit auf.
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: fünf Minuten für die Begründung des Antrags Drucksache 13/3596, fünf Minuten je Fraktion für die Aussprache.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Angst, es gibt keine Fachdebatte zu später Stunde.
Zerstritten in der Frage der Rechtschreibreform und der künftigen Rolle der Kultusministerkonferenz kommen an diesem Donnerstag
in Berlin die 16 Ministerpräsidenten zu ihrer Jahreskonferenz zusammen. Vor allem beim Umgang mit den bereits beschlossenen neuen Schreibregeln ist keine Einigung in Sicht.
Rund 100 Autoren, Verleger und Wissenschaftler forderten am Mittwoch auf der Frankfurter Buchmesse die Rücknahme der Rechtschreibreform. In ihrem „Frankfurter Appell“ riefen unter anderem Günter Grass, Siegfried Lenz, Sten Nadolny und Ilse Aichinger die Politik auf, weiteren Schaden von der deutschen Sprache und Literatur abzuwenden und „das Experiment Rechtschreibreform zu beenden“.
Mit diesem Antrag wollen wir Kultusministerin Schavan und Ministerpräsident Teufel den Rücken stärken
Jetzt sehe ich zu meiner Überraschung einen Änderungsantrag der Regierungsfraktionen. Liebe Kolleginnen und Kol
legen von der CDU und der FDP/DVP, ich muss wirklich fragen, ob Ihr Antrag ebenfalls geeignet ist, dem Ministerpräsidenten und Frau Kultusministerin Schavan den Rücken zu stärken, oder ob er nicht eher geeignet ist, beiden in den Rücken zu fallen.
(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Göschel SPD: Und was ist mit Oettinger? – Abg. Dr. Caroli SPD: Wo bleiben die anderen? – Leb- hafte Unruhe)
Denn Sie schließen sich in der Begründung dieser haltlosen Kritik, die zurzeit in der Öffentlichkeit herumgeistert, nahezu vollständig an.
Sie sagen in der Begründung, dass zum 1. August 2005, wie vorgesehen, zur Verbindlichkeit eines Regelwerks zurückzukehren sei. Das Wort „eines“ ist auch noch unterstrichen. Dahinter steckt doch die Botschaft, es könnte durchaus auch die alte Rechtschreibung sein.
Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir Ihrem Änderungsantrag heute nicht zustimmen, sondern den Antrag unserer Fraktion aufrechterhalten.
Meine Damen und Herren, diese Debatte über die Rechtschreibreform, die immer wieder zur Sommerzeit aufflackert, ist nicht nur überflüssig wie ein Kropf, sondern sie ist auch schädlich für die Kinder in unseren Schulen, für unsere Gesellschaft und für die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der Politik, auch gegenüber den Schulbuchverlagen. Es wird so getan, als hätten wir in unserer Gesellschaft keine anderen Sorgen und keine anderen Probleme, die zu lösen wären, als jetzt gegen eine Reform zu wettern, die durchaus auch Positives für die Kinder in der Schule, die die Rechtschreibung lernen müssen, bringt.
Immerhin sind bei dieser Reform von den 212 Rechtschreibregeln, die im Duden zur alten Rechtschreibung enthalten sind, zu denen es auch noch unzählige Ausnahmeregelungen gibt,
über 100 weggefallen. 98 % der Wörter bleiben dennoch gleich. Diese moderate Rechtschreibreform erlöst unsere Kinder wenigstens teilweise von der Regelflut und bewahrt doch die Tradition der deutschen Sprache. Deshalb sage ich: Diese Rechtschreibreform muss bleiben.
Ich höre aus den Schulen, dass die Rechtschreibreform dort kein Problem sei. Es finden keine Debatten zwischen Eltern, Lehrerinnen und Kindern über diese Rechtschreibreform statt. Im Gegenteil, wenn es möglich ist, wenn an den Schulen mehr Zeit für die Entwicklung wirklich wichtiger Fähigkeiten von Kindern besteht, zum Beispiel für die Entwicklung der Lesekompetenz oder für die Entwicklung der kreativen und musischen Fähigkeiten der Kinder, dann ist dies doch besser als das sture Auswendiglernen von Rechtschreibregeln, mit denen wir alle – das wissen Sie alle selbst nur zu gut – in der Kindheit geplagt wurden.
Meine Damen und Herren, mit der jetzt verbindlich einzuführenden Reform wird aber nicht der Status quo der Orthografie auf Dauer zementiert. Sprache und Schrift haben sich schon immer verändert und werden sich selbstverständlich auch nach dieser Reform weiterentwickeln. Es wird weiterhin Unstimmigkeiten geben, die auch immer wieder geklärt werden müssen. Das wird natürlich auch jetzt in der Folge dieser Rechtschreibreform gemacht werden.
Deshalb sage ich: Mit dem heute zu fassenden Beschluss kommt es darauf an, die Besitzstandswahrer der Rechtschreibung, die sich anmaßen, die Vereinfachung der Rechtschreibung für unsere Kinder zu verhindern, in die Schranken zu weisen und Kultusministerin Schavan und Ministerpräsident Teufel einen klaren Handlungsauftrag für die Bundesgremien mitzugeben, der da heißt: Wir wollen jetzt diese Regelung machen.
Wir müssen als Politiker auch glaubwürdig sein. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Fraktionsantrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Deutsche Sprache, schwere Sprache – dieser Meinung sind wohl viele, die Deutsch nicht als Muttersprache haben und die deutsche Sprache lernen müssen oder wollen. Dieser Meinung sind aber auch viele, die Deutsch als Muttersprache haben und es dann schreiben lernen.
Denn gerade beim Schreiben ist manchmal schon einiges nicht sehr logisch und nicht sehr verständlich. Das haben nun einige beherzte Germanisten und Politiker aufgegriffen. Sie haben sich immerhin schon vor acht Jahren dazu entschlossen, das zu reformieren.
Seither ist eine Art Weltanschauungsstreit entstanden, der jetzt gerade wieder aufbrandet. Es gibt einige praktische Gründe für die Reform und einiges, was vielleicht an dieser Rechtschreibreform befremdlich ist. Aber dafür, dass man sich weltanschaulich darüber streitet und den Untergang der deutschen Sprache befürchtet, habe ich wenig Verständnis.