Protokoll der Sitzung vom 06.10.2004

Ich sage Ihnen: Alles, was Sie gesagt haben, war falsch, liebe Kollegin.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

Wenn Sie einmal die FAZ vom 24. September gelesen hätten, dann hätten Sie feststellen können, dass Baden-Württemberg mit die höchsten Strompreise hat,

(Abg. Schmiedel SPD: So ist es!)

und das bei einem Kernenergieanteil von 60 %. Erzählen Sie uns nicht, dass niedrige Strompreise durch Kernkraft erwirtschaftet werden könnten,

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: So ist es!)

bei fast abgeschriebenen Kernkraftwerken. Mit dieser Mär müssen wir aufräumen.

Das Zweite: Sie haben dann erzählt, im Ausland seien die Strompreise niedriger. Auch das ist falsch. Herr Claassen von der EnBW hat am 30. September in der „Frankfurter Rundschau“ deutlich darauf hingewiesen, dass kaufkraftbereinigt – und nur auf dieser Basis kann man die Preise ja vergleichen – im Ausland die Strompreise erheblich höher seien als in Deutschland. Sie liegen in Ungarn sogar sechsmal höher. Also, warum erzählen Sie denn hier, im Ausland sei der Strom billiger?

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Ja! – Zuruf von der CDU: Frankreich!)

In Frankreich trifft das laut Herrn Claassen auch nicht zu – kaufkraftbereinigt.

(Abg. Oettinger CDU: Nachlesen, Herr Kollege! – Abg. Fleischer CDU: 23 %!)

Dritter Bereich, Herr Oettinger: Die Kernkraft kostet ein erhebliches Geld im investiven Bereich. Wir haben bisher 80 Milliarden € für Kernkraft ausgegeben – 20 Milliarden für die Forschung, 60 Milliarden für den Neubau –, ohne zu berücksichtigen, dass die Rücklagen, die die Kernkraftwerksbetreiber bilden müssen, steuerfrei laufen. Das ist alles nicht eingerechnet.

Jetzt wollen Sie in eine neue Kraftwerksideologie einsteigen, die alles nicht beiseite schafft. Die Unfallträchtigkeit ist genauso hoch. Wir haben nach wie vor kein Atommülllager, im Übrigen auf der ganzen Welt nicht.

(Abg. Hauk CDU: Weil Sie es verhindern! Das ist doch nicht wahr! – Gegenrufe von der SPD)

Wir Sozialdemokraten und die Grünen regieren doch gar nicht auf der ganzen Welt.

Es ist so: Wir haben kein Endlager. Wir verschieben das gesamte Problem auf unsere folgenden Generationen, Zehntausende von Jahren. Das ist doch keine zukunftsfähige Energieversorgung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Sagen Sie uns deswegen einmal, wo Sie Ihre neuen Kernkraftwerke in Baden-Württemberg bauen wollen. Wir sagen: Machen Sie Nachfolgenutzung. Wir wissen, welche Kernkraftwerke abgeschaltet wurden und werden. Im Übrigen, Frau Kollegin, ist es zwischen der Industrie und der Politik ausgehandelt worden, wie lange Kernkraftwerke laufen. Das war nicht willkürlich.

(Abg. Oettinger CDU: Das war trotzdem falsch! – Abg. Hauk CDU: Deshalb war es nicht besser! Das Ergebnis war nicht besser!)

Deswegen gibt es nur eines, sage ich Ihnen, nämlich den massiven Ausbau der alternativen Energien.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben in Deutschland von 1998 bis 2003 den Stromanteil aus der Bioenergie verdoppelt, den aus der Windkraft vervierfacht und die installierte Photovoltaikleistung versechsfacht.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Abg. Hauk CDU: Das ist eher eine Frage eines Promilleanteils!)

Jetzt zu Ihrer Zukunftsfähigkeit, lieber Herr Kollege Hauk: Sie haben alle Beschlüsse im Bundestag zu erneuerbaren Energien abgelehnt. Alle! Sie haben das 100 000-DächerProgramm abgelehnt, Sie haben das Erneuerbare-EnergienGesetz im März 2000 abgelehnt, Sie haben die Biomasseverordnung im Januar 2000 abgelehnt,

(Zuruf von der SPD: Pfui!)

Sie haben die Vereinbarung über den Atomausstieg abgelehnt, Sie haben die Energieeinsparverordnung vom November 2001 abgelehnt, und Sie haben jetzt im Bundestag durch Ihre eigene Fraktion sogar auch die Einbeziehung der Großen Wasserkraft ins EEG abgelehnt, obwohl BadenWürttemberg von ihr profitiert. Das zeigt, dass man Ihnen die Zukunftsfähigkeit völlig absprechen muss.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt zu Ihrem Antrag. Sie führen diese Gesellschaft zurück in die Steinzeit. Das ist völlig falsch. Wir dürfen uns nicht abhängig machen von der Kernkraft, sondern wir müssen

uns von der Kernkraft lösen. Haben Sie im Übrigen schon einmal darüber nachgedacht, dass wir Uranvorräte für gerade noch 60 Jahre haben? Für 60 Jahre haben wir noch Uranvorräte für die bestehenden Kernkraftwerke. Wenn auch nur ein einziges zusätzlich hinzukommt, reduziert sich diese Zeit noch, oder Sie müssen in die Technologie des Schnellen Brüters einsteigen. Das wollen Sie aber offensichtlich nicht. Also auch da besteht nach unserer Meinung keine Sicherheit. Versuchen Sie endlich, den Atomausstieg in Baden-Württemberg zu begleiten.

Sie haben ein Gutachten des Herrn Wirtschaftsministers vorliegen, das deutlich macht, mit welchen Maßnahmen wir die Klimaschutzziele und den Ausstieg aus der Atomenergie mit alternativen Energien schaffen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Und was das kostet!)

Das Gutachten haben Sie in Auftrag gegeben, aber Sie handeln politisch nicht danach. Das ist falsch. Nehmen Sie das Gutachten, und gehen Sie mit uns gemeinsam auf den Atomausstieg und auf eine zukunftsfähige und moderne Stromversorgung zu. Das ist zehnmal besser, als die alten Kernkraftwerke weiterzubetreiben.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Kretschmann GRÜNE – Zurufe von der CDU: Oje!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Fauser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist uns allen klar, dass wir Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit brauchen. Wettbewerbsfähigkeit muss in einer Zeit, in der bei uns die Investitionen zurückgehen und die Zahl der Arbeitsplätze abnimmt, mit berücksichtigt werden. Leider wurde bei der letzten Strompreisliberalisierung der faire Netzzugang vernachlässigt. Die Einzigen, die sich auf einen liberalisierten Strommarkt eingestellt haben, war die EnBW, das waren die Baden-Württemberger, und unsere Kollegen im hohen Norden haben die Zeit ausgesessen und über den teuren Netzzugang beinahe jegliche Art von Liberalisierung blockiert.

Meine Damen und Herren, wir brauchen deshalb einen neuen Netzzugang, und zwar in der Art, wie es Professor Utz Claassen, der Vorstandsvorsitzende der EnBW, vorgeschlagen hat. Es darf keine kostenbasierte Netzzugangsregulierung geben. Wir brauchen Investitionseffizienz, Transparenz und innovativen Fortschritt. Wir wollen ein System, bei dem für die Unternehmen Anreize bestehen, Kosten zu senken. Wir brauchen einen Strommarkt, der wirklich frei ist, um effizient arbeiten zu können.

Meine Damen und Herren, regenerative Energien – Herr Drexler hat das angeführt – sind für uns alle natürlich ein Zukunftsziel. Sie sind ein Ziel, bei dem jedermann fragt: Warum können wir die Sonne nicht als Energiequelle verwenden? „Wir brauchen eine Abkehr von der Kernkraft“,

(Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut! – Demonstrativer Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Witzel GRÜ- NE)

wird gern von den Grünen vorgebracht, und: „Wir brauchen eine andere Entwicklung.“ Aber, meine Damen und Herren, das alles geht natürlich nicht so einfach.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Es erinnert mehr an eine Märchenstunde. Wie Sie richtig angeführt haben, ist in diesem Gutachten des Wirtschaftsministeriums, das überaus interessant ist, ganz deutlich geworden, dass allein mit dem Szenario „Nachhaltigkeit“ ein Anteil der regenerativen Energien von 24 % bis zum Jahr 2020 zu erreichen ist, dass dafür aber noch einmal 40 bis 60 % der jährlichen Energiekosten mehr bezahlt werden müssen und wir dadurch selbstverständlich auch unsere Unternehmen stärker belasten.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP – Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Das stimmt überhaupt nicht! Lesen Sie es doch ein- mal nach!)

Die restlichen 76 %, meine Damen und Herren, müssen wir durch Kohle und Gas ersetzen. Kohle und Gas sind absolut rückwärts gewandte Energien, die mehr CO2-Ausstoß verursachen und sehr teuer sind.

(Abg. Drexler SPD: Gucken Sie doch das Gutach- ten an! Jesses Gott! – Abg. Kretschmann GRÜNE: Was ist dann eine vorwärts gewandte Energie?)

Gucken Sie doch auch noch einmal hinein, Herr Drexler. Ich empfehle Ihnen, das zu lesen.

Baden-Württemberg ist, wie Sie wissen, ein sehr schlechter Standort für Kohle und Gas,

(Abg. Drexler SPD: Was?)

weil wir einfach andere Transportkosten und höhere Kosten bei der Kühlung haben. Dadurch haben wir im Grunde genommen einen relativen Standortnachteil gegenüber anderen Bundesländern.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Was wollen Sie jetzt?)

Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir uns überlegen, ob diese Idee wirklich zielführend ist. Bekanntermaßen überlegt die EnBW gerade gemeinsam mit der französischen EdF, vermehrt in Kernkraft zu investieren bzw. in eine neue Reaktorgeneration einzusteigen.

(Abg. Drexler SPD: Und was machen sie mit dem Müll? – Gegenruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)